Viruswelle bei Kindern "Totgespart bis es knallt"
Die Uni-Kinderklinik Leipzig sei "brechend voll", sagt Chefarzt Kiess. Schuld an der Krise trage aber nicht das RS-Virus, sondern die Politik.
Derzeit rollt eine Welle von Atemwegserkrankungen, gerade bei kleinen Kindern, durch das ganze Land. Auch Sachsen ist davon betroffen. "So schlimm wie in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder in Berlin ist es noch nicht", sagte Reinhard Berner, Direktor der Kinderklinik Dresden der Nachrichtenagentur dpa. Aber es gebe landesweit einen enormen Ansturm auf Praxen und Notaufnahmen.
Wieland Kiess, Chef der Universitäts-Kinderklinik Leipzig sagte, man sei noch nicht in einer Katastrophe, "aber im Krisenmodus." Die Kinderklinik in Leipzig sei "brechend voll". Verantwortlich dafür sei vor allem ein starker Anstieg an Grippefällen und anderen Atemwegserkrankungen.
Auch das für Babys und Kleinkinder gefährliche Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) spiele eine Rolle, sagte ein Sprecher des Uniklinikums zu t-online. RSV sei allerdings nicht der Hauptgrund für die vielen kleinen Patienten, es sei eher ein breites Krankheitsspektrum verantwortlich.
- Kinderkliniken am Limit: Wie gefährlich ist das RS-Virus?
Grippefälle verachtfacht und sechsmal mehr RS-Virus-Infektionen
Die Fallzahlen der RSV-Infektion bei Kindern habe sich in Sachsen seit Anfang November versechsfacht, von 63 Fällen auf 366 in der vergangenen Woche, teilte die Landesuntersuchungsanstalt Sachsen mit.
Die Zahl der im Krankenhaus befindlichen Kinder habe sich im selben Zeitraum von 19 auf 102 erhöht. Bei Grippe stiegen die Fallzahlen sogar auf das Achtfache des Wertes von vor einem Monat.
"Wir schaffen es und weisen kein Kind ab, das akute Atemnot hat oder schwer krank ist", sagte Chefarzt Kiess der Nachrichtenagentur dpa. Das habe aber Folgen für andere kleine Patienten, die etwa für geplante Eingriffe auf später umbestellt werden.
Chefarzt: "Kinderkliniken sind totgespart worden"
Über den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Pflegekräfte aus der Erwachsenenmedizin einzusetzen, kann Kiess nur den Kopf schütteln. "Die haben selbst keine mehr." Denn es seien jetzt auch viele Schwestern und Ärzte krank.
Die Kinderkliniken seien so lange totgespart worden, bis es knallt, schimpft Klinik-Chef Kiess. "Jetzt merken wir das, wir haben ja keine Betten, was viel schlimmer ist, wir haben keine Schwestern."
Sein Kollege Reinhard Berner aus Dresden weist darauf hin, dass das RS-Virus lange bekannt und schon immer das bedeutendste im Winter gewesen sei. Während die Kleinen mit dem Coronavirus gut umgehen könnten, sei das RS-Virus tückischer, mache akut schwer krank.
"Für Kinder weltweit bräuchte es einen RS-Virus- statt Coronavirus-Impfstoff", sagt Berner. Die Bemühungen, einen RSV-Impfstoff herzustellen, "sind Lichtjahre von den Anstrengungen entfernt, einen Corona-Impfstoff zu entwickeln."
- Telefonat mit dem Universitätsklinikum Leipzig
- Material der Nachrichtenagentur dpa