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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rucksäcke aus Autoschrott "Airpaq"-Gründer: "Man kann nicht zu 100 Prozent nachhaltig sein"
Ein Kölner Start-up verkauft umweltfreundliche Rucksäcke aus Autoschrott. Die Herausforderung: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren.
Grüne Start-ups und Geschäfte boomen seit vielen Jahren in der Domstadt – eines davon ist "Airpaq". Aus Airbags und Anschnallgurten lassen die beiden Gründer Adrian Goosses und Michael Widmann Rucksäcke produzieren. Der Nachhaltigkeitsgedanke sei von Anfang an bei Airpaq präsent gewesen und habe sich im Laufe der Zeit weiter verstärkt. "Das Thema Nachhaltigkeit hat mein Leben vorher nicht sehr eingenommen. Aber je tiefer ich in das Projekt gestiegen bin, desto mehr habe ich gelernt", sagt Adrian Goosses.
Mit der Geschäftsidee wolle er zeigen, dass "Müll nicht gleich Müll" sein müsse, sondern etwas Neues daraus entstehen könne. Mit seinen Produkten wolle er Menschen zum Umdenken bewegen, die sich sonst nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen.
Das Ziel: Mit Upcycling Menschen inspirieren
Das Start-up war ursprünglich ein Uni-Projekt von Adrian Goosses und Michael Widmann. Zusammen haben sie "Entrepreneurship" in Rotterdam studiert. Die kreative Idee entwickelte sich 2017 zu einem eigenständigen Unternehmen und ging mit den ersten Produkten 2018 auf den Markt. Die Materialien, die das Start-up verwendet, liegen teilweise als Müll auf dem Schrottplatz oder sind Ausschussware von Automobilherstellern.
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Für die Herstellung ihrer Rucksäcke nutzen die Gründer das sogenannte Upcycling. Im Gegensatz zum Recycling sei dieses Konzept grundsätzlich nachhaltiger. "Beim Recycling wird das Material erst sortiert, gewaschen, geschreddert und teilweise auch chemisch aufbereitet", erklärt Goosses. Das sei beim Upcycling nicht der Fall, denn die Ausgangsmaterialien würden in genau dem Zustand verwertet, in dem sie sind.
Produktion in Europa statt Asien
Das Start-up produziere in Rumänien, weil dort auch die Automobilhersteller ansässig seien, von denen das Unternehmen seine Rohstoffe bekommt. So könne der gesamte Produktionsprozess in einem Radius von 30 Kilometern stattfinden.
Wenn die Gründer selbst nach Rumänien reisen, dann nehmen sie das Auto und nicht das Flugzeug. Auch das sei Teil ihrer nachhaltigen Unternehmensführung, so Goosses. Außerdem könnten sie so besser sicherstellen, dass die Produktion nachhaltig ist. In Europa zu produzieren, sei generell teuer – deswegen entschieden sich viele Unternehmen für den asiatischen Raum, meint er.
Weil die Rucksäcke nicht weiß sein sollen, wie das Ausgangsprodukt Airbag, werden sie eingefärbt. Eine Hürde für die Nachhaltigkeit, denn hier kommen natürlich Chemikalien ins Spiel. Die Lösung: Öko-zertifizierte Farben. Das gefärbte Wasser werde durch ein modernes Klärwerk wieder gereinigt, sodass es wiederverwendet werden kann.
Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig
Nachhaltigkeit bedeute nicht nur, dass das Produkt nachhaltig sei, sondern auch, dass das Unternehmen lange bestehen bleibe, sagt der Unternehmer. Dafür sei es eben bei aller Umweltfreundlichkeit auch wichtig, wirtschaftlich zu arbeiten.
"Ich kann das nachhaltigste Produkt der Welt machen. Aber es bringt uns nichts, einen Rucksack herzustellen, der zu 100 Prozent aus Autoschrott besteht, den aber kein Mensch kauft, weil er unpraktisch ist." Auch bei Airpaq muss es also eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit geben. Der Rucksack braucht nämlich noch andere Materialien, die nicht vom Schrottplatz kommen – neue Reißverschlüsse oder Schaumstoff für die Polsterung. Mittlerweile sei der Airpaq aber zu knapp über 90 Prozent nachhaltig, sagen die Gründer.
Müllreste werden zu Bauchtaschen
Zwei Gründe, warum Airpaq nicht von hundertprozentiger Nachhaltigkeit sprechen kann, sind beispielsweise die Verwendung von Plastikschnallen, aber auch der Müll, der bei der Produktion entsteht. Denn aus dem runden Airbag sollen eckige Rucksäcke entstehen. Dabei bleiben Schnipselreste zurück, die ursprünglich keine weitere Verwertung hatten.
Mittlerweile entstehen aus den Resten kleinere Produkte wie Bauchtaschen, Fliegen, Schlüsselanhänger und bald auch Hundespielzeug. "Wir versuchen unsere Prozesse so zu gestalten, dass wir selbst die Materialien bestmöglich weiterverarbeiten können", sagt Goosses.
"Ich will keine falschen Versprechen machen"
Das sogenannte Greenwashing, also der Versuch von Unternehmen, sich "reinzuwaschen", indem sie sich als besonders nachhaltig ausgeben, betrachtet Goosses als großes Problem für die Start-up-Szene: "Zu sagen, wir sind nachhaltig, verkauft sich gut. Das ist Marketing." Wenn sich aber Unternehmen als "nachhaltig" verkauften, obwohl gegebenenfalls nur ein geringer Teil des gesamten Produktionsprozesses nachhaltig sei, führe das dazu, dass wirklich grüne Start-ups mit diesen Unternehmen über einen Kamm geschert würden.
"Ich will keine falschen Versprechen machen. Ich erzähle keinem, dass ich die Welt mit meinem Start-up rette." Laut Adrian Goosses sei es genau das, was vielen Unternehmen auf die Füße falle – eine zweifelhafte Kommunikation. "Es werden Dinge versprochen, die nicht eingehalten werden können."
Airpaq habe sich daher zu größtmöglicher Transparenz entschieden. Das Start-up zeigt auf seinen Social-Media-Kanälen sowie auf der Website alles zum Produktionsprozess und will so Vertrauen gewinnen. "Bisher haben wir noch keine Greenwashing-Vorwürfe bekommen", sagt der Gründer.
Immerhin hat Airpaq den "Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022" gewonnen. Ein Nachhaltigkeitssiegel gebe es allerdings per se für Upcycling noch nicht.
- Gespräch mit Airpaq-Gründer Adrian Goosses
- Website von Airpaq