Kiel IHK: Weniger Bürokratie und Fortschritte bei Digitalisierung
Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein verlangt von der künftigen Landesregierung einen spürbaren Bürokratieabbau. "Mehr Mut zu weniger Regulierung" sei erforderlich, sagte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer, Friederike C. Kühn, am Freitag in einer digitalen Pressekonferenz. Gemeinsam mit Hauptgeschäftsführer Björn Ipsen stellte sie einen umfangreichen Katalog mit Forderungen an die künftige Regierung und mit eigenen Empfehlungen vor. Der aktuellen aus CDU, Grünen und FDP bescheinigte Kühn sie ein gutes Miteinander auf Augenhöhe. Der Landtag wird am 8. Mai neu gewählt.
"Politische Entscheidungen, Verwaltungsakte und Genehmigungsverfahren müssen sich stärker an der Dynamik und Lebenswirklichkeit der Wirtschaft orientieren", sagte Kühn. Beim Bürokratieabbau könne auch auf Landesebene eine Menge passieren. Besonders die vielen kleinen und mittleren Unternehmen seien betroffen, weil ihnen Kapazitäten fehlten, um etwa statistische Auflagen zu befolgen. Ipsen nannte ein Beispiel: Ein Gastronomiebetrieb habe 14 Stunden pro Woche gebraucht, um solche Vorschriften zu erfüllen.
Ipsen setzte sich auch dafür ein, geplante Gesetze vorher einem Praxistest zu unterziehen. In Politik und Verwaltung fehle häufig das Know-how für wirtschaftliche Zusammenhänge. Neue Gesetze sollten regelmäßig bewertet und nicht automatisch verlängert werden.
Es seien auch mehr Investitionen in digitale Bildung und Fortbildung nötig, sagte Kühn. Die IHK fordert in diesem Zusammenhang vom nächsten Schuljahr an Informatik als Pflichtfach in Sekundarstufe I an allen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Bisher ist dies zum Einstieg nur an einem Drittel der Schulen vorgesehen. Darüber hinaus verlangen die Kammern unter anderem ein kostenloses Jobticket für Azubis und eine größere Wertschätzung für das Unternehmertum.
Es werde oft das Bild von Unternehmern als skrupellos gezeichnet, kritisierte die IHK-Präsidentin. Sie trügen aber maßgeblich zu Wohlstand und Zufriedenheit bei - auch wenn es wie überall "schwarze Schafe" gebe. Eine leistungsfähige Verwaltung sei wichtig, sagte Ipsen. "Aber wenn das Beamtentum zum beruflichen Traum der Generation Z (die um die Jahrtausendwende Geborenen) wird, dann müssen wir die Politik in die Pflicht nehmen, gegenzusteuern."
Zur Digitalisierung sagte die IHK-Präsidentin, Schleswig-Holstein habe im Bundesvergleich zwar die höchste Breitbandversorgung der Flächenländer, aber sie reiche im gewerblichen Bereich immer noch nicht aus. Das Land müsse hier auch die Kommunen besser unterstützen, sagte Hauptgeschäftsführer Ipsen.
Damit Schleswig-Holstein das Energiewendeland Nr. 1 bleiben könne, müsse das Land jetzt die nächsten Schritte gehen, forderte IHK-Präsidentin Kühn. "Wir brauchen weitere Spitzentechnologien, zum Beispiel für die Herstellung und Umwandlung von grünem Wasserstoff." Das Land müsse hier aus eigener Kraft Vorreiter bleiben. Schnellstmöglich müssten auch die Netzentgelte bundesweit gerecht verteilt werden. In Schleswig-Holstein seien sie am höchsten, sagte Ipsen. Die Landesregierung müsse sich konsequent dafür einsetzen, dass sich das ändert. "Hier brauchen wir eine starke Stimme in Berlin." Die Entgelte müssten dort besonders günstig sein, wo Strom erzeugt wird. Damit stiegen auch Akzeptanz und Anreize zum Ausbau.
Aus Sicht der IHK sind bei Straßen, Schienen, Wasserwegen und Energietrassen weiterhin Aus- und Neubau erforderlich. Planverfahren dauerten in Deutschland aber nicht selten Jahrzehnte. "Sie sind überkomplex, geraten in Endlosschleifen und verhindern Planung und Entwicklung für die Unternehmen", kritisierte Kühn. Sie forderte die norddeutschen Länder auf, bei strategischen Themen noch stärker den Schulterschluss zu suchen, vernetzt zusammenzuarbeiten und in Berlin mit einer Stimme zu sprechen - "um die Dominanz der südlichen Bundesländer endlich brechen zu können".