Kiel Regierung und Opposition streit um Corona-Kurs im Norden
Über die Frage des richtigen Umgangs mit der Corona-Pandemie ist ein Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition im schleswig-holsteinischen Landtag entbrannt. SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli sprach von einem Zick-Zack-Kurs der Regierung und griff Regierungschef Daniel Günther (CDU) am Mittwoch scharf an: "Sie entschieden sich für easy going, wird schon werden."
Günther verteidigte den Kurs der Jamaika-Koalition und verwies auf die im Ländervergleich hohe Impfquote und niedrigen Fallzahlen. "Das mag Ihnen nicht gefallen: Aber in Schleswig-Holstein sind wir in allen Kennzahlen immer besser als es in anderen Ländern der Fall ist." Nur weil die SPD irrlichtere, erscheine der gerade Kurs der Landesregierung etwas krumm.
Laut Landesmeldestelle war die Zahl der innerhalb einer Woche registrierten Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am Dienstag auf 148,6 gestiegen - nach 144,4 am Montag. Im Vergleich der Bundesländer hat der Norden laut Robert Koch-Institut (Stand Mittwochmorgen) weiter die geringste Sieben-Tage-Inzidenz.
Günther warf Midyatli vor, die Entwicklung der vergangenen Wochen verdrängt zu haben. "Ich finde in dieser Phase der Pandemie müssen wir an die Menschen denken, die das alles mitmachen", sagte Günther. 2G-plus beispielsweise in Fitnessstudios hält er nicht für den richtigen Weg. Menschen, die sich bereits um Auffrischungsimpfungen bemühen, dürften nicht die Zielgruppe sein. Bei 2G haben nur Geimpfte und Genesene Zutritt, bei 2G-plus brauchen diese zusätzlich einen negativen Test.
Die Opposition argumentiere, "die SPD hat ja immer schon vor allem gewarnt", kritisierte Günther. Midyatli argumentiere, bereits im September sei ein Wechsel zu 2G angebracht gewesen. Er frage sich dann, warum sich die SPD noch im November in einem Antrag für 3G ausgesprochen habe. "Wir haben flächendeckend 2G eingeführt. Das hätten sie eigentlich loben müssen." Das Land werde reagieren, wenn sich die Lage ändere. "Wir haben aber nie überdreht."
Midyatli kritisierte den Kurs der Koalition scharf. Zunächst habe sich Günther für seine lockere Politik feiern lassen. Erst vor zwei Wochen sei der Regierung der Handlungsbedarf klar geworden. "Die Halbwertzeit ihrer Politik ist beachtlich kurz."
Günther habe bewusst auf Entspannung gesetzt, sagte Midyatli. Der im September eingeschlagene Lockerungskurs habe sich als Holzweg erwiesen. "Spätestens Ende September wurde es nötig zu handeln." Die Regierung habe Warnungen ignoriert. Am Ende habe der Paradigmenwechsel keine zwei Monate Bestand gehabt, ähnlich wie der Wegfall der Maskenpflicht im Schulunterricht. Die Fraktion will unter anderem 2G-plus bei größeren Veranstaltungen drinnen.
Moderater bewerte SSW-Fraktionschef Lars Harms den Kurs der Koalition. "Insgesamt geht das bisherige Pandemie-Management der Regierung für uns in Ordnung." Seit Beginn der Woche sind Ungeimpfte von Freizeitveranstaltungen drinnen ausgeschlossen, bei beruflichen Veranstaltungen gilt die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet).
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Marret Bohn sprach sich für Control Covid, eine Niedriginzidenz-Strategie aus. Sie rechnete vor: "Jedes Mal, wenn sich 500.000 Menschen infiziert haben, werden 400 sterben." Auf den Intensivstationen lägen nun jüngere Patienten als bei vorherigen Wellen. Diese seien im Mittel um die 50 Jahre. "Jede zweite Person wird es nicht schaffen."
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt verwies darauf, dass die Menschen ihr Verhalten angepasst haben. "Viele Menschen sind wieder vorsichtiger geworden." Weitere Einschränkungen könnten bei weiter steigenden Infektionszahlen zwar nötig werden. "Ich halte jedoch nichts davon, jetzt über einen erneuten Lockdown für alle zu spekulieren." Der AfD-Abgeordnete Claus Schaffer sprach von "politischen Überbietungswettbewerben jenseits politischer Vernunft".