Kiel Steuerzahlerbund prangert Geldverschwendung im Norden an
Der Bund der Steuerzahler hat Kommunen, Land und auch dem Bund in elf Fällen die Verschwendung öffentlicher Mittel in Schleswig-Holstein vorgeworfen. Sein am Dienstag veröffentlichtes Schwarzbuch enthält bundesweit 100 Fälle.
"Obwohl sich die öffentliche Diskussion in den vergangenen Monaten nahezu ausschließlich um die Pandemie-Bekämpfung drehte, konnten wir leider keine Abnahme der Verschwendungsfälle feststellen", sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes Schleswig-Holstein, Aloys Altmann, am Dienstag. Im Gegenteil - die üppig gefüllten Haushalte hätten "Politiker dazu beflügelt, vermehr kostspielige Projekte in Angriff zu nehmen".
Ein Fall ist eine Designer-Toilette für 182.000 Euro am Eckernförder Hafen mit zwei WCs und Lagerraum auf 19,2 Quadratmetern Grundfläche. Dort war 2018 ein denkmalgeschütztes Reetdachgebäude mit Kiosk und öffentlicher Toilette durch Brandstiftung zerstört worden. Die Kosten wurden mit Auflagen der Denkmalpflege und dem Hochwasserschutz begründet.
Weil sich in dem kleinen Häuschen aufgrund von Bauvorschriften keine barrierefreien Toiletten unterbringen ließen, wurden WCs und Lagerraum in ein eigenständiges Gebäude ausgelagert. Das fensterlose Gebäude mit Holzverschalung liegt im Überflutungsgebiet der Ostsee und musste auf Pfählen gegründet werden, um statisch Sturmflutwellen trotzen zu können. Nach Ansicht des Verbandes hätte ein Sanitär-Container für 30.000 Euro gereicht.
Ebenfalls aufgelistet ist das 2012 eröffnete Naturparkzentrum Uhlenkolk in Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg). Für 1,83 Millionen Euro war dort ein Gebäudekomplex überwiegend aus Holz entstanden. Bei Umbauten wurden bereits im September 2020 massive Schäden durch Feuchtigkeit, Schimmel und verrottetes Holz entdeckt. Die Sanierungskosten betragen geschätzte 500.000 Euro. Mögliche Regressansprüche gegen die Architekten und Baufirmen sind laut Verband verjährt.
Kritisch sieht der Bund der Steuerzahler gleich zwei symbolische Spatenstiche für den dreispurigen Ausbau der Bundesstraße 5 zwischen Husum und Tönning. Der offizielle Baubeginn wurde an beiden Enden gefeiert. Dazu reisten Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, jeweils im Oktober 2020 und im Juli 2021 an. Ohne Personal- und Reisekosten beliefen sich die Ausgaben auf rund 5000 Euro für ein Wetterschutzzelt, festen Fußboden, Catering und Tontechnik.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums betonte, "die Berichte über den Spatenstich signalisieren den Anwohnern vor Ort, dass mit dem Bau jetzt begonnen wird". Es seien unterschiedliche Adressaten mit den Spatenstichen angesprochen "und auf den Baustart vorbereitet" worden.
Thema im Schwarzbuch ist zudem der Lübecker Stadionausbau. Drittliga-Vereine müssen spätestens in der zweiten Saison beispielsweise über eine Rasenheizung verfügen. Dieser Bau für den VfB Lübeck begann in der Saison 2020/21 mit einer Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro. "Dumm nur, dass der Verein zu diesem Zeitpunkt bereits wieder abgestiegen war", stellte der Verband fest.
Ein Sprecher des Innenministeriums verteidigte die Landesförderung in Höhe von einer Million Euro. "Der Abstieg des VfB Lübeck stand Ende April 2021 fest. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Stopp der bereits begonnenen Maßnahme nur noch zu erheblichen Kosten möglich gewesen." Im Falle eines Wiederaufstieges in die 3. Liga hätte der Stadionrasen dann erneut abgetragen und eine Rasenheizung nachinstalliert werden müssen. Die Spielstätte werde auch von anderen Vereinen und zudem in unregelmäßigen Abständen für Länderspiele des DFB-Nachwuchses oder der Frauen-Nationalmannschaften genutzt.
Erwähnt wird auch das Ausweichquartier für die Kieler Ratsversammlung. Obwohl im Ratssaal die Empfehlungen für den Impfschutz in der Corona-Pandemie eingehalten werden konnten, beschloss die Ratsversammlung den Umzug ins Kieler Schloss. Dafür fielen 25.000 Euro für neue Tische, IT, Internet und Kabel an. Pro Sitzung kamen 800 Euro für Transport und Sicherheit hinzu.
Die erst 2018 gegründete Pflegeberufekammer mit Pflichtmitgliedschaft und -beiträgen ist für den Steuerzahlerbund ein weiterer Fall. Anfang des Jahres sprachen sich 91,77 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für eine Auflösung aus. Die Landesregierung hatte drei Millionen Euro bereitgestellt - verbunden mit einer verpflichtenden Urabstimmung über Bestand oder Abschaffung der Kammer. Das alte Motto "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" gilt laut Verband auch hier. Allerdings sehe ein Gesetzentwurf Auflösungskosten von bis zu fünf Millionen Euro vor.