Kiel Günther für Corona-Lockdown noch vor Weihnachten
Die Schleswig-Holsteiner müssen sich noch vor Weihnachten auf schärfere Corona-Einschränkungen einstellen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach sich am Donnerstag nach einer Sonder-Kabinettssitzung für einen harten Lockdown noch vor dem Fest aus. Dafür werde er sich angesichts hoher Infektionszahlen bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz einsetzen, sagte Günther. Über ein genaues Datum wollte er nicht spekulieren. Bund und Länder sollten sich gemeinsam darauf verständigen.
Der Regierungschef geht davon aus, dass die Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag die Lage beraten. "Wir haben ein hohes Interesse daran, dass diese Ministerpräsidentenkonferenz so schnell wie möglich stattfindet", sagte er. Die Koalition in Kiel strebe einen "gemeinsamen Weg aller Bundesländer" an.
Günther ist für konsequentes Vorgehen. "Wenn wir nicht schnell und frühzeitig handeln, dann werden wir auch Anfang Januar noch ein Infektionsgeschehen haben, dass uns keine weiteren Lockerungsschritte möglich macht." Der Teil-Lockdown habe nur am Anfang Wirkung gezeigt. Dies habe auch an der psychologischen Wirkung gelegen. Mittlerweile seien die Menschen auch im Norden zu sorglos geworden. Es erschließe sich ihm nicht, wie Menschen in einer so dramatischem Situation im Moment Glühwein trinken und dabei in größeren Gruppen zusammen stehen könnten.
Die SPD brachte am Donnerstag einen Antrag in den Landtag ein, wonach die Regierung am Freitag dem Parlament ihre Verhandlungsposition für diese Gespräche und ihre Überlegungen zur Umsetzung im Land darlegen soll. Dann will Günther auch darüber sprechen, wie es in den Schulen und Kitas weitergehen soll. Oppositionsführer Ralf Stegner forderte bereits, die Präsenzpflicht in den Schulen aufzuheben.
Am Donnerstag hörte das Kabinett auch eine Expertenrunde zur aktuellen Corona-Situation an. Diese hätten die Regierung ermutigt, "möglichst schnell klare Schritte auch mit harten Maßnahmen zu beschließen", sagte Günther. Das sei die gemeinsame Auffassung der Experten gewesen und nicht nur die der Virologen. Es lägen noch harte drei Monate vor den Menschen. Hielten sich alle an die Regeln, seien ab Januar Lockerungen denkbar.
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) betonte, "die Lage spitzt sich erkennbar zu". Die Aufforderungen der Experten seien "so deutlich wie noch nie" gewesen. Sie sprach sich für ein bundesweites Regelwerk aus. Es dürfe "kein Gewürge" bis Ostern beziehungsweise den Sommer geben, nun müssten harte Regeln folgen. "Lieber ein stilles Weihnachten und jetzt handeln, als eine Eskalation der Zahlen bis tief ins Frühjahr hinein."
Nach Ansicht von Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) halte sich die Mehrheit der Menschen im Norden zwar an die Regeln. Dies habe aber nicht ausgereicht, das Infektionsgeschehen deutlich einzudämmen. "Ich bin extrem verärgert und auch enttäuscht von der Minderheit, die in den vergangenen Wochen geglaubt hat, pandemiemüde zu sein, reicht aus, um sich nicht mehr an Regeln zu halten."
Im Vergleich zu anderen Ländern sei Schleswig-Holstein zwar glimpflicher durch die Pandemie gekommen, sagte Garg. Die Landesregierung könne aber die bundesweite Entwicklung von täglich mehr als 400 Toten im Zusammenhang mit Covid-19 seit zwei Wochen nicht ausblenden. "Wir haben einen gewissen Vorsprung", den dürfe das Land nicht verspielen.
Die jüngsten Abläufe verdeutlichten beträchtliche Unruhe und auch Differenzen in der Jamaika-Koalition. Als die Landtagssitzung am Donnerstag bereits lief, sprach Günther vor dem Plenarsaal intensiv mit seinen Stellvertretern Heinold und Garg sowie den Fraktionsvorsitzenden Eka von Kalben (Grüne) und Christopher Vogt (FDP), Staatskanzleichef Dirk Schrödter und Regierungssprecher Peter Höver.
Grünen-Fraktionschefin von Kalben hatte zuvor einen harten Lockdown im Norden ab der kommenden Woche befürwortet. "Das ist meine Position", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Am besten sei ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen bei der Eindämmung der Pandemie, zumindest aber mit den anderen norddeutschen Ländern. "Wir brauchen eine schnelle Entscheidung. Wir müssen jetzt die Zahlen runter kriegen und nicht erst in zehn Tagen."
SPD-Fraktionschef Stegner sprach von einer dramatischen Lage auch in Schleswig-Holstein. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung habe Priorität. Bei einem harten Lockdown müsse es bedingungsfreie Betreuungsangebote in den Kitas, Angebote für Digital-Unterricht und auch besondere Anstrengungen für Heime von Älteren und Behinderten geben, beispielsweise durch Schnelltests oder Schutzmaterial. Besuchsverbote wie im Frühjahr gingen nicht.
In Schleswig-Holstein wurden nach Angaben der Landesregierung von Mittwoch innerhalb eines Tages zuletzt 297 neue Corona-Fälle gemeldet. Das liegt nur wenig unter dem Höchstwert von 318 am 4. Dezember. Seit Sonntag gilt das Land als Corona-Risikogebiet, weil der Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen auf mehr als 50 gestiegen war. Nach aktuellen Zahlen vom Mittwochabend stieg dieser Wert weiter - auf 58,5.
In Deutschland insgesamt hat die Zahl der Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages bis Donnerstagfrüh einen Höchststand erreicht: Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut 23 679 Neuinfektionen.