Kiel Schleswig-Holsteins Corona-Sonderweg stößt auf Verständnis
In einer Regierungserklärung will Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Freitag den eigenständigen Kurs des Landes bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie rechtfertigen und um Zustimmung werben. Im Landtag sollen die Beschlüsse des Corona-Gipfels von Bund und Ländern vom Mittwochabend debattiert werden. Am Sonntag will das Kabinett in Kiel eine neue Landesverordnung mit den neuen Corona-Maßnahmen beschließen. Sie soll am Montag in Kraft treten.
Der schleswig-holsteinische Weg sieht eine Verlängerung des Teil-Lockdowns bis zum 20. Dezember wie in ganz Deutschland vor - aber mit einigen Lockerungen und dem Festhalten an den bisher in Schleswig-Holstein geltenden Kontaktbeschränkungen.
Nach der Video-Schalte der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Günther angekündigt, dass Nagel-, Kosmetik- sowie Massagestudios ab Montag wieder öffnen können. Das gelte auch für Tierparks, Zoos und Wildgehege. Das seien wichtige Öffnungsschritte, die gut zu verantworten seien. Für den Gastronomie-Bereich halte er aber frühestens im Januar Öffnungen für denkbar.
Nach den siebeneinhalb Stunden dauernden Beratungen von Bund und Ländern erklärte Günther, Schleswig-Holstein werde im Gegensatz zu den anderen Ländern die privaten Kontakte im Dezember nicht weiter einschränken.
In der Öffentlichkeit oder im privaten Bereich können sich im Norden weiterhin maximal zehn Menschen treffen - während es in den anderen Ländern maximal fünf Personen aus zwei Hausständen sind. Über Weihnachten ab 23. Dezember bis Neujahr lockern die anderen Länder die Kontaktbeschränkungen. Dann dürfen sich 10 Personen treffen - egal aus wie vielen Hausständen - plus einer unbeschränkten Zahl von Kindern unter 14 Jahren.
Weihnachten und Silvester die Kontaktbeschränkungen zu lockern, halte er für einen Fehler, sagte Günther. Denn das Coronavirus sei Weihnachten nicht weniger ansteckend. Daher halte Schleswig-Holstein an seiner 10-Personen-Regel konsequent fest. "Was bewährte Praxis in Schleswig-Holstein ist, wird auch über die Feiertage gelten", sagte Günther. Eine Änderung der Praxis "hätte eher Verwirrung" gestiftet.
Unterstützung kam von SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner: "Ein Zickzackkurs über Weihnachten und Silvester macht in der Tat wenig Sinn." Wichtig sei, dass Kitas und Schulen geöffnet bleiben und der Bund die Fortsetzung der Novemberhilfen für von Schließungsverfügungen betroffenen Unternehmen und Arbeitsplätzen verbindlich zugesagt habe. Die Bund-Länder-Beschlüsse trügen dem Anspruch weitgehend Rechnung, "einen bundesweit einheitlichen Maßstab zu wahren, aber nach unterschiedlichem Infektionsgeschehen und Inzidenz bei Maßnahmen regional zu differenzieren".
Der Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) Schleswig-Holstein reagierte mit Verständnis auf die Verlängerung des Teil-Lockdowns bis zum 20. Dezember. "Natürlich würden wir unsere Betriebe am liebsten sofort wieder öffnen", sagte der Präsident des Landesverbandes, Axel Strehl, am Donnerstag. Doch jetzt hätten die Betriebe wenigstens Planungssicherheit und es gebe eine finanzielle Entschädigung, die in den meisten Fällen die laufenden Kosten decke.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) informierte am Donnerstag über das weitere Vorgehen an den Schulen in Schleswig-Holstein nach dem Corona-Gipfel. Der reguläre Präsenzunterricht wird nach den Weihnachtsferien überwiegend erst am 11. Januar beginnen - vier Tage später als geplant. Bei den zusätzlichen Tagen handelt es sich um einen Donnerstag und Freitag und ein Wochenende. Am 7./8. Januar seien landesweite Distanz-Lernübungstage vorgesehen, formal würden die Weihnachtsferien also nicht verlängert. Der spätere Beginn des Präsenzunterrichts könne helfen, dass weniger Corona-Infektionen nach dem Jahreswechsel in die Schulen getragen werden, sagte Prien.
Die Bund-Länder-Beschlüsse brächten nur wenige Änderungen für Schleswig-Holstein. So müssen Lehrer künftig im Lehrerzimmer und im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Ein durchsichtiges Visier sei nur noch dann erlaubt, wenn der Mindestabstand von 1,5 Meter gewährleistet sei oder pädagogische Gründe vorlägen. Dadurch sollen laut Prien die Lehrkräfte geschützt werden. Außerdem wolle man verhindern, dass im Kontaktfall ein gesamtes Kollegium oder weitere Kohorten in Quarantäne müssten, die von dieser Lehrkraft unterrichtet wurden.
Außerdem wird Schleswig-Holstein daran festhalten, dass sich in allen Läden pro 10 Quadratmeter Raum ein Kunde aufhalten darf. Den Bund-Länder-Beschluss, die Fläche pro Kunde auf 20 Quadratmeter in größeren Läden auszuweiten, wird Schleswig-Holstein nicht übernehmen. "Ich habe vorher gesagt: Keine Verschärfungen. Und deswegen werden wir den Weg nicht mitgehen", sagte Günther. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) bekräftigte am Donnerstag diese Linie. Lob kam auch von der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein.