Kiel Corona: Schleswig-Holstein geht mit Beschränkungen voran
Mit drastischen Kontaktbeschränkungen will Schleswig-Holstein eine weitere Zuspitzung der Corona-Pandemie verhindern. Von diesem Wochenende an dürfen sich im ganzen Land nur noch maximal zehn Personen zusammen aufhalten. "Das ist die absolute Obergrenze", sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstag in Kiel, einen Tag vor der Videokonferenz der Länder-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Dies gelte unabhängig von der Inzidenz, also von der Zahl der Neuinfektionen in einem Gebiet bezogen auf 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. Die Regel betrifft auch den Amateursport, der Profisport ist ausgenommen. Gaststätten müssen ebenfalls für drei Wochen von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr geschlossen bleiben. Auch andernorts darf in dieser Zeit kein Alkohol verkauft werden.
Ein generelles Schließen der Gaststätten lehnte Günther ab: "Wir möchten, dass die Gastronomie geöffnet bleibt." Dafür werde er sich auch in der Ministerpräsidentenkonferenz einsetzen. Es bleibe beim Ziel, das wirtschaftliche und soziale Leben so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Die Schließung von Schulen und Kitas wie im März solle auf jeden Fall vermieden werden.
Die Kontaktbeschränkungen sollen Günther zufolge unabhängig von den Ergebnissen gelten, die am Mittwoch bei der Video-Schalte der Ministerpräsidenten mit Merkel beschlossen werden. Der CDU-Politiker kündigte an, dass die Maskenpflicht im Schulunterricht ab Klasse 5 um drei Wochen verlängert wird. Sie war nach den Herbstferien am 19. Oktober in Schleswig-Holstein zunächst für 14 Tage eingeführt werden.
Zudem soll die Maskenpflicht in Gebieten mit hohen Corona-Zahlen auf die Klassen 1 bis 4 ausgeweitet werden. Dies betrifft jene Regionen, in denen der Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten wird. Veranstaltungen dürfen drei Wochen lang mit maximal 100 Personen stattfinden und dies auch nur dann, wenn strikte Hygienevorgaben eingehalten werden.
"Für mich ist wichtig, dass wir Maß und Mitte halten", sagte Günther zu seinen Erwartungen an die Konferenz mit Merkel am Mittwoch. Es sollte keine Panik geschürt werden. Ein Überbietungswettbewerb nach dem Motto "Wer macht den härtesten Vorschlag?" verwirre die Menschen. "Wir brauchen klare Maßnahmen", sagte Günther. "Aber wir müssen auch immer Verhältnismäßigkeit bewahren."
Schleswig-Holstein habe rechnerisch noch zwölf Tage Vorsprung vor der durchschnittlichen Corona-Entwicklung in ganz Deutschland, sagte Günther. Man wolle verhindern, in zwölf Tagen so dazustehen wie andere Bundesländer. Zu den Kontaktbeschränkungen auch für den Sport erläuterte er, es könnten noch maximal zehn Personen in getrennten Kohorten trainieren. Der Spielbetrieb im Amateurfußball müsse pausieren. Die jetzt angekündigten Maßnahmen sollen am Freitag in einer Landesverordnung beschlossen werden.
SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner signalisierte Verständnis für die Kontaktbeschränkungen. Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, seien das A und O die Durchsetzung der Abstands- und Hygieneregeln sowie der Maskenpflicht und die Reduzierung der Kontakte. "Dafür verbleibt nur noch ein relativ kurzer Zeitraum, in dem wir alle gemeinsam auf nicht unbedingt notwendige Veranstaltungen, Feiern oder andere größere Zusammenkünfte verzichten müssen", mahnte Stegner.
Das Coronavirus verbreitet sich weiter schnell. Nach dem Kreis Pinneberg meldete das Robert Koch-Institut für die Stadt Lübeck einen Inzidenzwert von über 50, der schärfere Maßnahmen notwendig macht. In der gesamten Lübecker Altstadt gilt seit Dienstag die Maskenpflicht.
In Schleswig-Holstein betrug der Inzidenzwert laut RKI am Dienstag (Stand 8.30 Uhr) 36,6 (Vortag 36,3) und für Deutschland 87,0. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Kiel erläuterte, mit den verschärften Kontaktbeschränkungen hätten die 35er und 50er Inzidenz-Schwellenwerte für Maßnahmen praktisch kaum mehr Bedeutung. Landesweit wurden binnen eines Tages zuletzt 164 Neuinfektionen gemeldet, nach 115 am Vortag. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus blieb bei 167. Im Krankenhaus werden derzeit 58 Covid-19-Patienten behandelt.
Der Bund der Steuerzahler kritisierte die zur Bewältigung der Corona-Krise geplanten weiteren Notkredite in Milliardenhöhe. Längst nicht alles diene der tatsächlichen Pandemie-Bekämpfung, sagte Präsident Aloys Altmann am Dienstag. Projekte würden auch unter dem Vorwand der Corona-Hilfe mit Schulden finanziert. Es sei verantwortungslos, wenn der Landtag am Freitag neue Schulden auf Vorrat in Höhe von 4,5 Milliarden Euro beschließe - für Aufgaben, die noch gar nicht konkret geplant seien.