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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Viele Branchen betroffen Kiel bereitet sich auf Coronavirus vor
Auch in Kiel bereitet man sich auf das Coronavirus vor. Jetzt wurde der Erreger auch bei einem in Schleswig-Holstein lebenden Mann festgestellt. Experten gehen davon aus, dass sich das Virus bald weiter im Land ausbreiten wird.
Experten gehen davon aus, dass sich das Coronavirus in Schleswig-Holstein ausbreiten wird. Auch Kiel könnte betroffen sein. Das Virus wirft bereits jetzt seine Schatten voraus.
In den Apotheken sind Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel längst ausverkauft. "Wir bekommen auch keine neuen Masken oder Desinfektionsmittel mehr nachbestellt", sagt eine der Angestellten der Tannenberg-Apotheke in Kiel-Wik. "Die Masken halten sowieso nur einen Tag. Da bräuchte man ja Massen." Gerade fragt wieder ein älterer Herr nach Masken und Desinfektionsmitteln. "Das geht schon den ganzen Tag so", sagt die Apothekerin. "Die Kunden fragen auch, wie sie sich verhalten sollen." Sie empfiehlt dann die normalen Hygiene-Maßnahmen, die auch im Grippefall gelten, und die Internetseite des Robert Koch-Instituts (RKI).
"Wie soll das funktionieren?"
Der ältere Mann, der mit leeren Händen die Apotheke verlässt, sagt, er sei selbst nicht besorgt. "Ich hab nur den Auftrag von meiner Frau bekommen – die macht sich Sorgen." Einer anderen Passantin geht es ähnlich: "Ein bisschen Sorgen mache ich mir schon. Versammlungen vermeide ich jetzt eher." Eine andere Passantin ist ebenfalls beunruhigt: "Ich habe zu Hause schon geschaut, ob ich noch Desinfektionsmittel habe. Zu kaufen gibt es ja nichts mehr. Ich bin Risikopatientin, weil ich ein geschwächtes Immunsystem habe. Ich glaube nicht, dass das Virus noch irgendwie aufzuhalten ist. Meine Schwägerin leitet einen Pflegedienst und bekommt auch keine Mundschutze mehr. Wie soll das funktionieren?"
"Wie alle anderen leiden auch wir unter den eingeschränkten Lieferketten“, sagt Oliver Grieve, Sprecher der Uniklinik in Kiel. "Aber das UKSH ist insgesamt gut aufgestellt. Das haben wir ja auch in anderen schwierigen Zeiten bewiesen. Wir haben das Glück, dass wir in größeren Einkaufsgemeinschaften sind und eine gute Vorratshaltung haben." Auf den Umgang mit Krisensituationen sei man vorbereitet. "Jetzt in dieser speziellen Situation gibt es natürlich eine wesentlich erhöhte Aufmerksamkeit", so Grieve. "Wir haben einen Corona-Schnelltest. Damit können wir tagesgleich herausfinden, ob jemand positiv oder negativ ist."
Auch in der Klinik folge man den Empfehlungen des RKI. Ebenso halten es die Behörden der Stadt. Mehrmals täglich prüft das Amt für Gesundheit aktuelle Lageeinschätzung des RKI. Zudem tausche man sich regelmäßig mit dem schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium aus, so Kerstin Graupner, Sprecherin der Stadt.
Gesundheitsdezernent Gerwin Stöcken teilte mit: "Die Landeshauptstadt Kiel ist vorbereitet auf eine mögliche weitere Ausbreitung des Coronavirus. Bisher gibt es in Kiel weder einen Verdachtsfall noch einen bestätigten COVID-19-Fall. Unabhängig davon ist die Einhaltung üblicher Hygienemaßnahmen äußerst sinnvoll, denn sie helfen, die weitere Verbreitung von Krankheiten zu reduzieren."
Die Empfehlungen entsprechen dem Vorgehen in der Grippezeit: Regelmäßiges Händewaschen, sich nicht ins Gesicht fassen, Husten und Niesen in ein Einwegtaschentuch oder in die Armbeuge. Zudem sollte Abstand zu erkrankten Personen eingehalten und es sollten Menschenansammlungen gemieden werden.
Bei Verdachtsmomenten sollten Patienten immer zunächst telefonisch Kontakt zu ihrer Arztpraxis aufnehmen und sich nicht etwa in die Praxis begeben, wo sie weitere Menschen anstecken könnten. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses würden betroffene Personen – nach Einzelfallprüfung zu Hause oder im Krankenhaus – isoliert, um eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Würde sich der Verdacht bestätigen, käme der Patient je nach Gesundheitszustand in Quarantäne daheim oder im Krankenhaus, und es würde nach Kontaktpersonen ermittelt werden.
"Kino abzusagen, würde unter Panikmache fallen"
Im Rathaus wurden in allen öffentlichen Toiletten Desinfektionsmittel verteilt. Die Absage von Veranstaltungen ist bisher nicht vorgesehen. Stadtsprecherin Graupner: "Das nächste große Event wäre die Kieler Woche. Da muss man jetzt aber erst mal abwarten. Und jetzt Kino- oder Theatervorführungen abzusagen, würde wohl unter Panikmache fallen." Schließlich gebe es in Kiel noch keinen Verdachtsfall. "Aber", so Graupner, "die Gefahr ist natürlich da."
Zu einer Veranstaltungsabsage kam es hingegen bei Kiel Marketing. An der Anfang März stattfindenden weltgrößten Tourismus-Messe in Berlin (ITB) werde man nicht teilnehmen, teilte der Geschäftsführer Uwe Wanger mit. "Ich trage eine hohe Verantwortung für meine Mitarbeiter und mich. Da wir alle die Lage nicht einschätzen können und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen das Schicksal nicht herausfordern wollen, haben wir uns kurzfristig gegen die Fahrt zur ITB entschieden."
Auch Hafen und Hotels bereiten sich vor
Auf den Kieler Tourismus habe die Ausbreitung des Virus bisher jedoch keine Auswirkungen. Wanger: "Wir merken hier noch nichts, aber die Besorgnis ist natürlich da, dass das Reiseverhalten beeinträchtigt wird. Das sehen wir ja jetzt schon anderswo." In den Büroräumen von Kiel Marketing hat der Geschäftsführer bereits Inventur gemacht: 24 Atemschutzmasken – viel zu wenig, sollten sie notwendig werden. Auch hier stehen Desinfektionsspender bereit. Jeder, der die Räumlichkeiten betritt, muss sich desinfizieren.
Das gilt auch für die Mitarbeiter des Hotels Berliner Hof nahe des Hauptbahnhofs. Hoteldirektor Peter Böhm: "Wir sind sowieso in der Grippezeit, und dadurch ist bei uns im Hotel sowieso schon Vorsicht angesagt. Wegen des Corona-Virus sensibilisieren wir alle Mitarbeiter jetzt noch einmal besonders." Die Desinfektionsgeräte sind auch hier allgegenwärtig. Unnötiges Händeschütteln wird vermieden. Böhm: "Wenn ein Corona-Fall im Hotel vorkäme, dann müssten wir das gesamte Hotel absperren."
Auch im Kieler Hafen wurden bereits Vorkehrungen getroffen. Vor Einlaufen von Schiffen muss an Bord der Gesundheitszustand geprüft und dem Hafenärztlichen Dienst mitgeteilt werden. Sollte ein Verdachtsfall bestehen, würden vorbereitete Schutzmaßnahmen greifen. Der Hafenärztliche Dienst würde gemeinsam mit der Schiffsführung das weitere Vorgehen besprechen, um ein sicheres Ausschiffen der Passagiere und der möglicherweise infizierten Personen zu ermöglichen.
- Umfrage vor Ort
- Interview mit Oliver Grieve, Uwe Wanger und Peter Böhm