Parteien Letzte Stunden der Wahrheit: Däne als Minister
Ein Däne soll Wirtschaftsminister werden und ein in Neumünster geborenes Flüchtlings-"Kind" mit Wurzeln im afrikanischen Mali Sozialministerin - die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein wird schon wegen dieser Personalien ein auffälliges Bild abgeben. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) will nach offiziell noch nicht bestätigten Information dem bisherigen Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos/49) das Wirtschaftsressort in seinem schwarz-grünen Kabinett übertragen. Bis dahin dauert es noch wenige Tage.
Zunächst müssen die Landesparteitage am Montag in Neumünster über den ausgehandelten Koalitionsvertrag entscheiden. Das wird bei den ohnehin diskussionsfreudigeren Grünen länger dauern als bei der CDU.
Für sie hat Günther nicht nur die Wahl mit 43,4 Prozent gewonnen (Grüne: 18,3 Prozent), sondern auch im Koalitionspoker klargemacht, wer der Stärkere ist. So müssen die Grünen die Zuständigkeit für Landwirtschaft abgeben und Kröten in Sachen Bürgerrechte, Polizeibefugnisse und anderen für sie wichtigen Themen schlucken.
Insofern ist auf ihrem Parteitag nicht nur mit dickem Lob für das Verhandlungsteam mit Finanzministerin Monika Heinold (63) und der designierten Sozialministerin Aminata Touré (29) an der Spitze zu rechnen. Aber an einem Ja zum Koalitionsvertrag zweifelt niemand. Zu groß ist der Drang der Grünen, weiter zu regieren. Sie tun das seit zehn Jahren unterbrochen, erst mit SPD und SSW, dann mit CDU und FDP.
Die neue Regierungsstruktur entspricht dem Kräfteverhältnis. Die CDU stellt außer den Ministerpräsidenten und den zum Minister aufsteigenden Staatskanzleichef Dirk Schrödter fünf Fachressortchefs. Karin Prien (Bildung) und Sabine Sütterlin-Waack (Inneres) machen weiter. Die Besetzungen für Wirtschaft, Landwirtschaft und das seltsam neu geschnittene Ministerium für Justiz und Gesundheit will Günther erst am Montag auf dem Parteitag offiziell bekanntgeben.
Sein Votum für Madsen überrascht schon, war dieser doch wegen seiner Amtsführung in Rostock gerade erst wieder massiv in die Kritik geraten. Weil Fertigstellungstermine für wichtige Bauvorhaben nicht gehalten werden können, musste die größte Stadt im Nordosten die für 2025 geplante Bundesgartenschau absagen.
Dass Madsen Däne ist, spielt für eine Berufung ins Kabinett keine Rolle. Statusrechtlich gebe es keine Hinderungsgründe für einen Ausländer als Minister, sagte Regierungssprecher Peter Höver ganz grundsätzlich.
Madsen hatte 1998 in Rostock ein Möbelhaus eröffnet. Sein Engagement als Unternehmer und seine unkonventionelle Art führten ihn an die Spitze der Rostocker IHK. 2019 wurde er erster ausländischer Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Sein Ruf als Macher verbreitete sich überregional, und Madsen wurde gerngesehener Gast in TV-Talkshows. Doch in der Stadt häuften sich ungelöste Probleme; in den letzten Monaten wehte ihm der Wind immer kräftiger ins Gesicht.
Bei den Grünen in Schleswig-Holstein steht das Personaltableau fest: Dritter Minister nach Heinold, die auf ihrem Posten weitermacht, und Touré wird Tobias Goldschmidt (40), bisher schon Staatssekretär im Umweltministerium. Nun steigt er zum Ressortchef auf.
Günthers Wiederwahl zum Regierungschef steht am Mittwoch an. Da CDU und Grüne 48 der 69 Mandate haben, kann im Landtag nichts schiefgehen.
Unangenehmer wird es am Donnerstag: Für den Tag war zunächst eine Regierungserklärung angekündigt, die nun aber nach der Sommerpause kommen soll - weil die Regierung erst ein Arbeitsprogramm erstellen wolle. Für die Opposition aus SPD, FDP und SSW ist das ein Affront gegenüber Parlament und Wählern. Günther müsse vor der Sommerpause den Koalitionsvertrag erläutern und erklären, wie seine Regierung anstehende Herausforderungen bewältigen will. Hierzu vermisst die Opposition Lösungen im Koalitionsvertrag, der - bei einigem Lob - diverse Kritik ausgelöst hat.
Nun muss Günther am Donnerstag doch ran. Die Opposition hat nämlich zu dem Themenkomplex eine Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gebracht. Da wird sich Günther nicht nur inhaltliche Kritik am Koalitionsvertrag anhören müssen, sondern auch Schelte wegen des Umgangs mit der Regierungserklärung - das wäre vermeidbar gewesen.