Regierung Weiter viel Kritik an schwarz-grünem Koalitionsvertrag
Am Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Schleswig-Holstein gibt es weiterhin massive Kritik. Besonders enttäuscht zeugte sich am Donnerstag der Naturschutzverband Nabu. Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller sind die Vereinbarungen völlig unzureichend, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Der Oppositionsführer warf CDU und Grünen am Donnerstag Wohlfühlpopulismus im Interesse des gemeinsamen Machterhalts vor. Es fehle an notwendigen Entscheidungen.
So seien deutlich zu wenig Investitionen geplant, um die für 2040 postulierte Klimaneutralität zu erreichen. "Der grünen Finanzministerin ist die schwarze Null wichtiger als der Klimaschutz", sagte Losse-Müller, der vor seinem Wechsel zur SPD in seiner Zeit als Grünen-Politiker Staatssekretär von Finanzministerin Monika Heinold war. Ohne Steuern zu erhöhen oder Schulden zu machen, sei es nicht möglich, das Klimaziel 2040 zu erreichen, betonte er.
Heinold konterte, die Schuldenbremse sei im Grundgesetz festgeschrieben. Im Kieler Koalitionsvertrag hätten Klima-Investitionen hohe Priorität, sagte die Grünen-Spitzenfrau.
Insgesamt enthalte der Koalitionsvertrag viele Ziele, aber keine Lösungen, kritisierte Losse-Müller. In der Innenpolitik sei er tiefschwarz und in der Sozialpolitik blank. "Da ist nichts." Zur Landwirtschaft gebe es viel längere Passagen als zum Sozialen. Die Interessen ganzer Bevölkerungsgruppen seien beiden Parteien egal. Dies drohe die Gesellschaft zu spalten.
Auf die Frage, wie das Land Inflation, steigende Preise für Energie, höhere Zinsen und die künftigen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie bewältigen und die Menschen entlasten wolle, gebe es keinerlei Antworten. Das Ziel, jährlich 15.000 neue Wohnungen zu bauen, sei unrealistisch, sagte Losse-Müller. Er kritisierte auch, dass der Polizei Bodycams auch in Wohnungen erlaubt werden sollen. Bei Bürgerrechten gebe es wirkliche Rückschritte.
Insgesamt warf Losse-Müller CDU und Grünen ein "Weiter so" und Stillstand vor. "Am Ende wird das Land daran scheitern." Schwarz-Grün werde zwar nicht als Regierung scheitere, aber beim Erreichen der angepeilten Ziele der Koalition. Das Bündnis tue nicht das Notwendige, um das Land zukunftsfähig zu machen.
"Die ministerielle Trennung von Landwirtschaft und Umwelt ist rückwärtsgewandt und stürzt das Land im Naturschutz weiter in die Krise", erklärte der Nabu. Dies sei ein drastischer Rückschritt für die Umsetzung von Naturschutzzielen in der Fläche und für eine fortschrittliche Gestaltung der Agrarpolitik. Nun solle Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zumindest einen fortschrittszugewandten und naturschutzoffenen Ressortchef benennen.
Von einem naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien sei im Koalitionsvertrag fast nichts zu erkennen. Der Nabu rügte mit harscher Kritik an den Grünen auch die Aussagen zum Weiterbau der A20 auf der geplanten Trasse. Licht und Schatten sieht der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Auch vom Eigentümerverband Haus & Grund kamen Kritik und Zustimmung, ebenso vom Flüchtlingsrat. Handwerkskammer und der Verband evangelischer Kitas regierten überwiegend positiv.
"Wir begrüßen ausdrücklich, dass Schleswig-Holstein endlich ein Wohnraumschutzgesetz bekommen soll", erklärte VNW-Direktor Andreas Breitner. Damit soll verhindert werden, dass Vermieter Wohnungen verkommen lassen. "Skeptisch sehen wir das Ziel, künftig jährlich 15.000 Wohnungen bauen zu wollen. "Das ist zu viel, nicht machbar, nicht leistbar und auch nicht nötig."
Aus Sicht der GEW finden sich viel zu wenige konkrete Vorhaben oder gar Lösungen für den Bildungsbereich in dem umfangreichen Papier. Um das Thema Arbeitsbelastung der Lehrkräfte mache Schwarz-Grün einen großen Bogen, hieß es.
Haus & Grund-Chef Alexander Blažek kritisierte die Solardachpflicht für Neubauten. "Es überrascht, dass die CDU als Partei der sozialen Marktwirtschaft das mitmacht", sagte er. Die Vorgabe sei überflüssig, weil die Nachfrage nach Photovoltaik enorm sei und der Markt diese mangels Handwerkern und Material nicht befriedigen könne. Junge Familien könnten sich angesichts der steigenden Zinsen und explodierenden Baupreise keine solche Anlage leisten.
Der Verein "Mehr Demokratie" kritisierte vehement die Bestimmungen für Bürgerinitiativen. Die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene solle mit einer Generalklausel massiv eingeschränkt werden. Dem Vertrag zufolge soll es keine Bürgerbegehren gegen Infrastruktur-, Investitions- oder Klimaprojekte geben dürfen, die aus Sicht der Regierung unverzichtbar sind. Das würde laut "Mehr Demokratie" 80 bis 90 Prozent aller Bürgerbegehren verhindern. Das Land falle bei der aktiven Bürgerbeteiligung um 40 Jahre zurück. Sprecherin Claudine Nierth kritisierte auch, dass die Quoren für kommunale Mitbestimmung erhöht werden sollen.