Haushalt Rechnungshof mahnt geplante Koalition zu Haushaltsdisziplin
Die Präsidentin des Rechnungshofs, Gaby Schäfer, hat die geplante Koalition aus CDU und Grünen in Schleswig-Holstein zu Sparsamkeit aufgefordert. "Das angekündigte Einnahmeplus von 3,3 Milliarden Euro wird viele neue Ausgabenwünsche auslösen", sagte Schäfer am Freitag zu den Bemerkungen des Rechnungshofs zum Haushalt. "Die Landesregierung ist jedoch gut beraten, die hohen Mehreinnahmen in erster Linie zum Schuldenabbau zu nutzen." Laut aktueller Steuerschätzung kann das Land bis 2026 mit durchschnittlich 660 Millionen Euro mehr pro Jahr rechnen, erläuterte der Rechnungshof.
Der Norden mache zu viele Schulden. "Mit fast 11.000 Euro pro Kopf liegt die Verschuldung in Schleswig-Holstein doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt", heißt es in den Bemerkungen. Angesichts steigender Zinsen bedeute dies mittelfristig eine weitere Haushaltsbelastung. Nur im Saarland ist die Pro-Kopf-Verschuldung unter den Flächenländern höher.
Die hohe Inflation und schwächere Konjunktur führten zwangsläufig zu Wohlstandsverlusten, warnten die Experten. "Deshalb muss die Landesregierung stärker als bisher Prioritäten setzen und neue Herausforderungen nicht ausschließlich durch neue Kredite finanzieren." Der coronabedingte Steuer-Einbruch sei überwunden. "Der Corona-Notkredit ist damit deutlich überdimensioniert und sollte getilgt werden." Der Landtag hatte 2020 zur Krisenbewältigung eine Kreditermächtigung von insgesamt 5,5 Milliarden Euro beschlossen, von denen 1,4 Milliarden für Steuerausfälle bis 2024 vorgesehen waren.
2,5 Milliarden Euro waren für die Modernisierung der Infrastruktur geplant. "Sie hätten nicht als Kredit aufgenommen werden dürfen, weil sie von Beginn an nichts mit der Corona-Notlage zu tun hatten", heißt es in dem Bericht. Trotz mehr als 34 Milliarden Euro Schulden habe sich Schleswig-Holstein zudem als einziges Land einen Notkredit über 400 Millionen Euro für die Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge bewilligt. Er wurde aus dem Corona-Notkredit bereitgestellt, formal würden keine neuen Kredite aufgenommen. "Dies war möglich, weil der Corona-Notkredit infolge der verbesserten Steuereinnahmen nicht mehr in vollem Umfang benötigt wird. Tatsächlich hätte er in dieser Höhe getilgt werden müssen."
Der Kommentar von Finanzministerin Monika Heinold fiel äußerst knapp aus: "Das Finanzministerium wird die Bemerkungen des Landesrechnungshofs wie in jedem Jahr genau prüfen", erklärte die Grüne auf Anfrage.
Der Rechnungshof rät zu übergeordneter Kontrolle der Finanzhilfen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro im Zeitraum 2017 bis 2020. Bei den Personalkosten mangele es zudem an Transparenz. Im Haushalt 2020 seien 4,5 Milliarden Euro aufgeführt, weitere 700 Millionen Euro für Mitarbeitende würden aus Sachtiteln bezahlt. Abgeordnete könnten dadurch nicht nachvollziehen, wie hoch die Ausgaben wirklich seien.
Für fraglich hält die Behörde den Zuschuss an die Uniklinika Kiel und Lübeck für kostenintensive Behandlungen von jährlich mehr als 9 Millionen Euro je Standort, die nicht von der pauschalen Vergütung der Kassen gedeckt sind. 2019 habe die durchschnittliche Belastung deutscher Unikliniken nur gut vier Millionen Euro betragen. Kritik gibt es auch am Digitalisierungsprogramm, am Anstieg der Kosten für eine Fischotter-Ausstellung im Multimar Wattforum in Tönning und dem drei Millionen Euro starken Förderprogramm für Maskenproduktion im Norden. Nötig sei zudem eine Neuausrichtung der Krankenhausplanung.
Kritisch sehen die Experten die AKN Eisenbahn, bei der das Land Gesellschafter ist. Deren Kosten seien von etwa 20 Millionen Euro (2017) auf mehr als 30 Millionen Euro (2021) angestiegen. "Eine vergleichbare Kostensteigerung ist auf den im Wettbewerb vergebenen Strecken nicht erkennbar." Zusätzlicher Druck entstehe durch die Verlängerung der S-Bahnstrecke 21 von Hamburg-Eidelstedt nach Kaltenkirchen. Dieser umsatzstarke Streckenabschnitt gehört zur AKN, werde künftig aber von der Hamburger Hochbahn befahren.
Aus Sicht der finanzpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Beate Raudies, deckt der Bericht des Landesrechnungshofs eklatante Defizite auf. So sei angesichts steigender Schülerzahlen eine belastbare Lehrkräftebedarfsprognose erforderlich, um das Bildungssystem an neue Situationen anzupassen. Ministerin Karin Prien (CDU) habe zwar schon Ende 2018 ein Tool dafür angekündigt. "Das entpuppte sich bislang aber als Seifenblase. "Wenn die Landesregierung die Warnsignale weiterhin ignoriert, droht die Qualität an unseren Schulen nachhaltig Schaden zu nehmen." Auch beim Thema Digitalisierung liefere der Rechnungshof wichtige Hinweise. "Mit dem Ziel, Schleswig-Holstein zu einer digitalen Vorzeigeregion zu machen, ist Jamaika gescheitert."