Quedlinburg Viel Zeit für Gespräche: Steinmeier drei Tage in Quedlinburg
Etwa eine halbe Stunde später als geplant ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag am Rathaus in Quedlinburg eingetroffen. Nicht, weil die Bahn, mit der er anreiste, Verspätung hatte, sondern weil er auf dem Weg vom Bahnhof links und rechts anhielt, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Für drei Tage hat das Staatsoberhaupt seinen Amtssitz in die Stadt im Harzvorland, deren viele Fachwerkhäuser zum Unesco-Weltkulturerbe zählen, verlegt. Er will sich dort Zeit für Begegnungen und Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern nehmen. Die "Ortszeit" sei der Versuch, die Gesellschaft mit sich selbst ins Gespräch zu bringen, sagte Steinmeier nach seiner Ankunft am Dienstag.
Am Rathaus wird er mit zaghaftem Applaus begrüßt. "Danke für den schönen Empfang", ruft er. Steinmeier trägt sich zunächst in das Goldene Buch der Stadt ein. In seinem Hotel wurde ein Zimmer für seine Amtsgeschäfte eingerichtet, vor seiner Unterkunft die Standarte gehisst.
Viele der Quedlinburger und Touristen nutzen die Gelegenheit, den Bundespräsidenten bei dem Gang durch die Straßen und Gassen bei bestem Wetter abzupassen. "Wenn man schon mal die Möglichkeit hat!", sagt ein Passant, der von Steinmeier samt Menschentraube ein Foto schießt. Andere fragen nach Selfies oder schütteln seine Hand. Einige Geschäftsleute finden es "toll", dass der Bundespräsident sich Zeit für sie nimmt. Doch man hört auch kritische Stimmen. Die ganze Stadt sei voller Polizei, "nur weil Steinmeier hier rumeiert", bemerkt eine Frau im Vorbeigehen.
Am späteren Nachmittag nahm Steinmeier dann am Runden Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft zur aktuellen Situation der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine teil. Eine große Problematik sei es, Wohnungen für die Flüchtlinge herzurichten und auszustatten, sagte unter anderem Migrationsberater Stefan Blasek vom Diakonischen Werk. Gerade für kleines Geld sei es schwierig, die Grundausstattung zu besorgen.
Darüber hinaus berichteten die Teilnehmer von fehlenden Kitaplätzen und Personalmangel. Im Gespräch miteinander berieten die Vertreter über gemeinsame Lösungen - und fanden auch einige. Steinmeier zeigte sich beeindruckt: Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass der Runde Tisch als Format für die Entwicklung von Lösungen genutzt werde.
Quedlinburg ist nach Steinmeiers Besuch im März im thüringischen Altenburg die zweite Station der "Ortszeit Deutschland" - einem mehrtägigen Besuch mit Zeit für ausführliche Gespräche und Besichtigungen. Ziel ist auch, Misstrauen gegenüber staatlichen Instanzen abzubauen und die Demokratie zu stärken.
Die Stadt mit knapp 24.000 Einwohnern habe neben einer langen Geschichte auch Umbrüche und Veränderungen hinter sich und diese bewältigt, sagt Steinmeier. "Wir gehen in Orte, von denen wir wissen, dass Probleme vorhanden sind und dass es Bemühungen und Engagement gibt, diese Probleme zu bearbeiten." Deshalb würden insbesondere auch Gespräche über die Zukunft geführt.
Das, worüber gesprochen werde - das Positive wie das Negative - soll nach Berlin mitgenommen werden. "Darum geht es", so Steinmeier. Neben lokalen Themen stehen auch die Sorgen angesichts des Kriegs in der Ukraine und die Auswirkungen nach zwei Jahren Corona-Pandemie im Mittelpunkt der Reise.