Werder (Havel) Brandenburger Karneval: Narrenlauf im zweiten Lockdown
Für viele Brandenburger Jecken ist es gefühlt wie ein weiterer Lockdown: Auch in der zweiten Session in der Corona-Pandemie gab es keine öffentlichen Feiern und kaum Prunksitzungen. Auch öffentliche Umzüge über die Karnevalstage wie der Cottbuser "Zug der fröhlichen Leute" mussten abgesagt werden. "Die hohen Hygieneauflagen mit 2G und 2G plus waren für die meisten Vereine eine unüberwindliche Hürde und so wurden die meisten Sitzungen abgesagt", bedauert der Präsident des Karnevalsverbands Berlin-Brandenburg, Fred Witschel. "Und bei den Umzügen müssten sie den Zugang und Abstände kontrollieren - das ist gar nicht möglich."
Doch aufgeben ist für die Brandenburger Karnevalisten trotzdem keine Option: Unter dem Sessionsmotto "Wir gemeinsam. Das Mögliche möglich machen" hat der Verband erneut zu Karnevalsläufen aufgerufen, die die Vereine in ihren Gemeinden organisieren können. Von Karnevalssamstag (26. Februar) bis Rosenmontag (28. Februar) wollen die Jecken mit Laufschuhen und Kostümen auf Straßen und in Parks unterwegs sein und in Brandenburg und Berlin möglichst das närrische Ziel von 1111 Kilometern zusammensammeln.
Zum Auftakt gibt es am Karnevalssamstag einen Sternenmarsch der Karnevalisten in vollem Ornat durch den Potsdamer Schlosspark Sanssouci und vor dem Neuen Palais um 11.11 Uhr den Startschuss zum ersten lauf in Kostümen. Und am Freitag (25. Februar) läuft statt dem traditionellen Tollitäten-Empfang in der Staatskanzlei ein Empfang mit den Brandenburger Prinzenpaaren auf einem Spargelhof.
Einige Vereine sind dem Aufruf des Verbands gefolgt, und haben Ausstellungen organisiert. So eine Schau läuft beim Teltower Carneval Club. Von den Cottbuser Narrenweibern, vom Carneval Club Jüterbog sowie vom Schorbuser Karnevalverein wurden Schaufenster mit karnevalistischen Exponaten gestaltet.
Für den Lausitzer Karnevalspräsidenten Matthias Schulze überwiegen trotz all dieser Aktivitäten dennoch die närrischen Tränen. Die Jugendarbeit sei am härtesten von der Pandemie betroffen, meint er. "Ein Drittel unserer rund 5000 Mitglieder sind Jugendliche", sagt Schulze. "Die holen wir von der Straße, aber die müssen doch trainieren können, für die Garde- und Showtänze." Aus seiner Sicht wäre das mit entsprechenden Hygiene-Konzepten auch sicher möglich gewesen. "Man kann nur hoffen, dass die Politik da umdenkt."
Auch aus Sicht des Prenzlauer Karnevalspräsidenten Silvio Grensing ist die Jugend beim Training stark eingeschränkt. Langes Trainingsverbot in Hallen und aktuell viele Infektionen oder Quarantänezeiten ließen regelmäßiges Training kaum zu. "Aber dafür planen wir eine Veranstaltung im Sommer, wir wollen die Kinder und Jugendlichen motivieren", sagt Grensing. Und Witschel verweist darauf, dass der KVBB Anfang Dezember immerhin seine Landesmeisterschaft im karnevalistischen Tanzsport als Test-Turnier für den Bund Deutscher Karneval unter strengen Hygienebedingungen durchführen konnte.
Doch in der karnevalistischen Hochburg Cottbus gibt es auch in diesem Jahr kein großes "Helau": Statt des "Zugs der fröhlichen Leute", der jedes Jahr Zehntausende anzieht, werde es voraussichtlich einen kleinen Autokorso durch die Stadt und ein Treffen mit begrenzter Teilnehmerzahl geben, sagt Schulze. Auch in Lübbenau ist ein Autokorso geplant. Einige Vereine wollen sich auch an den Karnevalsläufen beteiligen. "Aber das sind Notmaßnahmen, die selbst die Karnevalisten kaum hinter dem Ofen hervorlocken", klagt Schulze. "Die Frustration ist schon sehr groß geworden."
Ganz so pessimistisch sieht Grensing die Lage nicht. "Wir haben keine Mitglieder verloren und immer den Kontakt halten können", berichtet der Präsident. Und die Prenzlauer Karnevalisten freuen sich schon auf das Kühlungsborner "Sommerspektakel", an dem der Verein seit mehr als zwanzig Jahren teilnimmt: Drei tolle Tage im Juli an der Ostsee mit Samba-Umzug und Beachparty, veranstaltet vom Faschings Club Kühlungsborn. Dort wollen die Prenzlauer Jecken auch ihren aktuellen Orden verteilen - der trotz Pandemie herausgegeben werden soll.
Dagegen wird die Pflege des Brauchtums beim Carneval Club WCC in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) mit jeder ausgefallenen Session und Trainingseinheit immer schwerer. 45 Mitglieder zählt der Verein laut seinem Präsidenten Egbert Schröder derzeit noch. Wittstock hätte schon 2021 das Präsidententreffen der Prignitzer Karnevalsvereine ausrichten sollen, doch nun musste die Veranstaltung auch dieses Jahr wegen der Corona-Auflagen gecancelt werden.
Die Narren des Carneval Clubs MCC aus dem benachbarten Meyenburg (Prignitz) wollen ab dem 20. März wieder mit dem Training beginnen, für Frühjahr und Sommer gibt es bereits viele Anfragen für Tanzauftritte bei örtlichen Festen. "Allerdings richten wir unsere Konzentration dann ganz auf die kommende Session im November", sagt Präsidentin Christina Rätke.
Auch andere Vereine planen Frühlings- und Sommerfeste, und am 27. März ist eine Kindergala in der Stadthalle Cottbus geplant. Dies sind aber keine Karnevalsfeiern, weil diese nur während der Session stattfinden dürfen. Doch Witschel betont, getreu dem Motto der Session solle nun noch möglichst viel möglich gemacht werden. Er zitiert den Kölner Karnevalisten Ralf Schlegelmilch: "Wir können unser Brauchtum vielleicht nicht feiern, aber wir können es pflegen."