"Gedemütigt und peinlich berührt" Spontane Bahnfahrt wird für Rollstuhlfahrerin zum Fiasko
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine Rollstuhlfahrerin möchte spontan von Hamburg nach Bremen fahren. Doch der ICE fährt am Hauptbahnhof einfach ohne sie ab. Was sagt die Bahn dazu?
Eine Rollstuhlfahrerin und ihr Mann hatten am Hamburger Hauptbahnhof ein frustrierendes Erlebnis. Das Paar wollte spontan, ohne Anmeldung, einen ICE nach Bremen nehmen. Stattdessen wurden beide auf dem Bahnsteig stehengelassen und bekamen später von Bahnmitarbeitern auch noch Vorwürfe und falsche Informationen.
Frank Cordes und seine Frau, Karin Cordes-Zabel, reisen jedes Jahr 100.000 Kilometer mit der Deutschen Bahn. Karin sitzt im Rollstuhl, weshalb die Zugfahrten nicht immer problemlos verlaufen. Darüber schreibt Frank Cordes auf der Plattform X als "DerFrankyman". Das Paar wollte am Samstagabend den ICE 619 nehmen.
Er und seine Frau stellten sich vor dem Rollstuhleingang des Zuges auf und betätigten den Knopf für den Hublift. Doch niemand kam. Stattdessen zuckte eine Zugbegleiterin nur mit den Schultern – und der ICE fuhr ohne die beiden ab.
Vorfall am Hamburg Hauptbahnhof demütigt Paar
"Gedemütigt und peinlich berührt standen wir nun auf dem Bahnsteig", berichtet Cordes auf X. "Es war absolut unangenehm", sagt seine Frau Karin rückblickend im Gespräch mit t-online. Weitere Fahrgäste hätten die Szene beobachtet, während das Paar versuchte, Hilfe bei Bahnmitarbeitern zu suchen.
"Wir erleben so etwas sehr häufig, da wir ja auch sehr viel fahren" erklärt Cordes. Im vorliegenden Fall geht es um das spontane Nutzen von ICE-Zügen mit einer fahrzeuggebundenen Einstiegshilfe, dem sogenannten Bordhublift. Reisende im Rollstuhl müssen sich dafür nicht zwingend bei der Mobilitäts-Zentrale anmelden. "Die Bahn sagt, dass es erlaubt ist und auch möglich sein soll. Aber tatsächlich tut man sich schwer damit."
Das sollte sich auch am Samstagabend wieder zeigen. Die Bahnmitarbeiter behaupteten, dass eine vorherige Anmeldung nötig sei. Cordes widersprach mehrfach. Doch immer wieder wurde ihnen gesagt, dass sie falsch gehandelt hätten.
Entschuldigung der Bahnmitarbeiter vor Ort bleibt aus
"Ich hätte erwartet, dass man sagt, da ist was schiefgelaufen, das hätte so nicht sein sollen, es tut uns leid und dass man jetzt alles tun werde, dass es mit dem nächsten Zug umso besser klappt", sagt Cordes. "Doch genau diese Antwort kam nicht."
Stattdessen musste Cordes fast eine Stunde lang mit verschiedenen Bahnmitarbeitern diskutieren. Erst durch die Unterstützung einer "auffällig netten Mitarbeiterin", die schließlich mit einem Bahnhofshublift zum Gleis gekommen sei, habe das Paar doch noch einen ICE nach Bremen nehmen können.
"Ich frage mich, was macht der rollstuhlfahrende Kunde, der von den Vorgängen keine Ahnung hat und sich nicht durchsetzen kann?", sagt Cordes. Seine Frau ergänzt: "Ich habe mich veräppelt gefühlt."
Deutsche Bahn will Vorfall aufarbeiten
Auf Anfrage entschuldigte sich die Deutsche Bahn für den Vorfall. "Wir bedauern das Verhalten der beteiligten Kollegen und Kolleginnen sehr. Wir haben die zuständigen Führungskräfte gebeten, mit allen Beteiligten klärende Gespräche zu führen. Sie können versichert sein, dass der Sachverhalt umfassend aufgeklärt und die Beteiligten auch nochmals sensibilisiert werden", erklärte eine Bahnsprecherin.
Das Unternehmen räumt ein, dass keine Anmeldung nötig gewesen wäre. Das Verhalten der Mitarbeitenden sei aus kunden- und serviceorientierter Sicht vollkommen unangemessen gewesen, so die Bahnsprecherin weiter. "Leider fehlte es im vorliegenden Fall an der nötigen Sensibilität, an Empathie und Respekt den Reisenden gegenüber."
Frank Cordes wünscht sich mehr Verständnis für Rollstuhlfahrer. Die Bahn kündigte an, den Fall aufzuarbeiten. Sie will ihre Mitarbeiter besser schulen. Ziel sei es, Reisenden mit Einschränkungen eine selbstbestimmte Mobilität zu ermöglichen.
- x.com: Beitrag von @DerFrankyman vom 23. Juni 2024
- Telefonat mit Frank Cordes und Karin Cordes-Zabel
- Anfrage bei Pressestelle der Deutschen Bahn