Aktionen finden wenig Resonanz "Letzte Generation" in der Krise: "Wir haben Fehler gemacht"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wie geht es weiter mit der "Letzten Generation"? Die jüngsten Aktionen in Hamburg waren ein Flop. Dafür gibt es Gründe.
Rätselraten bei der "Letzten Generation": Die Klimaaktivisten kommen mit ihren Aktionen nicht mehr durch. "Das frustriert und irritiert uns", bestätigt ein Aktivist, der namentlich nicht genannt werden möchte, t-online.
"Das Thema ist natürlich heikel", sagt der Mann, der seit einigen Jahren dabei ist, für die "Letzte Generation" bereits im Polizeigewahrsam saß und auch in Hamburg an mehreren Aktionen teilgenommen hat. Zuletzt jedoch mit mäßigem Erfolg.
Ende Oktober beschmierten Aktivisten das Audimax der Universität Hamburg mit oranger Farbe. Gerade einmal vier Medien haben darüber berichtet und das auch nur kurz. Eine Woche zuvor war eine Aktion wegen "Personalmangels" ganz ausgefallen, so der Aktivist auf Nachfrage.
Mitte des Jahres hat die "Letzte Generation" für Aufsehen gesorgt
Das war früher anders: Noch Mitte des Jahres waren die Aktionen der Klimaaktivisten in aller Munde, sie saßen in Talkshows, beherrschten die Schlagzeilen. Die Politik versuchte sogar, aus ihnen eine kriminelle Vereinigung zu machen.
Davon redet heute kaum noch jemand. Die Aufregung um die angeblich "kriminelle Aktion" hat sich gelegt. Das zeigt auch ein Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg. Dort stand mit Melanie Guttmann ein echter Promi der "Letzten Generation" vor Gericht. Guttmann hat die Gruppe einst mitgegründet, ist auch sonst eine schillernde Persönlichkeit. In Hamburg war sie an der Blockade der Elbbrücken beteiligt und sorgte für lange Staus. Die Elbbrücken sind eine zentrale Ausfallstraße der Stadt.
Pressebänke bleiben beim Prozess leer
Für den Prozess interessiert hat sich kaum jemand. Die Pressebänke blieben weitgehend leer. Nur ein paar Aktivistenfreunde hatte sich aus Solidarität eingefunden, wollten Guttmann und ihren Mitangeklagten den Rücken stärken. Hätte nicht die Deutsche Presse-Agentur eine kurze Meldung dazu gebracht, die Medien schnell übernehmen können, kaum ein Medium hätte darüber berichtet.
Warum die "Letzte Generation" derzeit weniger Aufmerksamkeit bekommt als zuvor, ist den Aktivisten klar. Die Welt schaut nach Israel und in die Ukraine. Dazu das Dauerfeuer der "Letzten Generation" in ganz Deutschland. Gefühlt wurde jeden Tag irgendwo eine Kreuzung blockiert oder ein Gebäude beschmiert.
"Das war vielleicht ein bisschen viel", zieht der Aktivist ein eher verhaltenes Fazit der Aktionsoffensive im Sommer. Und tatsächlich: Irgendwann haben die Medien das nur noch Kenntnis genommen, niemanden mehr vor Ort geschickt. Aus den Schlagzeilen wurden kurze Meldungen.
Keine Aktion konnte spektakulär genug sein
Die "Letzte Generation" reagierte zunächst mit bewusst spektakulären Aktionen. Auf Sylt wurden ein Flugzeug und eine Nobelbar beschmiert. In Neustadt in Holstein eine Jacht geentert und orange angestrichen, dazu kam die spektakuläre Besetzung des Hamburger Flughafens. Das hat funktioniert, die "Letzte Generation" war in aller Munde. Mehr dazu lesen Sie hier.
"Doch wie weit wollen wir das treiben?", fragt sich der Aktivist im Gespräch mit t-online. Die "Letzte Generation" legt größten Wert darauf, gewaltfrei zu agieren. Mehr als unbefugt das Flugfeld eines Flughafens zu betreten, geht kaum.
Wir haben auch Fehler gemacht
Aktivist der "Letzten Generation" im t-online-Gespräch
Für solche Aktionen findet auch die "Letzte Generation" nur begrenzt Mitstreiter. Wer mitmacht, nimmt hohe Strafen in Kauf und dauerhafte Verschuldung. "Das will nicht jeder", gibt auch der Aktivist zu.
"Wir haben auch Fehler gemacht", sagt er. Denn nicht immer hat sich die Gruppierung ihre Ziele genau angeschaut. In Neustadt wurde nicht die Jacht eines schwerreichen russischen Oligarchen beschmiert, sondern einer alten Dame, die in Schleswig-Holstein ein paar "Resteläden" besitzt und die um ihren verstorbenen Mann trauert, dem das Schiff einst gehörte. Entsprechend negativ war das mediale Echo auf die Aktion, nachdem klar, wer das "Opfer" der Attacke war.
Audimax der Uni war falscher Ort für Protest
Das Audimax der Uni zu beschmieren, war aus Beobachtersicht wohl eher ein Akt der Verzweiflung, um Aufmerksamkeit zu generieren. Mehr dazu lesen Sie hier. Ziel der Aktion sollte es sein, vor allem Studierende auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.
Dabei ist das Klimathema an der Uni längst angekommen, und zwar genau so, wie die "Letzte Generation" es gerne hätte.
Es gibt dort den Forschungsschwerpunkt "Klima, Erde, Umwelt", der sich intensiv mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt. "Fridays für Future" hat dort eine Ringvorlesung zum Thema mitgestaltet. Die Uni leistet sich sogar einen eigenen Experten, der forscht, wie sich Wissenschafts- und Klimathemen medial gut "verkaufen" lassen.
Sein Motto könnte vielleicht auch der "Letzten Generation" auf die Sprünge helfen. Es lautet: "Richtig übers Klima sprechen – motivieren statt alarmieren".
- Eigene Beobachtungen
- Gespräch mit Aktivist der letzten Generation
- wiso.uni-hamburg.de. "Richtig übers Klima sprechen - motivieren statt alarmieren"
- ndr.de: "Letzte Generation" besprüht Audimax in Hamburg"
- signal.org: Terminhinweise der "letzten Generation"