Tradition oder Kommerz? Der Hafengeburtstag ist nur noch für Touristen
Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Hunderte Schiffe, aber auch Schlemmermeile und Livemusik: Ist der Hamburger Hafengeburtstag wirklich noch Tradition oder längst Kommerz?
Seit Donnerstag müssen Autofahrer zwischen Fischmarkt und Elbphilharmonie Geduld mitbringen, denn der Aufbau für den 835. Hafengeburtstag ist in vollem Gang, inklusive Straßensperrung für drei Tage.
Im vergangenen Jahr konnten die Initiatoren neue Superlative feiern: Nachdem der Hafengeburtstag in den Corona-Jahren zunächst abgesagt wurde, kamen 2023 1,1 Millionen Besucher. Aber ist ein solches Spektakel zum Ehrentag entbehrlich?
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Diesen Geburtstag hat der Hafen nicht verdient
Ganz klar: Der Hafengeburtstag ist entbehrlich, er kann weg. Ihn braucht niemand. Was vor Jahrzehnten vielleicht mal als hübsche Idee, um den maritimen Teil der Stadt zu feiern, begann, ist mittlerweile zu einer gigantischen Fress-, Sauf- und Kommerzmeile degeneriert. Der Hafen ist nur noch Kulisse, um mit ihm Geld zu machen. Nicht ohne Grund stehen am Beginn der riesigen Fressmeile zwei gigantische Dosen, in denen sich Geldautomaten befinden. Powerd by Mastercard und Visa. Doch Kommerzpaläste hat die Stadt genug. Dafür ist der Hafen zu schade.
Der Hafengeburtstag ist auch schon lang kein Fest für die Hamburger mehr. Die flüchten nämlich vor dem Lärm, den Touristenmassen und dem Dreck, der zurückbleibt. Der Hafengeburtstag ist ein Festtag für Pinneberger, Elmshorner und Touristen, die tatsächlich glauben, ein echtes Stück Hamburg zu erleben. Das Gegenteil ist der Fall. So wie der Hafengeburtstag ist Hamburg nicht und der Hafen schon gar nicht.
Dabei ist dieser Ort besonders und verkörpert die Seele der Stadt. Keine andere Stadt in Deutschland hat solch ein Kleinod. Hamburg sollte ihn hegen und pflegen, wie er tatsächlich ist, nicht wie ihn Schausteller, Nippeshändler und Touristenmanager gerne haben möchten. Ein Besuch im echten Hafen lohnt sich unbedingt.
Vielleicht per Rad und am Wochenende. Und dann mitten hinein. Weg von den Landungsbrücken, rein in den alten Elbtunnel, auf die andere Elbseite. Wo keine Bratwurstbude wartet, sondern das echte Hafenleben: rau, maritim, weltoffen. Das ist Hamburg. Der Hafengeburtstag ist nur Fassade.
Der Hafengeburtstag ist mehr als schnöde Folklore
Der Hafengeburtstag ist eine Hamburger Institution. Daran können auch eine Fressmeile und überteuerte Tickets für Bootstouren nichts ändern. Die historische Verbindung von Hamburg und der Schifffahrt wiegt schwerer als ein bisschen kommerzieller Rummel, der inzwischen rund um den Hafengeburtstag geboten wird.
Das zeigt sich auch daran, dass sowohl Neu-Hamburger, alteingesessene Hanseaten und Touristen sich gleichermaßen für das Fest begeistern können. Das Schlepperballett mit den Wasserfontänen oder die große Einlaufparade sind für alle ein Highlight – auch wenn man das alles schon im Vorjahr gesehen hat.
Dennoch gab und gibt es immer wieder Kritik an dem Event. Doch statt eine Abschaffung zu fordern, haben sich verschiedene Akteure zusammengefunden und bieten nun Alternativen zum kommerziell geprägten Fest. Rund um den Park Fiction findet der "Alternative Hafengeburtstag" statt. Es gibt Livemusik oder DJs legen auf, etwas zu essen und natürlich Getränke werden auch angeboten. Auch die queere Community feiert den "Hafengayburtstag" an der Fischauktionshalle. Solche Initiativen zeigen: Die Hamburger lieben ihren Hafengeburtstag – und ist das Fest zu kommerziell, dann gestalten sie die Feierlichkeiten eben selbst.
Wer hier lebt, fühlt sich mit dem Fest verbunden, weil man um die Bedeutung des Hafens für die Stadt weiß. Er ist Hamburgs Tor zur Welt. Die maritime Tradition zieht durch die Jahrhunderte der Stadtgeschichte und war immer ein Treiber für das Selbstverständnis der Hanseaten. Dies einmal jährlich zu feiern, ist den stolzen Hamburgern bis heute ein Anliegen.
Und vielleicht heute mehr denn je. Längst ist das maritime Erbe kaum noch sichtbar, anders als in früheren Zeiten, als noch Hafenarbeiter an den Landungsbrücken Ladung löschten. Mit der Einführung der Container ist die Schifffahrt kalt und kommerziell geworden, die Hafenromantik musste der Effizienz weichen. Schön, dass Hamburg sich einmal im Jahr an seine Tradition erinnert, "denn dort an der Elbe, da wartet mein Glück", sang schon Hans Albers in den späten 1950er Jahren. "In Hamburg, da bin ich zuhaus'."
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