Erfurt Fahrgastverband ist zum 9-Euro-Ticket-Start skeptisch
Das 9-Euro-Ticket wird die Menschen in Thüringen aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn nicht langfristig zu Nutzern von Bus und Bahn machen. "Ich glaube nicht, dass die Leute jetzt massenhaft auf die Verkehrsmittel umsteigen", sagte der Vorsitzende Olaf Behr der Deutschen Presse-Agentur. Der Ansatz für das Billigticket sei gut - die Umsetzung aber schlecht vorbereitet. Und dauerhaft würden ohnehin nur besser ausgebaute Angebote zu niedrigeren Preisen mehr Leute in öffentliche Verkehrsmittel locken.
In Thüringen hatte es zuletzt etwa Diskussionen darüber gegeben, in welchen Nahverkehrsmitteln das Ticket tatsächlich nutzbar ist. Zwischen Erfurt und Gera fährt mehrmals täglich ein IC der Deutschen Bahn, der bislang mit Nahverkehrstickets genutzt werden konnte. Der Zug wird den Reisenden online auch als Regionalexpress angezeigt - das 9-Euro-Ticket gelte für diesen Zug allerdings nicht, sagte ein Sprecher des Thüringer Verkehrsministeriums. Das Land sei aber mit der Deutschen Bahn im Gespräch und versuche, die Regelung zu ändern.
"Genau solche kundenunfreundlichen Regelungen sind das, was man nicht haben will", sagte Behr dazu. Dazu komme, dass damit auf der ohnehin viel frequentierten Strecke zwischen Gera und Erfurt das Angebot weiter verknappt werde: Wer ein 9-Euro-Ticket habe, werde auf andere Züge ausweichen - und diese würden damit noch voller. "Das ist völlig kontraproduktiv."
Nutzen kann den IC hingegen, wer ein Abo beim Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) hat, sagte Geschäftsführer Christoph Heuing. Dieses werde in ein 9-Euro-Ticket umgewandelt. Auch, wer jetzt ein neues Abo abschließe, könne auf der Strecke IC fahren. In den ersten drei Monaten koste dieses ebenfalls nur neun Euro.
Weitere Sorgen bereitet Fahrgastverband und Verkehrsunternehmen die zusätzliche Auslastung von einigen ohnehin schon vollen Zügen. Das sei gerade auf der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Eisenach, Erfurt, Jena, Gera und Altenburg ein Problem, sagte Behr. "Da machen wir uns Sorgen, dass es wirklich heftig werden könnte." Auch der Franken-Thüringen-Express sei schon ohne Billigticket stark frequentiert. Da Thüringen aber wenige große Städte habe, gehe er nicht davon aus, dass es flächendeckend zu überfüllten Bussen und Bahnen kommt.
Das Verkehrsministerium will im Notfall die Zugkapazitäten erhöhen. "Während der Gültigkeitsdauer des 9-Euro-Tickets wird die Situation beobachtet und je nach Bedarf und Verfügbarkeit die Kapazitäten mit zusätzlichen Waggons erhöht", hieß es. Dabei liege der Fokus der Kapazitätserweiterung vor allem auf den Werktagen. An den bevorstehenden Pfingsttagen könne es allerdings zu stark erhöhtem Fahrgastaufkommen und dadurch zu Kapazitätsengpässen kommen.
Die Kapazitäten kurzfristig nach oben zu schrauben, ist nach Angaben des Geschäftsführers des Verkehrsverbundes Mittelthüringen (VMT), Christoph Heuing, aber nicht möglich. Dazu fehle es sowohl an Fahrzeugen, als auch an Personal, sagte er. "Das eigentliche Problem ist, dass der Nahverkehr in den letzten Jahren nicht in die Lage versetzt worden ist, wirklich für die Menschen da zu sein."
Geht es nach Thüringens Energieministerin Anja Siegesmund (Grüne), soll auf das dreimonatige Billigangebot 9-Euro-Ticket künftig ein langfristig billiges Ticket kommen: "Ein thüringenweites 365 Euro Ticket pro Kopf pro Jahr wäre die nachhaltige spürbare Entlastung, die wir auf die Straße und die Schiene bringen müssen", sagte sie.