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Aussicht auf milderes Urteil nach sexuellem Missbrauch


Erfurt
Aussicht auf milderes Urteil nach sexuellem Missbrauch

Von dpa
17.03.2022Lesedauer: 3 Min.
Rückenansicht des AngeklagtenVergrößern des Bildes
Der Angeklagte wartet im Landgericht Erfurt auf den Verhandlungsbeginn. (Quelle: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa-bilder)

Schon 2018 war das Urteil für die insgesamt neun Klägerinnen ernüchternd. Der heute 34-jährige Angeklagte, ihr ehemaliger Turntrainer, war damals wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Dass die Strafe nun aufgrund von Verfahrensfehlern voraussichtlich noch geringer ausfalle, mache die Betroffenen wütend, sagte eine Nebenklägerin am Donnerstag beim Beginn des erneuten Prozesses. "Dass diese Fehler begangen wurden, dass ist schon doll", so die heute 26-Jährige. Es sei "erniedrigend".

Der Prozess hatte am Donnerstag vor dem Landgericht Erfurt begonnen. Der Angeklagte steht damit erneut vor Gericht nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil von 2018 bereits 2020 teilweise aufhob - unter anderem mit der Begründung, dass der Mann nicht ausreichend von den Richtern belehrt worden sei.

Zudem sind nach Ansicht der Bundesrichter die Erfurter Kollegen von falschen Voraussetzungen ausgegangen bei der Frage, ob zwischen dem Trainer und seinen Opfern ein sogenanntes Obhutsverhältnis bestand, sie ihm also etwa zur Erziehung anvertraut waren. Deshalb wurde das Urteil nun in zahlreichen Einzelfällen aufgehoben. Das führte auch dazu, dass über das Gesamtstrafmaß neu befunden werden muss.

Die Anklage warf dem Angeklagten zu Prozessbeginn erneut sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in 82 Fällen, teils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, teils in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer Schriften und mit sexueller Nötigung, vor.

Nach Empfehlung des Gerichts einigten sich Anklage und Verteidigung jedoch darauf, nur noch die Taten zur Debatte zu stellen, deren Schuldspruch nicht vom BGH in Frage gestellt wurde. So muss nun ausschließlich neu über das Strafmaß entschieden werden. Mehr als 50 Tatvorwürfe von insgesamt zwei Betroffenen, bei denen komplett neue Verhandlungen nötig gewesen wären, wurden damit eingestellt. "Es hat nichts damit zu tun, dass wir diese Taten geringschätzen", sagte der Vorsitzende Richter. "Das fällt uns auch nicht ganz so leicht." Die Kammer sehe aber kaum Möglichkeiten, in den Fällen, in denen die Frage der Obhut im Raum stehe, diese zu belegen. Man wolle die Opfer somit nicht weiter belasten und ihnen eine nochmalige Aussage - ohne sichere Ergebnisse - ersparen. Er entschuldigte sich auch dafür, dass das Verfahren, "so lange dauert und über so viele Hürden zu gehen hat". Die Gesamtstrafe werde zum Ende des Prozesses in jedem Fall geringer ausfallen.

Zur Einordnung: Von der Anzeige bis zum Prozessauftakt vergingen zwei Jahre. Zwei weitere Jahre vergingen bis zum Urteil des BGH. Noch einmal zwei Jahre zogen bis zur erneuten Verhandlung am Landgericht in Land. Die Nebenklägerin sprach für sich und ihre Mitstreiterinnen als sie sagte, es mache "wütend, dass es sich so lange zieht".

Abgesehen von der Nebenklägerin und dem Angeklagten selbst wurde am Montag niemand gehört. Für den ersten Verhandlungstag waren zunächst keine Zeugen geladen worden - so soll es auch bleiben. Laut Vorsitzendem Richter ist es möglich, dass bereits beim nächsten anberaumten Termin am kommenden Montag die Beweisaufnahme geschlossen und Plädoyers gesprochen werden. Bis zum 24. März waren zunächst drei weitere Termine anberaumt worden.

Das am Ende nun noch einmal geringer ausfallende Strafmaß könnte eventuell mit einem monetären Schadensausgleich für die Betroffenen einhergehen. "Wir würden uns einem Täter-Opfer-Ausgleich nicht verschließen", sagte die Verteidigung. Aber auch hier ist nicht mit allzu viel zu rechnen.

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