Erfurt Volle Auftragsbücher und Engpässe im Thüringer Handwerk
Thüringens Handwerk wagt angesichts von Lieferengpässen bei Material, gestiegenen Rohstoffpreisen und mehr Personalausfall durch Corona-Quarantäne noch keine Geschäftsprognose für 2022. Wie sich Umsatz und Ertrag entwickelten, sei erst in den kommenden Monaten abzuschätzen, sagte der Präsident des Thüringer Handwerkstags, Stefan Lobenstein, am Montag in Erfurt. Vielfach seien die Auftragsbücher der Betriebe voll, es gebe jedoch Wartezeiten bei der Umsetzung und teilweise auch höhere Preise für die Kunden.
Als Trend, der sich verstärke, nannte Lobenstein die Forderung von Kunden nach Nachhaltigkeit bei Dienstleistungen und Produkten. "Der Markt verändert sich. Es gibt eine größere Kundschaft, die sich für nachhaltige Produkte interessiert." Das eröffne den Betrieben Chancen.
Das bestätigte Nicolai Ströhl, dessen Handwerksbetrieb in Weimar mit sechs Angestellten vor allem Taschen, aber auch Utensilien für Reiter anfertigt. Dass sein Betrieb klimaneutral arbeite, sei für Kunden zunehmend ein Kriterium, bei ihm zu bestellen. Zunehmen würde auch gefragt, wo produziert werde und wo das Material herkomme. Der Nachhaltigkeitstrend spiele aber auch in den Betrieben beim Ressourcensparen eine zunehmende Rolle, so Lobenstein.
Der Inhaber einer Wäscherei in Bad Tennstedt (Unstrut-Hainich-Kreis), Steffen Schildhauer, berichtete über die Umstellung der Strom- und Wärmegewinnung auf Solartechnik und den Einsatz von Wärmetauschern, um die 120 Grad heißen Abwässer der Wäscherei zu nutzen. Früher sei seine Firma mit dem Einsatz dieser Technik eher ein Exot in der ländlichen Region gewesen, inzwischen nutzten immer mehr Handwerker erneuerbare Energiequellen - auch als Reaktion auf stark gestiegene Energiepreise, sagte Schildhauer.
Lobenstein, der auch Präsident der Handwerkskammer Erfurt ist, forderte von Landes- und Bundespolitik, es der Wirtschaft leichter zu machen, regionale Lieferketten aufzubauen. Die Kammer setze sich zudem für einen verstärkten Einsatz der Wasserstofftechnologie in Thüringen ein und fordere eine Förderung klimarelevanter Berufe.
Das Handwerk ist in Thüringen mit knapp 30.000 Betrieben und rund 150.000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sein Jahresumsatz lag vor der Corona-Pandemie bei rund 11 Milliarden Euro.