Erfurt Zehntausende bei illegalen Corona-Protesten in Thüringen
Die Zahl illegaler Corona-Proteste sowie die Gesamtzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen nach Angaben der Polizei in Thüringen zu. "Es ist durchaus jeden Tag möglich, dass es zu Protesten kommt. Die Haupttage sind aber Montag, Freitag und Samstag", sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Am Vortag des Jahres waren rund 17 000 Menschen im Land an den unangemeldeten Protesten gegen Corona-Schutzmaßnahmen beteiligt. Das sind nach Einschätzung der Polizei rund 5000 mehr als beim Teilnehmer-Höchststand im Vorjahr gewesen. Unter die Demonstranten mischten sich laut Polizei Politiker sowie Personen aus der "rechten Szene".
Innenminister Georg Maier (SPD) rief die Gesellschaft zu einer deutlichen Reaktion auf die Corona-Proteste auf. "Das, was jetzt gerade stattfindet, alleine der Polizei zu überlassen, das ist nicht in Ordnung", sagte Maier am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Gesamtgesellschaft müsse sich noch stärker dazu positionieren, "um auch den Menschen, die jetzt auf der Straße sind und sich gefühlt als die große Mehrheit sehen, deutlich zu machen: Sie sind es eben nicht", sagte Maier. Die große Mehrheit müsse laut werden. Sie sei ihm aktuell "teilweise noch zu leise".
In Thüringen greifen strikte Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen. Entgegen dieser Regelungen rufen einzelne Akteure, oft aus dem rechtsextremen Spektrum, in regelmäßigen Abständen zu unangemeldeten Demonstrationen gegen die Corona-Politik auf. Die Beamten versuchen diese geschlossenen Züge durch die Städte - soweit möglich - einzudämmen. Zuletzt ist es dabei vermehrt zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen.
Etwa am Montag kam es laut Polizei teils zu Rangeleien, zu "aggressivem Auftreten" einiger Demonstranten und "verbalen Attacken" zwischen zwei Gruppen. In Sömmerda setzten die Beamten deshalb Pfefferspray ein. In Weimar mussten sie zwei Lager voneinander trennen, als etwa 20 Personen versuchten, eine Gruppe von etwa 150 Menschen zu stoppen.
Im Zuge der landesweiten Proteste gab es 78 Platzverweise, 35 Strafanzeigen und 51 Ordnungswidrigkeitsanzeigen. Die meisten Teilnehmer zählte die Polizei in Gera - rund 3500. Unter den Demonstranten war auch ein Bundestagsabgeordneter der AfD. Zudem stellte die Polizei mehrere Personen aus der "rechten Szene" fest.
In Altenburg und Saalfeld kamen nach Schätzungen der Polizei jeweils etwa 1000 Demonstranten zusammen, in Nordhausen 500. Auch hier war den Angaben zufolge ein Bundestagsabgeordneter der AfD dabei. Es handelte sich in allen Fällen um nicht im Voraus angemeldete Versammlungen. Insgesamt wurden landesweit rund 60 Veranstaltungen registriert. "Die Thüringer Polizei wird auch in den kommenden Tagen mit starker Präsenz im Einsatz sein, um die aktuelle Verordnungslage im Zusammenhang mit dem Pandemiegeschehen durchzusetzen", hieß es.
Die Corona-Inzidenz in Thüringen lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) am Dienstag bei 403,4. Der Freistaat ist damit weiterhin eines der Bundesländer, die zurzeit am stärksten von der Pandemie betroffen sind. Derzeit sind in Thüringen 35 Prozent der Intensivbetten für Erwachsene mit Corona-Patienten belegt (Stand Montag). Auf den Intensivstationen werden momentan 219 Corona-Fälle behandelt. Wegen überlasteter Krankenhäuser wurden bislang 30 Intensivpatienten über das Kleeblatt-Prinzip in andere Bundesländer verlegt.