Erfurt Innenministerium: Einheitliches Durchgreifen bei Protesten
Angesichts etlicher geplanter Corona-Proteste zum Wochenende will das Thüringer Innenministerium die Zügel straffer ziehen. In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, dass die Versammlungsregeln bei Protesten gegen die pandemiebedingten Maßnahmen nicht gelten würden und die Behörden untätig neben den Protestierenden stünden, hieß es am Freitag in einem Schreiben des Ministeriums an die Versammlungsbehörden, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. "Es ist daher dringend erforderlich, dass diesem Eindruck entgegengewirkt wird durch konsequentes Handeln aller beteiligten Behörden, insbesondere der Versammlungsbehörden und der Polizei."
Mit einer Handreichung an die Versammlungsbehörden soll ein landesweit einheitliches Durchgreifen erreicht werden. Wenn etwa mehr als die derzeit erlaubten 35 Menschen zu Versammlungen kämen, diese einen Aufzugscharakter hätten oder Teilnehmer sich überwiegend nicht an die Maskenpflicht hielten, seien die Gruppen grundsätzlich aufzulösen, hieß es in dem Papier. Bevor eine Versammlung aufgelöst wird, müssten demnach jedoch andere Auflagen oder Beschränkungen ohne Ergebnis bleiben. Die Polizeibehörden würden ihre Einsätze strikt entsprechend der Handlungsanweisungen planen und durchführen.
Versammlungen sind den Informationen zufolge auch dann als rechtswidrig einzustufen, wenn es keine verantwortliche Person vor Ort gibt, die die Einhaltung der Infektionsschutzregeln sicherstellt, oder kein Infektionsschutzkonzept vorhanden sein sollte. Wenn eine Versammlung nicht angemeldet worden sei, zuvor jedoch in sozialen Medien dafür mobilisiert worden sei, sei diese rechtswidrig. Allein dieser Punkt reiche aber nicht aus, um einen Protest aufzulösen - es müssten weitere Verstöße hinzukommen.
In sozialen Medien wurde für das Wochenende wieder in zahlreichen Thüringer Städten zu Versammlungen aufgerufen. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion ging in einer ersten Einschätzung am Freitag von rund 20 Versammlungen aus. Der Schwerpunkt liege in Ostthüringen. Vergangenes Wochenende waren etwa in Greiz nach Polizeiangaben rund 1500 Menschen auf die Straße gegangen. Erlaubt sind derzeit in Thüringen nur ortsfeste Kundgebungen mit maximal 35 Menschen.
Etliche Thüringer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister riefen am Freitag zum Verzicht an rechtswidrigen Versammlungen auf. "Eine Teilnahme an Zusammenkünften, bei denen weder Abstand gehalten, noch Masken getragen werden, trägt unmittelbar dazu bei, dass die Infektionszahlen weiter steigen und das Gesundheitssystem weiter belastet wird", hieß es in einem am Freitag veröffentlichten Appell von Innenministerium und 18 Stadtoberhäuptern. Sie hätten Verständnis dafür, dass die erneuten Einschränkungen nach 21 Monaten Pandemie eine große Belastung darstellten. Dennoch sei es in der aktuellen dramatischen Lage der Pandemie wichtig, zusammenzustehen und solidarisch gegen Corona zu kämpfen.
Die Stadt Eisenach hat für den Samstag bereits ein Versammlungsverbot im Zusammenhang mit den in den sozialen Medien beworbenen "Hygienespaziergängen" erlassen. Auch Versammlungen mit vergleichbaren Inhalten bleiben verboten, wie die Stadtverwaltung am Donnerstag mitteilte. In mehreren Gruppen im Messenger-Dienst Telegram wurde am Freitag weiter zu einer Versammlung in Eisenach am Samstag aufgerufen.
In Thüringen sei festzustellen, dass Extremisten häufiger als bislang die Corona-Proteste anführten, sagte Innenminister Georg Maier (SPD). Die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt sinke. Maier verwies auf Übergriffe auf Polizisten bei Demonstrationen Ende November und Anfang Dezember in Eisenach. "Der ohnehin harsche Ton in einschlägigen Social-Media-Kanälen hat sich verschärft", betonte er.
Mit Blick auf den überwiegenden Teil der Bevölkerung, der sich verantwortungsvoll verhalte, sagte Maier: "Diese Mehrheit der Bevölkerung erwartet zu Recht von allen staatlichen Behörden die konsequente Anwendung und nötigenfalls auch Durchsetzung der geltenden Corona-Regelungen gerade im öffentlichen Raum."