Erfurt Schlechte Stimmung in der Thüringer CDU-Basis
Die Bundestagswahl war für die Thüringer CDU ein Desaster, erste Rücktrittsforderungen sind laut geworden, und es gibt Rufe nach einer Erneuerung der Partei: Der Kanzlerkandidat, den in Ostdeutschland niemand wollte, soll den Weg frei machen für eine personelle Neuaufstellung der CDU - so liest sich etwa ein offener Brief des CDU-Kreisverbandes Altenburger Land mit Blick auf Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet (CDU). Altenburgs Oberbürgermeister André Naumann (CDU) veröffentlichte den Brief bei Twitter und schrieb dazu: "Liebe Mitglieder des CDU-Bundesvorstandes, bitte nehmen Sie die Basis wieder ernst."
In dem Schreiben des Kreisverbandes heißt es: "Der mit Abstand häufigste Kommentar, den wir in den vergangenen Monaten an den Wahlkampfständen gehört haben, war: "Armin Laschet ist der falsche Kandidat"." Die Entscheidung über die Kandidatur sei gegen die Präferenz der "breiten Bevölkerung getroffen worden", das Wahlergebnis sei die Konsequenz dieser Entscheidung. Für die Thüringer CDU sei es "eine Katastrophe".
Bei der Bundestagswahl erlitten die Christdemokraten im Freistaat einen Absturz: Holten sie bei der Wahl im Jahr 2017 noch alle Direktmandate in den acht Wahlkreisen, schafften sie dies diesmal nur noch in einem Wahlkreis. Vier der acht Direktmandate gingen stattdessen an die AfD, drei an die SPD. Auch bei den Zweitstimmen war der Fall tief: 16,9 Prozent der Wahlberechtigten stimmten für die CDU, bei der Bundestagswahl 2017 waren es noch 28,8 Prozent. In den 90er-Jahren kamen die Christdemokraten im schwarzen Thüringen noch auf Werte jenseits der 40-Prozent-Marke. Die AfD wurde am Sonntag bei der Bundestagswahl in Thüringen erstmals stärkste Partei.
Etwas zurückhaltender als Altenburgs Oberbürgermeister Naumann reagiert der Generalsekretär der Thüringer CDU, Christian Herrgott. Aber auch er sagt: "Aus unserer Sicht ist es so, dass die CDU nach der Wahl keinen Regierungsauftrag hat." Zwar müsse man gesprächsbereit sein, wenn es nicht zu einer Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP komme. "Aber wir sollten eine mögliche Jamaika-Koalition jetzt nicht in den Vordergrund rücken", sagte Herrgott mit Blick auf eine mögliche Koalition aus Union, FDP und Grünen.
In Thüringen gab es bei der Bundestagswahl viele Verlierer. Der bekannteste ist wohl der umstrittene Ex-Bundesverfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (CDU). Er unterlag im Südthüringer Wahlkreis 196 deutlich gegen den populären Olympiasieger und früheren Biathlon-Bundestrainer Frank Ullrich (SPD). Maaßen sagte, er halte es für wichtig, "dass die maßgeblichen Personen im Bundesvorstand auch die persönlichen Konsequenzen aus dem Debakel ziehen".
Auf Nachfrage, welche Personen er im Bundesvorstand meine, sagte Maaßen, "die Personen im Bundesvorstand, die für diese Personalpolitik maßgeblich waren".
Zuvor hatte er der "Neuen Zürcher Zeitung" gesagt: "Aus dem Bundesvorstand sollten einige Leute zurücktreten, auch der Vorsitzende. An der Fraktionsspitze hoffe ich auf Friedrich Merz."
Maaßen, dessen Kandidatur auch in der Union auf Kritik gestoßen war, kündigte an, zunächst weiter als Rechtsanwalt zu arbeiten. Er könne sich auch vorstellen, für die CDU in Südthüringen politisch zu wirken. Er sei dazu in Gesprächen. Auf die Frage, ob er auch in der Thüringer Landespolitik eine Rolle spielen wolle, sagte er: "Ich will das gar nicht ausschließen, aber zunächst einmal muss ich das alles sacken lassen und darüber nachdenken."
Auch einer der CDU-Kreisverbände, die Maaßens Kandidatur vorangetrieben hatten, forderte Konsequenzen aus der Wahlschlappe der CDU im Bund. "Der Parteivorsitzende und der gesamte Vorstand sollten den Weg frei machen für die notwendige personelle und inhaltliche Erneuerung der Union", hatte der Südthüringer Kreisverband wenige Tage nach der Bundestagswahl erklärt.
Die Stimmung an der Basis der Thüringer CDU, so scheint es, könnte besser sein. Der Landesverband will die Wahl aufarbeiten. Dazu soll es am Freitag eine nicht öffentliche CDU-Kreis- und Ortsvorsitzendenkonferenz geben. Es könnte eine erste Gelegenheit sein für die Basis, Dampf abzulassen. Herrgott sagte, man wolle auch eine Mitgliederbefragung starten. Dabei soll es auch um den Prozess der Kanzlerkandidaten-Auswahl gehen. Mit Ergebnissen rechnete Herrgott bis Jahresende.
Als in der Union noch darum gerungen wurde, wer Kanzlerkandidat werden soll, hatte der Thüringer Landesverband deutlich gemacht, dass sich die Basis eher CSU-Chef Markus Söder als Laschet wünschte. Als zuvor noch Friedrich Merz im Rennen um den CDU-Bundesvorsitz war, galten die Thüringer Christdemokraten als Merz-Fans.