Erfurt Wieder mehr Sozialwohnungen: Wirtschaft beklagt Stillstand
Nach Jahren des Rückgangs ist die Zahl der Sozialwohnungen in Thüringen erstmals wieder leicht gestiegen. Im Jahr 2020 gab es im Freistaat 15.085 Sozialmietwohnungen, im Vorjahr waren es 14.971. Seit 2015 ging damit aber immer noch fast ein Fünftel der Sozialwohnungen im Freistaat verloren. Es fielen also deutlich mehr Wohnungen aus der Preisbindung, als neu gebaut wurden. Das geht aus Zahlen des Bauministeriums hervor, die der dpa vorliegen. Das Ministerium hofft, damit den Abwärtstrend bei den Sozialwohnungen gestoppt zu haben. Doch von der Bauwirtschaft gibt es Kritik.
"Die Wohnungen, die 2020 auf den Markt kamen, stammen aus Projekten aus den Jahren 2016 oder 2017", erklärte der Geschäftsführer des Verbandes der Thüringer Wohnungswirtschaft, Frank Emrich. In diesen Jahren habe es tatsächlich attraktive Förderrichtlinien gegeben und Investoren seien zum Bau von Sozialwohnungen motiviert worden. Davon sei heute aber nichts mehr zu spüren: "Momentan haben wir wieder eine Situation des Stillstands." Im Jahr 2021 sei noch kein einziger Förderantrag bewilligt worden.
Eines der Projekte, das derzeit besonders mit dem Stillstand kämpft, ist die Alte Feuerwache in Weimar, wo 23 selbst verwaltete Wohnungen geplant sind. Seit 19 Monaten hänge der Antrag fest, sagte Geschäftsführerin Franziska Bernstein. Für die Bürgerinitiative ein Problem: Laut Kaufvertrag für das Grundstück müsse aktuell mit der Vergabe für den Bau begonnen werden. "Die langwierige Bürokratie kann jetzt dazu führen, dass das Projekt scheitert." Wichtig sei daher zumindest der Bescheid, dass man mit dem Bau beginnen dürfe, ohne die Förderung zu gefährden.
Dazu kommt: In Thüringen stehen dieses Jahr rund 50 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Dem gegenüber stehen Projektanträge in Höhe von 118 Millionen Euro. Das Ministerium wertete das als positive Entwicklung: Dass so viele Unternehmen das Förderangebot nutzen wollten, spreche für den Erfolg des Programms. Man könne aber noch nicht sagen, wie viel tatsächlich bewilligt wird.
Schon 2020 seien Projekte in Höhe von 90 Millionen Euro abgelehnt worden, kritisierte hingegen Emrich. Diese hingen auch dieses Jahr noch in der Bewilligung und kämen nicht voran. Rückblickend habe die Regierung viel richtig gemacht. "Aber dann ist man vom eigenen Erfolg überrollt worden und hat an keiner Stelle die Ressourcen richtig nachgezogen."
Von einer generellen Entspannung auf dem sozialen Wohnungsmarkt spüren auch die Sozialverbände wenig. "Dass der Rückgang des Bestands an Sozialwohnungen im Freistaat gestoppt wurde, sehen wir als eine erfreuliche Entwicklung an, doch noch immer besteht größerer Bedarf", sagte Gottfried Schugens, stellvertretender Landesvorsitzender des Sozialverbands VdK Hessen-Thüringen.
Gerade die Kommunen mit ihren Wohnungsbaugesellschaften müssten mehr tun, um angemessenen Wohnraum für ältere und sozial schwächere Menschen zu schaffen. Dem Rückgang der vergangenen Jahre stünden rund 60 Prozent der Thüringer Haushalte entgegen, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. Auch eine AWO-Sprecherin bekräftigte: "Der Bedarf ist definitiv da."