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Zu hoch gepokert: Landtagsauflösung in Thüringen abgesagt


Erfurt
Zu hoch gepokert: Landtagsauflösung in Thüringen abgesagt

Von dpa
16.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Gescheiterte Landtagsauflösung ThüringenVergrößern des Bildes
Der Plenarsaal des Thüringer Landtag ist für die Sondersitzung am 19. Juli vorbereitet worden. (Quelle: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa-bilder)

Die Auflösung des Thüringer Landtags ist geplatzt, der Weg für die im September geplante Neuwahl ist damit versperrt. Linke und Grüne zogen am Freitag die Reißleine und nahmen ihre Unterschriften unter einem zusammen mit SPD und CDU gestellten Antrag auf Selbstauflösung des Parlaments zurück. Der Grund: Die nötige Zweidrittelmehrheit von 60 der 90 Stimmen im Parlament werde ohne AfD-Stimmen nicht erreicht, erklärten sie. Einen zweiten Anlauf soll es nicht geben.

Die Hoffnung auf stabile politische Verhältnisse in Thüringen wird sich damit vorerst nicht erfüllen. Die Legislaturperiode geht noch bis 2024, Rot-Rot-Grün hat aber keine eigene Mehrheit. Die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) war bei Entscheidungen seit mehr als einem Jahr auf Stimmen der CDU angewiesen. Diese Stabilitätsvereinbarung mit der CDU war jedoch befristet.

Ramelow erklärte, er nehme die Rücknahme des Antrags auf Landtagsauflösung mit Respekt zur Kenntnis. Es gelte nun Sorge zu tragen, dass Entscheidungen für Land, Kommunen und Bürger getroffen werden könnten - das gelte vor allem für den Haushalt 2022.

"Uns ist wichtig, die Auflösung nicht mit Stimmen der AfD zu vollziehen", einer Partei, "der die parlamentarische Demokratie verhasst ist", begründete Linke-Fraktionschef Steffen Dittes die Absage. Er sprach ebenso wie Grüne und SPD von einer bitteren Entscheidung, die für Unverständnis angesichts sorgen werde.

Eigentlich sei eine Neuwahl nötig in der Hoffnung auf stabile Mehrheiten im Parlament in Erfurt, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Die SPD zog ihre Unterschriften nicht zurück, unterstützte aber ihre Koalitionspartner. Eigentlich sollte die Landtagswahl zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September stattfinden.

Kritik und Enttäuschung über den Rückzug kam vom DGB und anderen Organisationen, aber auch von CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Für Thüringen seien damit Chancen vertan worden, so Voigt. Die für Montag einberufene Sondersitzung des Parlaments wurde abgesagt.

Einen zweiten Anlauf für eine Neuwahl schloss die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, aus. Sie sprach von einem Schlussstrich, "weil die Stimmen fehlen". "Es steht einem Parlament nicht an, im Jahresrhythmus über seine Auflösung zu diskutieren", so Dittes.

Hey sprach von einer Schicksalsgemeinschaft, in der Rot-Rot-Grün jetzt sei. Die drei Regierungsfraktionen würden auf CDU und FDP zugehen, "um unter Demokraten zu versuchen, dieses Land auf Kurs zu halten". Voigt erklärte dagegen, mit der parlamentarischen Sommerpause ende die Stabilitätsvereinbarung, die die CDU mit Rot-Rot-Grün hatte. Nach seiner Meinung kann es keine neue geben.

Die stellvertretende Vorsitzende Thüringer Linken, Gesundheitsministerin Heike Werner, will aber mit CDU und FDP darüber sprechen, ob im Parlament demnächst mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt werden kann. Wichtig sei, das nun wieder ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen Rot-Rot-Grün und CDU sowie FDP entstehe, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Ich hoffe, dass sich über die Sommerpause setzt, was hier gelaufen ist" und "dass die Vernunft siegt".

Schwere Vorwürfe machten Vertreter der Bundestagsfraktionen von Linke und SPD der CDU, weil vier ihrer Abgeordnete ein Nein zur Landtagsauflösung angekündigt hatten. "Die CDU entwickelt sich zu einer unzuverlässigen Chaotentruppe, die die Tür zu den Rechtsextremen nicht zubekommt, selbst ein fettes Problem mit Rechten in den eigenen Reihen hat und die, wie eine Staatspartei, Parteiinteressen über das Allgemeinwohl stellt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, der dpa.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, gab auch CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet Mitschuld am politischen Chaos in Thüringen. Er habe in einer grundsätzlichen Frage von bundespolitischer Bedeutung seine Autorität als CDU-Bundesvorsitzender nicht ausreichend eingesetzt, sagte Schneider dem Nachrichtenportal t-online.

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