Erfurt Platzt die Landtagsauflösung in Thüringen? - FDP hilft nicht
Wenige Tage vor der geplanten Landtagsauflösung am 19. Juli in Thüringen wächst die Unsicherheit, ob die von der Verfassung vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit steht. Endgültig werde Rot-Rot-Grün erst am Sonntagabend entscheiden, ob am Antrag auf Landtagsauflösung festgehalten wird, sagten die drei Fraktionsvorsitzenden am Mittwoch in Erfurt. Linke, SPD und Grüne erwägen zudem eine Art Sicherheitsabstimmung in zwei Stufen, sollte an der Landtagssondersitzung am kommenden Montag festgehalten werden. Für die Unsicherheit sorgt die FDP-Ankündigung, die Landtagsauflösung nicht zu unterstützen.
"Stand heute ist: Wir enthalten uns", sagte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich. Er rief die Fraktionen von Linker, SPD, Grünen und CDU auf, ihren gemeinsamen Antrag zur Landtagsauflösung zurückzuziehen, "und somit nicht der AfD die Gelegenheit zu geben, für eine Auflösung des höchsten Verfassungsorgans im Freistaat zu sorgen".
Die Vorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, warf Kemmerich einen Verstoß gegen die demokratischen Spielregeln vor. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sei gefordert, "der Thüringer FDP klarzumachen, dass das so nicht geht", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag).
Einschließlich der Abgeordneten Ute Bergner, die aus der FDP ausgetreten ist, kommen die vier Fraktionen derzeit auf 58 Stimmen, weil vier CDU- und zwei Linke-Abgeordnete aus unterschiedlichen Gründen nicht mitmachen wollen. Gebraucht werden aber 60 Stimmen, um den Landtag aufzulösen und den Weg für seine Neuwahl am 26. September zusammen mit der Bundestagswahl frei zu machen.
Sie werde nicht in eine Abstimmung gehen, "ohne zu wissen, wie sie ausgeht", sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Astrid Rothe-Beinlich. "Nach Adam Ries gibt es derzeit keine Mehrheit für die Auflösung des Landtags." Der Fraktionschef der Linken, Steffen Dittes, bekräftigte, es werde keine Abstimmung geben, wenn sie von Stimmen der AfD-Fraktion abhängig sei. Andererseits sagte er: "Es gibt keine politische Alternative zur Neuwahl." Er sehe keine Basis für eine Zusammenarbeit von Rot-Rot-Grün mit der CDU, die noch drei Jahre trage.
Die Sozialdemokraten würden bis kurz vor der Entscheidung für Stimmen "aus dem demokratischen Spektrum" werben, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Matthias Hey. Bei einer Probeabstimmung hätten sich alle acht SPD-Abgeordneten dazu bekannt, den Landtag mit Stimmen, die nicht von der AfD kommen, auflösen zu wollen.
Hey sprach sich wie auch Rothe-Beinlich und Dittes für ein zweistufiges Abstimmungsverfahren aus, sollte an der Landtagssondersitzung am Montag festgehalten werden. Danach sollen die Abgeordneten bei der Abstimmung zunächst die Hand heben müssen und ihr Votum in einem zweiten Schritt durch Aufstehen vom Platz bekräftigen. Sollte im ersten Schritt klar werden, dass die Landtagsauflösung nur mit AfD-Stimmen möglich wäre, könnten die anderen Fraktionen entsprechend reagieren.
CDU-Fraktionschef Mario Voigt signalisierte Zustimmung, um für dieses Verfahren die Geschäftsordnung des Landtags einmalig anzupassen. "Es wird am Verfahren nicht scheitern", so Voigt. Er gehe davon aus, dass die vorgezogene Landtagswahl ermöglicht wird. Politische Stagnation in Thüringen müsse verhindert werden.
AfD-Fraktionschef Björn Höcke schloss indes eine Verfassungsklage gegen ein zweistufiges Abstimmungsverfahren nicht aus. Eine Entscheidung in seiner Fraktion sei jedoch noch nicht gefallen. "Ich persönlich halte von einem Abstimmungsprozedere mit doppeltem Boden gar nichts", sagte Höcke. Das Abstimmungsverhalten der AfD-Abgeordneten sei frei - die Tendenz gehe zu Enthaltung, sagte Höcke. Er persönlich habe eine gewisse Sympathie für eine Neuwahl.
Abgeordnete der rot-rot-grünen Minderheitskoalition und der CDU hatten Ende Juni einen Antrag bei der Landtagsverwaltung eingereicht, dass das Parlament über seine Auflösung abstimmen soll. Er trug wie vorgeschrieben die Unterschriften von 30 Abgeordneten, auch die von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Die Hoffnung der Parteien bei einer vorgezogenen Landtagswahl war, dass es danach eindeutige Mehrheiten im Erfurter Parlament gibt.