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Düsseldorf: So lief die Gerichtsverhandlung auf dem Worringer Platz


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Streit um Worringer Platz
So lief die verrückteste Gerichtsverhandlung Düsseldorfs

Marc Latsch

07.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Richter Erfried Schüttpelz (l.) mit seinen Kollegen: Er leitete die Gerichtsverhandlung am Worringer Platz.Vergrößern des Bildes
Richter Erfried Schüttpelz (l.) mit seinen Kollegen: Er leitete die Gerichtsverhandlung am Worringer Platz. (Quelle: Marc Latsch)

Das Oberlandesgericht verhandelte am Donnerstag direkt auf dem Worringer Platz. Weit kamen die Richter nicht, erlebten dafür aber einen ihrer skurrilsten Arbeitstage.

Der Worringer Platz ist an diesem Donnerstagnachmittag voller Menschen. Das ist für sich genommen nicht außergewöhnlich. Doch sie tragen Hemden, teils Anzüge, haben Aktentaschen dabei, und um sie herum filmen Kameras, werden Mikrofone in die Luft gehalten. Sie alle sind hier aus einem gemeinsamen Grund: für die Verhandlung des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Der Hauptdarsteller der Verhandlung verläuft einmal quer über den Platz. Es ist ein Zaun.

Es geht um einen Streit, der seit zwei Jahren andauert. Damals errichtete ein Pizzeria-Betreiber am Worringer Platz jenen Zaun, den die Stadt genehmigte, gegen den dann aber die Architektin des Platzes eine Unterlassungsklage einreichte. Ihr geht es darum, dass der Zaun ihr Werk zerstöre. Das Landgericht wies ihre Klage ab, nun ist der Fall vor dem Oberlandesgericht gelandet. Und das traf sich am Donnerstag zum Ortstermin.

Straßenlärm und Geschrei

Es ist eine Gerichtsverhandlung am Limit und teils darüber hinaus. Der Vorsitzende Richter Erfried Schüttpelz hat sich an den Rand des Platzes, gleich außerhalb des Zaunes, gestellt. Um ihn herum hat sich eine Menschentraube gebildet: Verfahrensbeteiligte, Journalisten, interessierte Zuschauer, Menschen, deren Lebensmittelpunkt der Worringer Platz ist. "Hiermit eröffne ich die mündliche Verhandlung", sagt er. Dann fährt die Straßenbahn ein. Die Beteiligten sind immer wieder kaum zu verstehen. Mal übertönt ein Automotor ihre Stimmen, dann ist es einfach nur das Geschrei von der anderen Straßenseite.

Das Verfahren wirkt dem Grundsatz nach wie ein simpler Nachbarschaftsstreit, wenn auch in diesem Fall nicht der Nachbar, sondern die Architektin klagt. Zaun ja oder Zaun nein? Dass der Fall so viel Aufmerksamkeit erhält, liegt an etwas anderem. Der Worringer Platz ist seit jeher der Treffpunkt der Düsseldorfer Drogenszene. Dass der Zaun gebaut wurde, hat damit zu tun. Er habe seine Gäste schützen müssen, sagt der Beklagte. Dass sich dagegen so viel Widerstand regt, hat ebenfalls mit der Szene zu tun. Es geht um die Frage: Wem gehört der Platz? Am Rand des Platzes hat der Verein "Fiftyfifty" ein Plakat aufgehängt. "Keine Gitter, keine Zäune gegen Obdachlose und suchtkranke Menschen", steht darauf.

Passantin ruft dazwischen: "Er soll die Fresse halten"

Auf der Suche nach dem Kunstwerk gehen Richter, Anwälte, Klägerin und Beklagter verschiedene Stationen auf dem Platz ab. Sie wollen herausfinden, was von der einstigen Lichtinstallation der Architektin noch übrig ist und wie sehr der Zaun den Charakter des Platzes beeinträchtigt. Das wirkt manchmal wie eine recht gewöhnliche Gerichtsverhandlung, artet immer wieder aber auch in Durcheinander aus. Das Publikum ist gemischt. Zwischendurch kommen auch Menschen dazu, die offensichtlich zur ortsansässigen Szene gehören. Ein Mann im schwarzen Unterhemd schüttelt die ganze Zeit vehement den Kopf. Sein kleiner Hund läuft zwischen den Zuschauern umher.

Ein Ziel erreicht dieser Ortstermin: So nah kamen Richter wohl nur selten dem Leben fernab ihres Gerichtssaals. An einer Ecke des Platzes will der beklagte Pizzeria-Pächter den Richtern etwas zeigen, doch sitzen rund ein Dutzend Menschen im Weg. Einer von ihnen setzt sich gerade eine Nadel an den Arm, ein anderer hat eine Pfeife in der Hand. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, hinter den Straßenbahngleisen, läuft ein Pärchen durch die Menschentraube. "Er soll die Fresse halten", sagt die Frau.

Richter: "Wir machen jetzt gar nichts"

Nach vier Stationen zwischen praller Sonne und Straßenlärm wirkt Richter Erfried Schüttpelz schon sichtlich mitgenommen. Er atmet einmal tief durch und sagt: "Ich weiß noch nicht, was wir machen wollen." Die Anwälte beider Seiten tragen noch einmal ihre Argumente vor. Zu hören ist das alles kaum. Der Lärm. Dann ziehen sich die drei Richter zur Beratung zurück. Statt eines Beratungszimmers bleibt dazu heute nur ein kleiner Platz im Schatten zwischen Pizzeria und Zaun. Das dauert vielleicht zwei Minuten. "Wir machen jetzt gar nichts", sagt Schüttpelz dann.

Beide Seiten haben nun noch einmal drei Wochen Zeit, Bilder und Dokumente nachzureichen. Dann wird irgendwann entschieden, ob der Zaun bleiben darf oder nicht. Im Gerichtssaal, in aller Ordnung und ohne Straßenlärm.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. August 2023 (per E-Mail)
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