Bei Tempo 50 Wie ein schleichender Rentner auf der Autobahn protestiert
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In seiner blauen Ape ist Manfred Schenk auf den deutschen Autobahnen unterwegs, um für ein Tempolimit zu werben. Auch durch die Ruhrgebietsstädte fährt er für seine Ziele. Doch das kommt nicht bei jedem gut an.
Manfred Schenk ist fit in Zahlen. Er weiß: 122 Autobahnen gibt es in Deutschland, 60 Stundenkilometer beträgt die Mindestgeschwindigkeit, Lkw sind bis zu vier Meter hoch und kaum mehr acht Jahre sind es, bis die deutschen Klimaschutzziele im Jahr 2030 auf dem Prüfstand stehen.
Das Tempo, in dem Schenk all diese Zahlen in unverblümtem Ruhrpottdeutsch herunterbetet, ist schon beinahe schneller als das, was er sich für deutsche Autobahnen vorstellt: 110 Stundenkilometer sollen das Limit sein. Dafür fährt der 63-Jährige, dem das graue Haar in die Stirn fällt, seit mehreren Monaten Hunderte von Kilometern mit seiner blaue Ape auf den Autobahnen der Bundesrepublik.
Klima retten für Enkelkinder
Dabei war der Kleintransporter eigentlich für etwas ganz anderes gedacht. Ursprünglich angeschafft hat Schenk die Ape nämlich, als er Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Hagen werden wollte.
Doch statt eines Wahlkampfmobils ist sie nun Kampagnenfahrzeug für eine ganz andere Mission geworden: Das Klima retten, oder zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen. "Meine Frau und ich haben sechs Kinder und acht Enkelkinder. Ich könnte mir nicht verzeihen, nichts für ihre Zukunft getan zu haben", sagt er.
Mit 55 km/h über die Autobahn
Er selbst gehöre zu der Generation, die maßgeblich am schlechten Zustand des Planeten beteiligt sei. Mit einem Tempolimit, so glaubt Schenk, lasse sich schnell etwas erreichen. "Man muss nur ein paar Schilder aufstellen. Das geht deutlich leichter, als alle Kohlekraftwerke abzuschalten. Verbesserte Verkehrssicherheit kriegt man noch inklusive", sagt der Hagener. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine dar. Erst kürzlich stimmten die Umweltminister der Bundesländer einstimmig für ein Tempolimit auf der Autobahn.
Mit höchstens 55km/h schleicht Schenk deshalb mit seiner Ape über die Straßen im Ruhrgebiet. Auf den Autobahnen flattern seine Fahnen im Wind. Zudem hat er ein Transparent angebracht, das auf seine Initiative aufmerksam macht. "Opa Manni" nennt Schenk sich selbst, und auch seine Enkelkinder und sein Bekanntenkreis nennen ihn so.
"Rechtlich alles sauber"
"Meine Ape könnte 64 km/h fahren, also rechtlich alles sauber", sagt Schenk. Nur bei den 3,70 Meter hohen Fahnen, die er beidseitig an das Fahrzeug montiert hat, müsste die Polizei ein Auge zudrücken. "Ich sorge aber nicht für Stau", betont Schenk. Auf Autobahnen werde er von den anderen Autofahrern einfach überholt. Er mache dort nur gute Erfahrungen mit den Auto- und Lkw-Fahrern.
In den Städten ist das allerdings anders. Hier stößt seine Aktion nicht immer auf breite Begeisterung. "Ich bekomme oft einen Vogel gezeigt oder werde beschimpft", gibt Schenk zu. Auch innerhalb der Ruhrgebietsstädte ist Schenk unterwegs, lässt über Lautsprecheranlagen ein Band ablaufen und holt damit die Massen an die Wohnungsfenster.
Noch nicht müde vom Widerstand
Wie man auf sich aufmerksam macht, das weiß Schenk allerdings schon länger. Ausstellungen über Fleischkonsum hat er schon in seine Heimatstadt geholt, ebenso wie eine Eisenbahnweiche vor das Rathaus gelegt – um die Weichen für die Zukunft neu zu stellen.
Müde vom Widerstand ist Schenk noch nicht. "Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal hat mich noch einmal bestärkt", sagt er. Eigentlich wollte er seine Aktion schon vorher beenden, dann hing er noch einmal sechs Monate dran.
Eingesetzt hat der Lebenswandel schon vor über 30 Jahren, mit der Geburt seiner Tochter: Kein Fleisch mehr, in den Urlaub nur noch mit dem Zug. "Sonst fahre ich kein Auto mehr, ich bin nur mit dem Fahrrad unterwegs", sagt er. Doch wie lange möchte er das noch durchziehen?
Mitstreiter gesucht
"Mein erstes Ziel ist erreicht, wenn ich Mitstreiter finde", sagt Schenk. Obwohl er dafür auf seiner Ape wirbt, hat sich bislang noch niemand gemeldet, der mitmachen möchte. Und so tuckert Schenk weiter, Kilometer für Kilometer.
In Sorge um "Opa Manni" ist vor allem seine Ehefrau. "Ich habe ihr versprochen, dass ich bis Ende des Monats aufhöre, wenn ich keine Anhänger gefunden habe", sagt Schenk.
Und wenn er doch Mitstreiter findet? Dann sollen weitere Ziele folgen: "Ich wünsche mir, dass wir als Korso über die Autobahn fahren", sagt er. Und noch einen dritten Schritt gebe es, den aber verrät "Opa Manni" nicht. Nur so viel: "Nur auf Autobahnen fahren, das tut nicht weh".
- Eigenes Gespräch mit "Opa Manni"