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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wiedersehen mit dem Ex-Trainer BVB unter Bosz: Vom Spektakel zur Schmach
Wenn der BVB in Eindhoven spielt, gibt es ein Wiedersehen mit Ex-Trainer Peter Bosz. Das erinnert an eine wilde Zeit – und ein denkwürdiges "Jahrhundertderby".
Ein Blick auf die Tabelle der holländischen Eredivisie genügt, um einzuschätzen, worauf sich Borussia Dortmund am Dienstagabend in der Champions League einstellen muss. Der Gegner im Achtelfinale, die PSV Eindhoven, führt die heimische Liga mit der stolzen Bilanz von 62 Punkten aus 22 Spielen ungeschlagen an und lässt besonders mit ihrem Torverhältnis aufhorchen.
Im Schnitt kassierte man nicht einmal in jeder zweiten Partie einen Gegentreffer, schoss selbst aber durchschnittlich jedes Mal mehr als drei Tore – 70:10 lautet die imponierende Torbilanz. Das klingt nach einer stürmischen PSV-Elf – und genau das ist es auch, was die BVB-Fans mit Eindhovens Trainer verbinden.
2017 war Bosz noch Trainer bei Dortmund
Kein halbes Jahr stand Peter Bosz 2017 bei der Borussia an der Seitenlinie. Diese Monate aber hatten es in sich und bescherten den Dortmundern damals eine wilde Zeit mit spektakulären Siegen und ebensolchen Niederlagen. Im Sommer 2017 hatte der Niederländer das Erbe von Thomas Tuchel beim BVB angetreten und schnell Pluspunkte gesammelt. Mit seiner ruhigen, sympathischen Art, die sich so deutlich von seinem Vorgänger unterschied, gewann er die Sympathien. Und er wurde seinem Ruf, begeisternden Offensivfußball spielen zu lassen, gerecht.
Was die Fans in den ersten Partien unter Bosz auf dem Rasen sahen, machte Spaß – auch das unterschied sich vom taktisch geprägten Kick der Tuchel-Ära. Mit Ajax Amsterdam hatte der Coach das Endspiel der Europa League erreicht dank einer schnellen, aggressiven und attraktiven Spielweise, die an sein Trainer-Vorbild Johan Cruyff erinnerte. Und mit einer extrem jungen Mannschaft, die damals gerade ein Durchschnittsalter von 22,7 Jahren hatte. Zwei Kriterien, die ihn für europäische Top-Klubs interessant machten – der BVB schlug zu. Und Peter Bosz lieferte ab, zumindest zunächst. Geschwindigkeit und Spektakel wurden auch in Dortmund zu seinen Begleitern; die Borussia feierte erstmals seit der Ära Klopp die Rückkehr der Abteilung Attacke.
Bester Saisonstart der Vereinsgeschichte – dann der Einbruch
Aus den ersten sieben Bundesligapartien holte der BVB 19 Punkte, erlebte den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte und stand mit fünf Punkten Vorsprung auf den FC Bayern an der Tabellenspitze. Umso krasser der Einbruch in den folgenden Wochen, in denen die Bosz-Elf aus den nächsten acht Spielen nur noch mickrige drei Zähler holen konnte. Nach 15 Spieltagen hatte sich Dortmund nicht nur ganz nebenbei sieglos aus der Champions League verabschiedet, sondern stand plötzlich mit 13 Zählern Rückstand auf die Münchner Bayern da. Das Projekt Bosz war komplett vor die Wand gefahren.
Zum Knackpunkt war dabei die extrem offensive Ausrichtung der Mannschaft geworden, die nicht alle Spieler mitgehen konnten oder wollten. Deutlich wurde das schon zu Zeiten, als es vordergründig noch perfekt lief. Gegen Köln gewann der BVB 5:0, gegen Gladbach 6:1. Und doch fehlte schon in diesen Duellen die Balance im Spiel – der Hauptvorwurf, den sich Peter Bosz gefallen lassen musste. In der typischen 4-3-3-Ordnung forderte er Dauerpressing, die Verteidiger rückten hoch auf. Das war auf der einen Seite pures Spektakel, auf der anderen Seite aber ließ die Mannschaft viel zu viele Chancen zu. Er hielt an seiner risikohaften Spielweise fest, reagierte erst spät im Winter mit Änderungen – zu spät.
Im "Jahrhundertderby" verlor Bosz die Unterstützung der Fans
Da war sein Verhältnis zu den Profis bereits nachhaltig gestört und das Vertrauen der Vereinsführung verspielt. Mit nur einem Spiel hatte es Peter Bosz zudem geschafft, auch die Unterstützung der Fans zu verlieren. Eine Partie, von der der damalige Sportdirektor Michael Zorc später sagen sollte, sie habe die ganze Spielzeit unter Bosz zusammengefasst und abgebildet. Es war das Revierduell gegen Schalke, das als "Jahrhundertderby" in die Geschichte eingegangen ist.
An jenem 25. November 2017 hatte der BVB dank seiner Offensivpower zur Halbzeit schon 4:0 geführt, die Gäste standen vor einer der spektakulären Demütigung. Am Ende hieß es aber 4:4, Schalke feierte nach einer ebenso spektakulären Aufholjagd einen gefühlten Sieg. Und ganz Dortmund ächzte unter der bitteren Schmach. Anfang Dezember zog der Verein den Schlussstrich, Peter Bosz musste gehen.
Ein so hoffnungsvoll gestartetes Experiment war nach nur 24 Pflichtspielen gescheitert. Wenn man sich jetzt wieder trifft, hegt zumindest der heute 60-Jährige aber keinen Groll auf seinen Ex-Klub: "Das ist lange her!"
- Eigene Recherchen