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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Topspiel bei der Eintracht Macht Gio Reyna für den BVB den Unterschied?
Seit dem Ende der Leidenszeit von Giovanni Reyna geht es bergauf mit der BVB-Offensive. Der US-Boy könnte auch in Frankfurt zum Unterschiedsspieler werden.
Als er vor einer Woche mit einem feinen Schlenzer den Ball im Stuttgarter Tor versenkt hatte, da war für Giovanni Reyna für einen Moment alles vergessen. Die lange Leidenszeit, in der er nicht vor den Ball treten konnte, die schweren Verletzungen, die ihn immer wieder zurückgeworfen hatten. In diesem Augenblick zählte einfach nur, in einem Bundesligaspiel wieder für den BVB aufzulaufen und das Tor zu machen. Der Rest war Jubel, die Zeigefinger gen Himmel gerichtet, lang ausgestreckt auf dem Rasen. Und eine Spielertraube über ihm, die erahnen ließ, wie sehr sich alle für den 19-Jährigen freuten.
Trotz seines noch jungen Alters weiß man beim BVB nur allzu gut, was man an dem US-Amerikaner hat. Und man sieht es dem Offensivspiel der Borussia auch direkt wieder an, dass Reyna mit dabei ist. "Er bringt uns Effektivität vorne, Klarheit. Und Ballbesitz, weil er richtig gut darin ist, den Ball zu behalten", lobte Edin Terzić nach dem Comeback des Youngsters gegen Stuttgart. Sebastian Kehl hob besonders dessen "unglaublich hohe Spielintelligenz" hervor. Einen wie ihn mit seinen Fähigkeiten und Impulsen allein als Option zu haben, wenn man an diesem Samstag zum Duell der Champions-League-Teilnehmer bei Eintracht Frankfurt antreten muss, kann die Stimmung deutlich heben.
Giovanni Reyna: Für sein junges Alter erstaunlich abgeklärt
Mit seiner Lauf- und Dribbelstärke gibt er dem Spiel der Dortmunder noch einmal eine neue Dynamik und Raffinesse, tritt dabei für sein Alter aber schon erstaunlich abgeklärt auf. Und weil er im Mittelfeld flexibel einsetzbar ist und es in verschiedenen Systemen versteht, seine kreativen Stärken auszuspielen, bieten sich auch Edin Terzić mit der Rückkehr Reynas wieder mehr Möglichkeiten. "Gio", wie sie ihn in Dortmund rufen, kann im Mittelfeld als Achter und auch auf dem Flügel helfen, obwohl er kein klassischer Außenbahnspieler ist und von dort eher ins Zentrum zieht.
"Ihn zeichnet sein sehr feines Gespür dafür aus, in welchen Räumen er sich bewegen muss und wo er zwischen den gegnerischen Linien aufdrehen kann", hat einst schon der ehemalige Sportdirektor Michael Zorc anerkennend bemerkt. Auch Terzić sieht Reyna bevorzugt zwischen den Ketten, "wo er aufdrehen und kombinieren kann".
Sein außerordentliches Talent wurde Giovanni Reyna schon in die Wiege gelegt. Papa Claudio, heute Sportdirektor in Austin, war früher selbst in Leverkusen und Wolfsburg aktiv. Mama Danielle Egan kickte ebenfalls für die US-Nationalmannschaft. In Dortmund hatte man sich schon früh um das Juwel bemüht. 2019 kam er mit nur 16 Jahren aus New York ins Ruhrgebiet. Damals nahm ihn Lucien Favre gleich mit ins Trainingslager der Profis. Und das Urteil des Schweizer Trainers fiel eindeutig aus: "Im Training sieht man, dass er etwas Besonderes hat. Wer das nicht sieht, ist blind."
Zwei Tore in den ersten drei Partien der Vorsaison
In der U19 der Dortmunder trumpfte der Rechtsfuß derart auf, dass er schnell regelmäßig im Profi-Kader mittrainierte. Im Januar 2020 folgte die Bundesliga-Premiere gegen Augsburg. In der Spielzeit 20/21 war sein Name 23-mal in der Startformation zu finden; er absolvierte 32 Bundesligaspiele, kam dabei auf vier Treffer. Der Start in die Vorsaison knüpfte daran nahtlos an. Der BVB erlebte den Gio Reyna, der beim Zuschauen so viel Spaß macht und für die Mannschaft so wertvoll sein kann. In den ersten drei Partien knipste der US-Boy gleich zweimal.
Gio Reyna war auf bestem Weg, seiner steilen Karriere beim BVB ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Und wurde vom Schicksal doch brutal zurückgeworfen. Eine leidige Muskelverletzung setzte ihn bis zum Beginn dieses Jahres außer Gefecht, die erste richtig lange Verletzungspause in der Karriere des 19-Jährigen. Die geplante Rückkehr immer wieder verschieben zu müssen – das zerrte an den Nerven. "Er musste lernen, damit umzugehen. Es hat viele Gespräche gebraucht. Man hat gemerkt, dass das was mit einem Jungen macht, wenn er so lange nicht mit der Mannschaft trainieren kann", bestätigte Sebastian Kehl.
Von Verletzungen geplagt: "Ich hatte keine Sommerpause"
Als Gio im Februar endlich sein Comeback feierte, sollte das nicht lange dauern. Nur zwei Monate später musste er gegen Stuttgart schon nach sechs Minuten unter Tränen den Platz verlassen. Wieder war es eine Muskelverletzung, wieder sollte es eine lange Pause bedeuten und für das Talent ein tiefes Tal. Eine Zeit, in die Reyna jetzt nach seiner Rückkehr in die Startelf – wiederum gegen Stuttgart – einen kleinen Einblick gewährte.
"Es war viel harte Arbeit hinter den Kulissen. Ich hatte keine Sommerpause, hatte täglich fünf bis sechs Stunden Reha." Das durchzuziehen, kann einem so jungen Spieler nicht leichtfallen. Aber Gio Reyna verlor nie seinen Antrieb: "Ich weiß nicht, ob das alle schaffen würden. Aber ich war hungrig darauf, auf den Platz zurückzukehren."
Diesen Hunger sieht man seinem Spiel an, was nicht nur der VfB leidvoll erfahren musste. Auch am Dienstag gegen Manchester City leistete der Amerikaner seinen Teil, der Guardiola-Elf ein Remis abzutrotzen. Und jetzt auch in Frankfurt? Edin Terzić wird abwägen, was er seinem Edeltalent physisch zumuten kann. Nur nicht wieder eine Verletzung riskieren, nur nicht wieder einen Rückschlag erleben. Geduld ist ein steter Begleiter des 19-Jährigen geworden. Was Gio Reyna aber nicht daran hindert, sich Ziele zu setzen. In ein paar Wochen, hat er angekündigt, "bin ich bei 110 Prozent".
- Eigene Recherchen und Beobachtungen