Frage zur Notwehr weiterhin offen Getöteter 16-Jähriger: Nur ein Polizist schoss
Die tödlichen Schüsse auf den 16-Jährigen in Dortmund sind laut LKA nur aus der Maschinenpistole eines Polizisten gefallen. Fragen zur Notwehr bleiben offen.
Im Fall um einen erschossenen 16-Jährigen in Dortmund sind die Schüsse nur aus der Maschinenpistole eines Polizisten gefallen. Das geht aus einem Bericht der Landesregierung an den Rechtsausschuss vom Montag hervor. Ein einzelner Zeuge hatte ausgesagt, dass auch der Einsatzleiter geschossen habe. Das scheint nach Untersuchungen des Landeskriminalamts (LKA) ausgeschlossen.
Laut dem LKA stammten die Patronenhülsen am Tatort alle aus der Maschinenpistole, nicht aber aus der Dienstwaffe des Einsatzleiters. "Die durch das Landeskriminalamt NRW durchgeführte Untersuchung der am Geschehensort aufgefundenen Geschosshülsen hat ergeben, dass diese nicht aus der Dienstwaffe des Einsatzleiters, sondern sämtlich aus der Maschinenpistole abgefeuert worden sind", wird der Dortmund Staatsanwalt Carsten Dombert im Bericht zitiert.
Gutachten sollen weitere Aufschlüsse bringen
Alle weiteren Fragen zu dem Fall sind laut Justizministerium noch offen. Auch die Auswertung der beschlagnahmten Mobilfunkgeräte der Polizeibeamten dauere laut Dombert noch an.
Es hätten sich aber noch zwei weitere Zeuginnen der Jugendeinrichtung gemeldet, die demnach verhört worden sind. Nun warte man das von LKA in Auftrag gegebene Gutachten zur Dienstwaffe des Dienstgruppenleiters sowie die gutachterliche Stellungnahme des Taser-Herstellers Axon ab. Gleiches gelte für das beim BKA in Auftrag gegebene Tonspurgutachten zum mitgeschnittenen Notruf.
Frage der Notwehrlage bleibt weiterhin offen
Neue Erkenntnisse, wie der Getötete das Messer zum Zeitpunkt der Schussabgabe gehalten habe, liegen laut dem Staatsanwalt ebenso nicht vor, wie darüber, aus welchem Grund die
Beschuldigten das Pfefferspray, den Taser und die Maschinenpistole einsetzten. "Gleiches gelte für die Frage, inwiefern eine Möglichkeit bestanden hätte, deeskalierend vorzugehen", wird der Staatsanwalt im Bericht zitiert.
Am 8. August war ein 16 Jahre alter Flüchtling aus dem Senegal in Dortmund von einem Polizisten mit dessen Maschinenpistole erschossen worden. Die kritische Frage ist, ob und wie der Jugendliche mit einem Messer auf die Beamten zugegangen ist. Die Polizei hatte nach der Tat erklärt, Mouhamed sei mit dem Messer auf sie losgegangen, man habe schießen müssen, um die Einsatzkräfte zu retten. Doch hat Mouhamed D. die Polizei vor seinem Tod tatsächlich mit einem Messer attackiert?
Es gibt kein Videomaterial vom Einsatz
Die Staatsanwaltschaft äußerte hierzu bereits im September starke Zweifel an den Aussagen der am Fall beteiligten Polizisten. "Sehr zeitnah" nach dem zweiten Schocker "oder gegebenenfalls zeitgleich" habe der Polizeischütze demnach das Feuer auf den 16-Jährigen eröffnet – das stelle die Frage in den Raum, inwiefern Mouhamed überhaupt Zeit gehabt hätte, mit dem Messer auf sie loszugehen, wie es die Polizisten behaupten, sagte Staatsanwalt Carsten Dombert dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Weil sämtliche Bodycams ausgeschaltet waren, gibt es kein Videomaterial vom ganzen Einsatz – eine Tonaufnahme ist jedoch dank des Betreuers, der den Notruf absetzte, vorhanden.
Die rechtliche Klärung der Frage, ob für die beteiligten Polizistinnen und Polizisten eine Notwehrlage vorlag, bleibt also weiterhin offen.
- Mit Material der dpa
- Landtag NRW: Aktueller Sachstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung zu den Schüssen auf einen 16-jährigen am 08.08.2022