Konferenz in Wilhelmshaven Wattenmeer unter Druck: Was die Politik jetzt tun will
Klimakrise, Artenschwund und zunehmende Industrialisierung bringen das Wattenmeer in Not. Die drei Anrainer vereinbarten nun ein Schutzkonzept.
Mehr natürlicher Klimaschutz, Sicherheit in der Schifffahrt und gemeinsame Forschung: Deutschland, Dänemark und die Niederlande haben bei ihrer gemeinsamen Wattenmeerkonferenz in Wilhelmshaven vereinbart, noch enger beim Schutz des Unesco-Weltnaturerbes zusammenzuarbeiten.
Dabei helfen soll auch ein übergreifender Managementplan, der während der deutschen Präsidentschaft der Wattenmeerzusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren erarbeitet wurde. Mit ihm sollen die Bemühungen, die es für den Wattenmeerschutz in den Ländern gibt, besser koordiniert werden.
"Die Stärke ist jetzt, dass wir einen Plan haben, der jetzt in die Umsetzung gehen kann", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Bettina Hoffmann, die für die erkrankte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) an der Konferenz teilnahm. Bei der alle vier Jahre stattfindenden Regierungskonferenz stimmen Regierungsvertreter der Wattenmeer-Anrainer ihr gemeinsames Handlungsprogramm ab. In vielen Workshops und Veranstaltungen diskutierten auch mehr als 250 Expertinnen und Experten von Verbänden und Institutionen. Nun wird Dänemark die Präsidentschaft übernehmen.
Natürlicher Klimaschutz
Wegen der andauernden Regierungsbildung in Dänemark wurde die Unterzeichnung einer gemeinsamen Deklaration, wie sie sonst bei den Wattenmeerkonferenzen üblich ist, in Wilhelmshaven aufgeschoben. Sie soll nun nach dem Amtsantritt einer neuen Regierung in Dänemark erfolgen. Die Staaten definierten aber in einer gemeinsamen Erklärung Handlungsfelder. Ein Überblick:
"Auch das Wattenmeer kann einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen Klima- und Biodiversitätskrise leisten", sagte Hoffmann. So könnten etwa Salz- und Seegraswiesen "erhebliche Mengen" klimaschädlicher Gase aufnehmen. "Diese Funktion möchten wir durch umfangreiche Maßnahmen im Rahmen des Aktionsprogrammes Natürlicher Klimaschutz zusammen mit den Küstenländern stärken", sagte Hoffmann.
Um die Folgen des Klimawandels und menschlicher Aktivitäten für das Wattenmeer genauer zu erforschen, wollen die Anrainer ein koordiniertes Forschungsprogramm etablieren. Dazu sollen Mittel in der Höhe von 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, Deutschland will davon elf Millionen Euro stellen. Mit der gemeinsamen Forschung sollen auch Grundlagen und Maßnahmen erarbeitet werden, um das Wattenmeer widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen.
Gleichgewicht entscheidend
Umweltschutzverbände hatten von den Anrainern gefordert, einen Ausstieg aus der Förderung von Öl und Gas im Wattenmeer bis 2030 zu vereinbaren. Dazu gab es von den Anrainern keine gemeinsame Zielsetzung. Die Regierungsvertreter verwiesen auf nationale Pläne. Christianne van der Wal, niederländische Ministerin für Naturschutz und Stickstoff, sagte, sowohl der Naturschutz als auch wirtschaftliche Aktivitäten seien im Wattenmeer notwendig. "Ich denke, es ist falsch, einfach zu sagen: Wir hören mit wirtschaftlichen Aktivitäten komplett auf, sondern man muss ein Gleichgewicht schaffen, damit beides erreicht werden kann."
Abstimmen wollen sich die Wattenmeer-Nachbarn beim Ausbau der Offshore-Windenergie, die in den nächsten Jahren in der Nordsee vorankommen soll und auch das Wattenmeer betrifft. "Da ist genau die Aufgabe, dass wir das so machen, dass der Eingriff möglichst minimiert wird", sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Um nicht immer wieder Stromleitungen von den Windparks ans Festland durch das Wattenmeer legen zu müssen, sollten Trassen gebündelt und Kabel leistungsfähiger werden.
Mehr Sicherheit im Schiffsverkehr
Um Havarien wie die des Containerfrachters MSC Zoe 2019 zu verhindern, vereinbarten die Staaten, das vor 20 Jahren für das besonders empfindliche Wattenmeer eingerichtete Schifffahrtssondergebiet zu evaluieren und möglicherweise bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation weitere Maßnahmen für einen besseren Schutz vorzuschlagen. Welche das sein könnten, blieb zunächst offen. In der Diskussion war zuletzt etwa der verpflichtende Einbau von Neigungssensoren in Schiffen, mit denen Kapitäne frühzeitig vor Havarien gewarnt werden können.
Umweltschutzverbände wie der WWF sehen trotz der vereinbarten Vorhaben weiteren Handlungsbedarf. "Die Unterwasserwelt der Nationalparke im Wattenmeer kann weiter auf fast der gesamten Fläche befischt werden, ein Ende der Förderung von fossilem Öl und Gas selbst im Schutzgebiet ist immer noch nicht in Sicht, und Hamburg will Millionen von Tonnen Elbschlick bei der Vogelinsel Scharhörn deponieren, mit großem Schaden für die Nationalparke", bemängelte der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros, Hans-Ulrich Rösner.
Auch am Rande der Konferenz wurden Vereinbarungen für mehr Umweltschutz getroffen. 39 Umweltschutzverbände, Hafengesellschaften und Wirtschaftsverbände vereinbarten etwa, Schifffahrt und Häfen im Weltnaturerbe nachhaltiger zu gestalten. Demnach sollen etwa die Lichtverschmutzung verringert und Baggerarbeiten in Häfen naturverträglicher werden.
Bereits am Montag verpflichteten sich deutsche Motorjachtvereine und Seglerverbände in einer freiwilligen Erklärung, den Ausstieg aus fossilen Antrieben in der Freizeitschifffahrt voranzutreiben. Demnach wollen die Unterzeichner, dass von 2026 an keine neuen Schiffe und Boote mit einem fossilen Verbrennerantrieb mehr angeschafft werden.
- Nachrichtenagentur dpa