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Trump telefoniert mit Putin: Was bedeutet das Gespräch für Europa?


Nach Telefonat zwischen Putin und Trump
"Europa steht mit der Ukraine-Unterstützung allein da"


Aktualisiert am 20.05.2025Lesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin (l.) und Donald Trump geben sich während des G20-Gipfels 2019 in Osaka die Hand (Archivbild): Seit Januar haben die beiden Staatschefs dreimal miteinander telefoniert. (Quelle: Susan Walsh/dpa)
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Das Telefonat zwischen Putin und Trump enttäuscht sowohl Europa als auch die Ukraine. Der US-Präsident hält sich an seine eigenen Drohungen nicht. Was bedeutet das für die Europäer?

Das Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin war mit Spannung erwartet worden. Übrig blieb dann jedoch auf ukrainischer und europäischer Seite vor allem eines: Enttäuschung. Laut einem Bericht der "Financial Times" sollen die Europäer den Eindruck gewonnen haben, dass Trump nicht bereit sei, Putin durch größeren Druck an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Der Kremlchef hatte nach dem Telefonat am Montag erklärt, Russland sei bereit, gemeinsam mit der ukrainischen Regierung ein "Memorandum" zur Vorbereitung eines "möglichen künftigen Friedensabkommens" zwischen beiden Staaten auszuarbeiten. Trump teilte im Anschluss mit, Russland und die Ukraine würden "sofort" Verhandlungen über eine Waffenruhe beginnen. Über Strafmaßnahmen gegen Russland, mit denen er zuvor noch gedroht hatte, sagte Trump jedoch nichts.

Insbesondere für Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Keir Starmer und Giorgia Meloni dürfte das Ergebnis des Telefonats ernüchternd sein. Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien hatten zur Vorbereitung am Sonntag noch mit Trump gesprochen. Auch sie hatten mit neuen Sanktionen gedroht, sollte Putin eine Waffenruhe nicht akzeptieren.

Nun steht Europa unter Zugzwang. t-online gibt einen Überblick darüber, was die Ergebnisse des Telefonats für den Kontinent bedeuten.

Was bedeutet das Telefonat zwischen Putin und Trump für Europa?

Die europäischen Ukraine-Unterstützer hatten sich für den US-Vorschlag einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe starkgemacht. Davon war nach dem Gespräch zwischen Trump und Putin jedoch keine Rede mehr. Für den Politologen Julius von Freytag-Loringhoven ist deshalb klar: "Europa steht mit der Ukraine-Unterstützung allein da." Der Leiter des Büros Baltische Staaten der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung sagt im Gespräch mit t-online: "Die USA scheinen sich Stück für Stück aus diesem Konflikt herauszuziehen."

Julius Freiherr von Freytag-Loringhoven: Im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt der Politologe die Entwicklung der russischen Zivilgesellschaft.
(Quelle: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit)

Zur Person

Julius von Freytag-Loringhoven (geb. 1981) leitet seit Oktober 2024 die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in den baltischen Staaten am Standort Vilnius. Von 2012 bis 2020 leitete er das Moskauer Büro der FDP-nahen Stiftung. Von Freytag-Loringhoven studierte Politik, Philosophie und Volkswirtschaftslehre in Kent, St. Petersburg, München und Brüssel.

Der Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht nach dem Telefonat der beiden Staatenlenker keine größeren Veränderungen. "Europa kann weiterhin nur auf das reagieren, was aus den USA kommt. Putin aber kann Trump immer wieder beeinflussen", erklärt der Senior Advisor beim European Policy Centre t-online. "Die Interessen der Parteien bleiben unvereinbar: Russland will in der Ukraine gewinnen, Europa will Kiew am Leben erhalten und die USA den Krieg um jeden Preis beenden."

Es blieben jedoch auch Zweifel daran, dass es tatsächlich bald zu einem Ende der Kämpfe komme, so Mölling. "Denn Russland hat in den vergangenen Wochen eine Offensive vorbereitet, die nun auch umgesetzt werden soll."

Auch die ersten direkten Gespräche zwischen Russland und der Ukraine seit gut drei Jahren waren am Freitag in Istanbul ohne größere Fortschritte beendet worden. Die Kriegsparteien einigten sich auf einen Gefangenenaustausch. Am darauffolgenden Wochenende flog Russland nach ukrainischen Angaben den bisher größten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn. Trump äußerte sich dazu nicht und ließ nach dem Telefonat insgesamt Details eines möglichen Wegs hin zu einem Frieden in der Ukraine vermissen.

"Die Europäer haben ein großes Problem: Mit Trump im Weißen Haus hat nichts Bestand", sagt Experte Mölling. "Was er heute sagt, kann morgen wieder etwas ganz anderes heißen." So sei keine echte Politik im Sinne von langfristigen Veränderungen möglich. Dies betreffe auch den möglichen Rückzug aus der Ukraine-Unterstützung, den die USA in den vergangenen Wochen wiederholt androhten. "Das Problem dabei ist, dass Trump der Einzige ist, der mit diesen Widersprüchen leben kann."

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(Quelle: teutopress GmbH/imago-images-bilder)

Zur Person

Christian Mölling (geb. 1973) ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Zuvor war er Direktor des Programms "Europas Zukunft" der Bertelsmann-Stiftung sowie für die "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP) tätig. Er studierte Politik-, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften an den Universitäten Duisburg und Warwick und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Wie reagieren die Europäer und die Ukraine?

In Europa gibt es erhebliche Zweifel daran, dass Trump Druck auf Putin ausüben wird, um zu einer Friedenslösung für die Ukraine zu kommen. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte "harte Maßnahmen" gegen Russland, sollte Moskau einer Waffenruhe in der Ukraine nicht zustimmen. Washington habe angekündigt, dass, "wenn Russland nicht einem bedingungslosen Waffenstillstand zustimmt, es Konsequenzen geben wird", sagte Kallas am Dienstag am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Brüssel. "Wir wollen also diese Konsequenzen sehen, auch vonseiten der USA", betonte sie.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wirft Putin derweil eine Hinhaltetaktik vor und fordert neue Energiesanktionen. Das Telefonat zwischen Trump und Putin habe wieder einmal bestätigt, dass Russland nach wie vor nicht zu Zugeständnissen bereit sei, sagte er am Rande eines EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Der Kremlchef spreche nur von einem Waffenstillstand zu seinen Bedingungen. "Wladimir Putin spielt offenbar weiter auf Zeit", sagte Pistorius.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Putin vor, auf Zeit zu spielen, um den Krieg fortzusetzen und weiteres Territorium zu besetzen. Die Ukraine habe keinen Zweifel daran, dass der Krieg am Verhandlungstisch enden müsse. Es müssten jedoch klare und realistische Vorschläge vorgelegt werden. Um Fortschritte zu erzielen, forderte Selenskyj verstärkten internationalen Sanktionsdruck auf Russland.

Was steckt im 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland?

Die EU hat am Dienstag ihr bislang 17. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Die Maßnahmen waren wochenlang besprochen worden, sind also keine direkte Reaktion auf das Telefonat zwischen Trump und Putin. Das Paket zielt demnach auf die sogenannte russische Schattenflotte von Öltankern. Diese ermöglichen es Russland, einige Sanktionen zu umgehen.

Zudem seien Bestimmungen zu Menschenrechten und hybriden Bedrohungen enthalten, teilt Kallas in Brüssel mit. Russland nutzte die Tanker zuletzt auch für hybride Angriffe, wie zur Beschädigung von Kabeln in der Ostsee.

Video | Trump überrascht mit Aussage über Selenskyj
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Quelle: t-online

"Das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland lässt zu wünschen übrig", erklärt von Freytag-Loringhoven. Der damit aufgebaute Druck sei noch nicht bedeutend genug. Insbesondere aus Sicht der baltischen Staaten, die Russlands Bedrohung durch die geografische Nähe am meisten spüren, enthalte es nur das "minimal Notwendige". Der Experte bemängelt: "Was nicht drinsteckt, sind echte Abschreckung und Maßnahmen, die Russland zu echten Verhaltensänderungen zwingen."

Sicherheitsexperte Christian Mölling hält Sanktionen zwar für den richtigen Weg, warnt jedoch vor Hoffnungen auf eine kurzfristige Wirkung. "Putin wird bereits nach Alternativen suchen. In der Vergangenheit war Russland zumindest gut auf die Strafmaßnahmen vorbereitet."

Ohnehin aber gebe es kaum eine Maßnahme, die Russland kurzfristig aufhalten könne: "Deshalb ist es wichtig, der Ukraine einen militärischen Vorteil zu verschaffen. Schon ein kleiner Vorteil kann ausreichen, um die bisherigen russischen Vorstöße weitgehend zu stoppen."

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Was kann Europa noch tun, um Druck auf Russland auszuüben?

Von Freytag-Loringhoven fordert von der EU mehr Abschreckung gegenüber Russland, um der hybriden Kriegsführung des Kreml etwas entgegensetzen zu können. "Mit Anschlägen auf DHL-Flugzeuge, Desinformationskampagnen oder Hackerangriffen auf kritische Infrastruktur kann Russland derzeit weitgehend frei agieren", warnt der Experte. Denn noch gebe es keine Androhung eigener Offensivaktionen der EU und damit auch keine echte Abschreckung.

"Das Zögern zeugt davon, dass Europa Putin und Russland noch besser verstehen muss: Der Kremlchef agiert vor allem nach Gelegenheiten. Sanktionen reichen deshalb nicht", sagt von Freytag-Loringhoven. Russland sei durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft ohnehin weitgehend unabhängig von Europa. "Wirtschaftlichen Schaden, der dennoch durch Sanktionen erreicht wird, nimmt der Kreml schlicht in Kauf."

Der Experte sieht deshalb kurzfristig nur einen Weg, Putin zum Einlenken zu bewegen: "Europa muss die Unterstützung der Ukraine maximieren. Erst wenn Putin echten Druck auf dem Schlachtfeld spürt, wird er zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein." Bis das der Fall sei, werde Putin Europa und die USA hinhalten. "Die Ukraine muss deshalb in eine Position der Stärke versetzt werden. Das geht nur durch Militärhilfen, die es dem Land ermöglichen, die Kriegsfront zu stabilisieren."

Sicherheitsexperte Mölling verweist darüber hinaus auf das Prinzip "strategischer Ambiguität". Damit ist die bewusste Nutzung von Mehrdeutigkeit in der öffentlichen – insbesondere zwischenstaatlichen – Kommunikation gemeint: Es geht darum, den politischen Widersacher im Unklaren über eigene Absichten zu lassen.

Die neue Bundesregierung unternahm bereits Schritte in diese Richtung, indem sie künftig weniger über die Militärhilfen für die Ukraine preisgeben will. Dabei war auch eine mögliche, jedoch umstrittene Lieferung des Marschflugkörpers Taurus inbegriffen. Dies führte dazu, dass SPD-Fraktionschef Matthias Miersch Taurus-Lieferungen pauschal ablehnte.

"Die Bundesregierung braucht eine klare Linie", sagt Mölling mit Blick darauf. Es bringe nichts, "wenn der Kanzler künftige Waffenlieferungen weitgehend geheim halten will und dann die SPD mit einer roten Linie beim Taurus-Marschflugkörper dazwischengrätscht". Mölling fordert angesichts dessen: "Das übergeordnete Ziel der Bundesregierung sollte es sein, die Verhandlungsposition der Ukraine zu stärken."

Verwendete Quellen
  • Telefongespräche mit Christian Mölling und Julius von Freytag-Loringhoven
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
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