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Atomkraft im Rückblick: Als Deutschlands Zukunft "strahlend" sein sollte


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Abschied von der Atomkraft
Deutschlands "strahlende" Zukunft war einmal


Aktualisiert am 14.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Polizisten im Jahr 1986 vor der Baustelle des Kernkraftwerks Brokdorf (Archivbild): Ab den Siebziger Jahren wurde der Ausbau der Atomenergie von Protesten begleitet. (Quelle: Chris Pohlert/dpa)
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Deutschland schaltet die letzten Atommeiler ab. Dabei galt die Atomkraft einst als so verheißungsvoll. Ein Rückblick.

Am Anfang war der Schrecken. Zwei amerikanische Atombomben löschten im August 1945 die Städte Hiroshima und Nagasaki in Japan aus, Zehntausende starben den nuklearen Tod. Doch die Kraft des Atoms kann nicht nur zerstören – sie kann auch erschaffen.

Davon war Dwight D. Eisenhower überzeugt, als er 1953 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York sprach. "Friedlicher Strom aus Atomenergie" sei möglich, sagte der US-Präsident. Nicht erst irgendwann in der Zukunft, sondern sofort.

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Jenseits des Atlantiks wurde die Botschaft vernommen. Etwa bei der SPD, die 1959 in ihrem Godesberger Programm verkündete, dass "der Mensch im atomaren Zeitalter sein Leben erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen kann".

Die entsprechenden Weichen hatten Bundesregierung und Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt schon gestellt. 1955 war das Bundesministerium für Atomfragen installiert worden, zwei Jahre später meldete der Forschungsreaktor München in Garching, auch "Atomei" genannt, Betriebsbereitschaft.

Wirklich "erstrahlte" Deutschland aber erst 1961: Am 17. Juni 1961 speiste das am Main in Bayern gelegene Kernkraftwerk Kahl erstmals Atomstrom in das bundesdeutsche Netz ein, nachdem der Bau 1960 nach nur zwei Jahren fertiggestellt worden war. Es war eine nahezu verkehrte Welt, aus heutiger Perspektive zumindest.

AKW sogar begrüßt

Denn der Bau des Kernkraftwerks Kahl hatte zu keiner Gegenwehr der Bevölkerung geführt. Im Gegenteil, der Bund Naturschutz Bayern begrüßte das AKW gar. Die Nutzung der Atomkraft versprach die Schonung der Natur andernorts, der Bau von Wasserkraftwerken versprach unnötig zu werden. Großwelzheim, der Ort, auf dessen Grund das nach dem Nachbarort Kahl benannte Kernkraftwerk wirklich liegt, nahm sogar das Atommodell in sein Wappen auf.

Der Konzern RWE hingegen, der Kahl mit seiner Leistung von 15 Megawatt im Konsortium mit Bayernwerk hochgezogen hatte, war in dieser Pionierphase der zivilen Nutzung der Atomkraft unsicher, wie der Historiker Frank Uekötter in seinem Buch "Atomare Demokratie" schreibt. Denn der daraus entstandene Strom war teuer, sehr teuer. Von "Kaviar-Elektrizität" sprach gar ein Zeitgenosse.

Gleichwohl war der Weg in die Zukunft strahlend, die Ingenieure planten immer leistungsfähigere AKW. Denn umso größer, umso rentabler, lautete die Überlegung in Zeiten, in denen das Wachstum schier unbegrenzt und der Hunger nach Energie geradezu unstillbar war.

So ganz unumstritten war die Atomkraft allerdings auch in ihren frühen Jahren nicht. Als Standort des nuklearen Forschungszentrums Jülich war in den Fünfzigerjahren auch die Rheinmetropole Köln im Spiel gewesen, so der Historiker Jan-Henrik Meyer. Wegen Bedenken aus der Bevölkerung angesichts eines atomaren Unfalls wählten die Verantwortlichen schließlich das beschaulichere Jülich aus.

Gleichwohl blieb der "Ruf" der Atomkraft bei Politik, Wirtschaft und auch der Bevölkerung ganz hervorragend. Schließlich galt sie als effizient, besonders im Vergleich zur Kohleverstromung auch als "sauber" sowie vor allem als zuverlässig. Gerade in den Siebzigerjahren, als zwei Ölpreisschocks die westlichen Wirtschaften erschütterten.

"Wenn der Rhein dampft"

Die ursprüngliche Rechnung von Politik und Industrie – "umso größer, umso rentabler" – hatte allerdings nur eine geringe Halbwertzeit. Denn immer mehr gebaute und geplante AKW führten in letzter Konsequenz zu immer mehr Unruhe bei den Menschen. Mit der Schlagzeile "Wenn der Rhein dampft" sorgte "Die Zeit" bereits 1970 für Beunruhigung angesichts einer Vielzahl von AKW-Bauvorhaben am Strom.

Zwei Jahre später ließ man die Planung für ein Atomkraftwerk in Breisach unweit Freiburgs fallen. Rund 50.000 Bürgerinnen und Bürger hatten mit ihrer Unterschrift dagegen protestiert. In Wyhl am Kaiserstuhl sollte das AKW stattdessen ein Zuhause finden, die Proteste dagegen sollten bundesrepublikanische Geschichte schreiben.

"In Wyhl kämpften Bauern und Lokalpolitiker, Studenten und Hausfrauen, Journalisten berichteten mit manchmal kaum verhüllter Sympathie", schreibt Frank Uekötter. Damit war eine neue Qualität erreicht, Bürgerinitiativen traten zukünftig gegen die Atomkraft auf den Plan. Gut für die Fortentwicklung der Demokratie in Deutschland, weniger gut für die Nutzung der Nuklearkraft.

Dabei war es den Menschen in Wyhl gar nicht unbedingt gegen die Kernkraft an sich gegangen. Diese war vielmehr zu einem Symbol dafür geworden, was die Bevölkerung dort eben nicht wollte: großflächige Industrialisierung und die damit verbundene Gefährdung der überkommenen Lebensweise wie auch der Natur, so Historiker Meyer.

Dies traf auf einen Wandel in der Gesellschaft, der insbesondere von den Ölkrisen der Siebziger befeuert wurde, aber ebenso von den immer weniger zu ignorierenden Schäden, die der Mensch in der Natur hinterlässt.

Kurzum: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger stellten sich die Frage nach den Grenzen des Wachstums – und ob man nicht "nachhaltiger" leben könnte. So wurde die Atomkraft "eine umstrittene Form der Energieversorgung, anhand derer einige zentrale politische und gesellschaftliche Konflikte diskutiert wurden", wie Jan-Henrik Meyer schreibt.

Wiederauferstehung der Atomkraft?

Der Gegensatz von Befürwortern und Gegnern der Atomkraft – wie der damit verknüpften Konflikte – sollte in der Zukunft noch viel größer werden. Nicht ausschließlich befeuert von der Existenz der Atomkraftwerke an sich. Sondern von dem, was sie hinterlassen: strahlenden Abfall. Das als Atommülllager auserkorene Gorleben im niedersächsischen Lüchow-Dannenberg wurde 1979 zum Symbol für der Anti-Atom-Bewegung ebenso wie das geplante AKW Brokdorf 1981.

Mit den Grünen saß ab 1983 eine Partei im Bundestag, die der Atomkraft den Kampf angesagt hatte. Und auch die SPD, die einst noch so enthusiastisch für die Atomkraft "gestrahlt" hatte, entfremdete sich in diesem Jahrzehnt von ihr. Wofür auch die Katastrophe von Tschernobyl in der Sowjetunion 1986 ihren Teil beitrug.

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Ab 1998 sollte es dann auch ein sozialdemokratischer Kanzler sein, der den Atomausstieg in die Wege leitete: Gerhard Schröder, der im selben Jahr eine Koalition mit den Grünen geschlossen hatte. Schnell ging es allerdings nicht, ein Kompromiss mit den Betreibern war erst 2001 gefunden.

Doch Totgesagte leben bisweilen wirklich länger. 2010 kam es zunächst zu einer Laufzeitverlängerung, die Bundesregierung unter Schröders Nachfolgerin Angela Merkel sah die Atomkraft als Brückentechnologie. Manche Totgesagte müssen dann aber letztlich doch sterben. Als 2011 ein Tsunami die Nuklearkatastrophe von Fukushima im fernen Japan auslöste, war auch Merkel plötzlich für den Abschied von der Atomkraft.

Kritiker wandten ein, dass Fukushima so in Deutschland niemals möglich gewesen wäre. Zu streng die Auflagen, zu sicher die deutschen Meiler. Doch Merkel hatte ihr ganz eigenes "Basta" gesprochen. Den letzten drei deutschen Atomkraftwerken hatte Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 noch eine Pause verschafft. Ihr Streckbetrieb endet nun am 15. April.

"Der größte Fan"

Ist das vernünftig in Zeiten der Energiekrise und der Erderhitzung? Die Technikhistorikerin Anna Veronika Wendland findet den "antinuklearen Kahlschlag" wenig vernünftig. "Atomkraft? Ja bitte!", heißt der Titel ihres Buches dazu. Sie weist neben Gründen des Klimaschutzes aber auch auf geopolitische Erwägungen hin. "Der größte Fan des deutschen Atomausstiegs heißt Wladimir Putin", so Wendland.

Einen "Atomausstieg" Deutschlands bewirkt aber auch das Aus der letzten Meiler nicht, wie der Atomexperte Christian von Hirschhausen betont. Denn das nukleare Erbe, sprich der Atommüll, strahlt weiter. Noch viele, viele Generationen lang. "Vielmehr bedeutet es lediglich den Übergang in ein anderes 'Zeitalter', in dem Entsorgungsfragen im Mittelpunkt stehen", schreibt von Hirschhausen in seinem Buch "Atomenergie. Geschichte und Zukunft einer riskanten Technologie".

Aber nicht nur die strahlenden Hinterlassenschaften bleiben uns erhalten, sondern auch die drängende Frage, wie Deutschland seine Verpflichtungen zum Klimaschutz einhalten kann. Europäische Partner betreiben nicht nur weiterhin AKW, sondern planen neue.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Frank Uekötter: "Atomare Demokratie. Eine Geschichte der Kernenergie in Deutschland", Stuttgart 2022
  • Anna Veronika Wendland: "Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann", Köln 2022
  • Christian von Hirschhausen: "Atomenergie. Geschichte und Zukunft einer riskanten Technologie", München 2023
  • Jan-Henrik Meyer: "Kleine Geschichte der Atomkraft-Kontroverse in Deutschland", in Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de
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