Bekannt aus "Aktenzeichen XY" Sie verschwand aus ihrem Zuhause: Der grausame Fall Mareike G.
Eine 20-Jährige verschwindet völlig unerwartet aus ihrer Wohnung. Kurz darauf kommt es zu mehreren Suiziden. Grausamer Zufall? Der schreckliche Fall Mareike.
Es ist der 12. Oktober 2003, in Waldmünchen nahe der tschechischen Grenze. Seit ihrem Wegzug aus Brandenburg acht Jahre zuvor leben Mareike G. und ihre Mutter in der bayrischen Ortschaft. Dort hat die 20-Jährige die Schule abgeschlossen und eine Stelle als Näherin in einer Textilfabrik angetreten. Mittlerweile ist Mareike zu Hause ausgezogen und hat eine kleine Zweizimmerwohnung mitten im Ort gefunden.
In diese kehrt sie auch nach dem Besuch einer Geburtstagsfeier zurück. Sie ist müde, telefoniert am Abend noch mit einer Freundin, sagt, früh schlafen gehen zu wollen. Später sieht ein Bekannter durch ein Fenster der Erdgeschosswohnung noch, wie die junge Frau schlafend auf der Couch liegt. Eigentlich wollte er Mareike besuchen, verwirft daraufhin aber wieder diesen Plan und geht. Es ist das letzte Mal, dass sie lebend gesehen wird.
In der Nacht hören Nachbarn Klopfgeräusche und Schritte aus ihrer Wohnung, nehmen diese allerdings nicht als verdächtig wahr. Als Mareike am nächsten Tag nicht zur Arbeit erscheint und ihre Kollegen erfolglos versuchen, sie telefonisch zu erreichen, informieren sie die Mutter der 20-Jährigen. Die macht sich sofort auf die Suche nach ihrer Tochter.
Nur die Katze ist noch da
Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und einem Schlüsseldienst verschafft sich Mareikes Mutter Zugang zur Wohnung. Lebensmittel stehen ungekühlt herum, das Bett ist nur halb gemacht. Während die Katze der jungen Frau hungrig auf Futter wartet, fehlt von Mareike jede Spur. Auch Handtasche, Schuhe und Geldbeutel sind unauffindbar. Alles wirkt, als habe sie die Wohnung in Eile verlassen. Noch am Abend meldet die Mutter ihre Tochter als vermisst.
Die Polizei nimmt den Fall aufgrund der Gegebenheiten vor Ort sofort ernst und beginnt mit den Ermittlungen. Dabei fallen den Beamten Glasscherben in der Küche, ausgerissene Haare auf der Mikrowelle sowie Blutspuren an der Wohnungstür auf. Schnell sind sie davon überzeugt, dass Mareike einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Doch weder die Befragung ihres Freundeskreises noch eine groß angelegte Suchaktion bringen die erhoffte Spur.
Drogen und Schweigen im Freundeskreis
Nach Mareikes Verschwinden gerät auch ihr soziales Umfeld ins Wanken. Die junge Frau wird als lebensfroh beschrieben, hat zahlreiche Freunde. Doch die Polizei stellt fest, dass einige von ihnen zunächst zögern, offen mit den Ermittlern zu sprechen. Es kommt ans Licht, dass in der Clique gelegentlich weiche Drogen, vorzugsweise Cannabis, konsumiert werden. Ein Detail, das die Zusammenarbeit erschwert, da die jungen Leute offenbar Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben.
Bei den Ermittlungen fällt Stephan B. auf, ein ebenfalls aus der ehemaligen DDR stammender Arbeitskollege, um den Mareike sich gekümmert hat. Sie half dem als Sonderling geltenden 31-Jährigen bei der Partnersuche und begleitete ihn gelegentlich in Diskotheken. Dabei gab es jedoch ein klares Agreement zwischen den beiden: Eine romantische Beziehung kam nicht infrage.
Der Ort wird zum "Selbstmord-Dorf"
Kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau erschüttern zwei Suizide und ein Suizidversuch den kleinen Ort: Ein 15-jähriges Mädchen und ein 21-jähriger Mann nehmen sich das Leben, eine weitere Jugendliche überlebt ihren Versuch nur knapp. Obwohl die Ermittler schnell feststellen, dass diese Vorfälle nicht mit Mareikes Verschwinden zusammenhängen, reißen Gerüchte diesbezüglich nicht ab. Die Medien, die das Thema aufgreifen und Waldmünchen als "Selbstmord-Dorf" bezeichnen, erhöhen den öffentlichen Druck auf die Polizei zusätzlich.
Drei Monate nach dem Verschwinden wird der Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" vorgestellt. Durch diesen Schritt hofft die Polizei auf Zuschauerhinweise und will den Täter in Bedrängnis bringen. Der entscheidende Tipp bleibt jedoch aus.
Parallel dazu arbeiten Münchner Profiler an einem Täterprofil. Dieses beschreibt einen Einzelgänger mit problematischer Sexualität, der sich unauffällig verhält, aber ein geplantes Vorgehen zeigt – und perfekt zu Stephan B. passt. Auch die Blutspuren aus Mareikes Wohnung können ihm zugeordnet werden. Diese erklärt der 31-Jährige auf Nachfrage mit regelmäßigem, spontanem Nasenbluten.
Besorgter Freund oder skrupelloser Mörder?
Bei einer Hausdurchsuchung Stephan B.s finden Ermittler schließlich noch belastendes Material: Unter seiner Matratze entdecken sie Plastiktüten mit Damenunterwäsche. Diese Funde und die bisherigen Erkenntnisse erhärten den Verdacht gegen ihn.
Besonders perfide: Während der gesamten Ermittlungen steht Stephan B. in regelmäßigem Kontakt mit Mareikes Mutter, besucht diese, tröstet sie und lässt sich von ihr über die neuesten Entwicklungen des Falls informieren.
In einer elf Stunden langen Vernehmung gesteht der 31-Jährige schließlich den Mord. Er gibt zu, in der Nacht zum 13. Oktober durch das Schlafzimmerfenster in die Wohnung eingestiegen zu sein, um Unterwäsche zu stehlen. Als Mareike ihn dabei überraschte, griff er sie an und würgte sie nach einem kurzen Streit so lange, bis sie tot war.
In dem Versuch, die Tat zu vertuschen, wickelte er Mareikes Leiche in eine Decke, reinigte die Wohnung und entfernte Schuhe, Handtasche und den Geldbeutel, um ein freiwilliges Verschwinden vorzutäuschen. Zunächst versteckte er die Leiche in seiner Wohnung, brachte sie dann in ein nahegelegenes Waldstück und vergrub sie, als der Suchradius der Polizei erweitert wurde, in einem abgelegenen Gebiet.
Ein Jahr später fällt das Landgericht Regensburg ein Urteil, mit dem der Richter, wie er sagt, den Schlusspunkt unter "eine menschliche Tragödie, die monatelang die Öffentlichkeit in Atem gehalten hatte" setzt. Stephan B., erst Freund, dann Mörder von Mareike, kommt lebenslang in Haft.
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- Spotify: "Aktenzeichen XY... Unvergessene Verbrechen" – Folge 53: Das letzte Lebenszeichen (Podcast)
- welt.de: "30-Jähriger gesteht an Mareike G. aus Waldmünchen"
- mittelbayerische.de: "Profiler fanden Mareikes Mörder"
- welt.de: "Der Spurenleser"
- merkur.de: "Neue Spur im Fall 'Mareike'"