Bekannt aus "Aktenzeichen XY" Mord mit über 200 Messerstichen – und der Täter bleibt frei
Ein junger Mann wird vor seiner Haustür mit mehr als 200 Messerstichen brutal ermordet. Erst nach Jahren wird der Täter ermittelt – doch er bleibt auf freiem Fuß.
Es ist noch früh am 18. August 2002, als das beschauliche Glückstadt in Schleswig-Holstein zum Schauplatz eines grausamen Verbrechens wird. Der 22-jährige Grieche Ioannis O. wird vor seiner Haustür brutal ermordet.
In der Mordnacht schließt O. gegen 22 Uhr das gemeinsam mit seinem Vater betriebene Familienrestaurant und fährt mit einem Freund zum Feiern nach Hamburg. Die beiden verbringen den Abend in einem Club und kehren erst gegen fünf Uhr morgens nach Glückstadt zurück. Nachdem Ioannis seinen Freund an einer Bushaltestelle abgesetzt hat, fährt er nach Hause.
Noch bevor er seine Wohnung betritt, greift ein Unbekannter den ahnungslosen 22-Jährigen an. Mehr als 200 Mal sticht er auf dessen Körper ein. Anschließend raubt er sein Opfer aus, stiehlt mehrere Hundert Euro. Ioannis O. hat keine Chance. Er verblutet noch vor Ort.
Ein Nachbar hört die Todesschreie, trifft auf der Straße sogar den Täter an und alarmiert die Polizei. Am Tatort bietet sich den Beamten folgendes Szenario: Die Haustür steht offen, der Schlüssel steckt von außen. Den Ermittlern gelingt es, zahlreiche Spuren zu sichern. Blut, Schuhabdrücke und DNA. Zunächst wirkt es, als sei der Täter schnell zu fassen.
Erste Vermutungen und falsche Fährten
Die Brutalität der Tat lässt auf eine persönliche Beziehung zwischen Täter und Opfer schließen, weshalb die Polizei das Umfeld des Opfers genau unter die Lupe nimmt. Freunde, Bekannte und Verwandte werden befragt, freiwillige DNA-Proben gesammelt. Doch konkrete Hinweise bleiben aus. "Unbändiger Hass und absolute Gewaltbereitschaft müssen den Täter getrieben haben", sagt der Leiter der Mordkommission, Siegfried Lindhorst.
Dann gerät ein ehemaliger Angestellter des Restaurants ins Visier: Der Nachbar, der den Täter kurz nach dem Mord getroffen hat, erkennt auf einem Foto eine Ähnlichkeit mit dem Mann – ohne ihn jedoch eindeutig identifizieren zu können. Auch andere Ermittlungsansätze wie mögliche familiäre Konflikte, Gerüchte über Schutzgelderpressung oder Hinweise auf das Rotlichtmilieu führen ins Leere.
Der Fall steckt fest. Anfang 2003 schöpfen die Ermittler dann neue Hoffnung: Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... Ungelöst" widmet sich dem Mord an O. Die Ausstrahlung am 17. Januar ruft zahlreiche Zuschauer auf den Plan. Doch die Hinweise, die im Anschluss an die Sendung bei der Polizei eintreffen, bringen nicht den entscheidenden Durchbruch. Selbst ein anonym eingereichtes Foto von mehreren Männern, auf dem einer als vermeintlicher Täter markiert ist, hilft bei der Aufklärung des Mordes nicht weiter.
Neue Technologien bringen die Wende
2006 rollen die Ermittler den Fall erneut auf. In der Hosentasche von Ioannis O. finden sie Haarfragmente und DNA. Ein Abgleich liefert den entscheidenden Treffer: Die Spur gehört zu Recep K., einem Ex-Mitarbeiter des Opfers und ehemaligen Türsteher aus der Region. Er war schon zu Beginn der Ermittlungen befragt worden.
Dieser hatte zur Tatzeit Schulden und bewegte sich im Rotlichtmilieu. Zeugen berichten, er habe Geld benötigt, um eine Prostituierte aus dem Milieu freizukaufen. K. soll gewusst haben, dass in einem Club Geld deponiert war, und gehofft haben, Ioannis würde ihm dabei helfen, an die Summe zu kommen. Ob Ioannis O. sich weigerte oder das Geld nicht beschaffen konnte, ist unklar. Die Beamten sind sich jedoch sicher, dass K. in der Mordnacht auf den 22-Jährigen gewartet und ihn grausam ermordet hat.
Ein vernichtendes Urteil
Festnehmen können die Ermittler den dringend Tatverdächtigen jedoch nicht, denn: Recep K. ist längst nicht mehr in Deutschland. 2003 meldet er sich offiziell ab und reist in die Türkei aus. Zwar wird ein internationaler Haftbefehl erlassen – doch die türkischen Behörden liefern ihre Staatsbürger nicht aus. Die deutsche Staatsanwaltschaft bleibt nichts anderes übrig, als den Fall schließlich an ihre türkischen Kollegen zu übergeben.
2014 kommt es dann in der Türkei zu einem Prozess, bei dem deutsche Ermittler allerdings keinen Einblick in das Verfahren haben. Auch Zeugen werden vor Ort nicht gehört. Recep K. streitet die Tat ab. Das türkische Gericht sprach den Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei, da direkte Beweise fehlten und der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" griff.
Die Ermittler hoffen bis heute
Inzwischen sollen die Angehörigen des damals 22-Jährigen nicht mehr in Deutschland leben, sondern zurück nach Griechenland gezogen sein. Doch die Ermittler geben den Fall weiterhin nicht auf. Auch mehr als zwanzig Jahre nach der Tat hoffen sie auf neue Hinweise oder ein Geständnis von Recep K. Ob dieser jemals für den Mord verurteilt wird, bleibt allerdings offen.
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.
- ndr.de: "Pressemeldung: NDR Pressemitteilung"
- abendblatt.de: "Mord in Glückstadt: Verdächtiger lebt frei in der Türkei"
- presseportal.de: "Raubmord nach sieben Jahren aufgeklärt"
- welt.de: "Raubmord nach sieben Jahren aufgeklärt"