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Südamerika: Corona überrollt den Kontinent


Trotz Lockdown und Impfungen
Corona überrollt Südamerika

Von afp
01.06.2021Lesedauer: 3 Min.
Tests in Buenos Aires: Weltweit sterben in Uruguay und Argentinien derzeit die meisten Menschen.Vergrößern des Bildes
Tests in Buenos Aires: Weltweit sterben in Uruguay und Argentinien derzeit die meisten Menschen. (Quelle: Agencia EFE/imago-images-bilder)

Uruguay und Argentinien hatten völlig unterschiedliche Ansätze im Kampf gegen Corona: Nun spitzt sich in beiden Ländern die Lage zu. Nirgends sonst sterben derzeit mehr Menschen an Covid-19.

In Uruguay gab es in der Corona-Pandemie kaum Einschränkungen, Argentinien hingegen fuhr einen sehr restriktiven Kurs. Trotz der völlig verschiedenen Ansätze ist die Situation der südamerikanischen Nachbarn paradoxerweise die gleiche: In beiden Ländern sterben gerade so viele Menschen an Covid-19 wie fast nirgendwo sonst auf der Welt.

15 Monate nachdem das Virus zum ersten Mal auf dem Kontinent auftrat, erlebt ein Großteil Südamerikas die bisher schlimmste Phase der Pandemie – trotz großer Fortschritte beim Impfen in vielen Ländern. In den vergangenen zwei Wochen zählte Uruguay 21,62 Todesfälle pro 100.000 Einwohner, in Argentinien waren es 14,73. Auch in Paraguay, Kolumbien, Brasilien und Peru ist die Situation dramatisch. Zum Vergleich: Die Vereinigten Staaten, das Land mit den meisten Todesfällen weltweit, haben eine Rate von 2,45.

Virusvariante breitet sich aus

Die ansteckendere brasilianische Virusvariante P.1, die in Uruguay und Argentinien grassiert, erklärt die Entwicklung nur zum Teil. Entscheidend scheint das Verhalten der Menschen.

In Uruguay "glauben die Leute nicht" an die Gefahr durch das Virus, sagt der Intensivmediziner Francisco Dominguez. "Das sieht man auf der Straße: Kaum jemand trägt eine Maske. Solange sie niemanden kennen, der im Krankenhaus liegt, glauben sie es nicht." Dabei sind die Intensivstationen bereits überlastet.

Im vergangenen Jahr wurde Uruguay – ein kleines Land mit 3,6 Millionen Einwohnern – für seinen Umgang mit der Pandemie als vorbildlich gelobt: Ohne einen einzigen Lockdown blieben die Zahlen niedrig. Oft gab es nicht mehr als 20 aktive Fälle, an vielen Tagen keine einzige neue Infektion. In der Wahrnehmung der Bevölkerung schien das Risiko deshalb gering und Einschränkungen nicht nötig.

Devise: "Verantwortungsvolle Freiheit"

"Verantwortungsvolle Freiheit" lautete die Devise von Präsident Luis Lacalle Pou. Er wollte die Wirtschaft am Laufen halten – obwohl die Ärzte strengere Maßnahmen forderten. Einzig Live-Vorführungen wurden verboten, Schulen und Grenzen geschlossen. Fitnessstudios, Restaurants und Läden blieben ohne Einschränkungen geöffnet.

Das uruguayische Impfprogramm ist äußerst erfolgreich: 29 Prozent der Bevölkerung sind vollständig immunisiert, 47 Prozent haben mindestens eine Dosis erhalten. Doch der Anstieg von Infektionen und Todesfällen wurde dadurch nicht gebremst.

In Argentinien kommen die Impfungen hingegen nur langsam voran: Weniger als 20 Prozent der 45 Millionen Einwohner haben bis jetzt eine Spritze bekommen. Auch durch monatelange, sehr strenge Lockdowns bekam das Land die Pandemie nicht in den Griff.

Teil der Bevölkerung ignoriert Maßnahmen

Die Menschen hätten sich trotz der Verbote getroffen, viele rebellierten gegen die Maßnahmen oder leugneten die Gefahr, sagt Elisa Estenssoro, Mitglied eines Expertengremiums, das Präsident Alberto Fernández berät. Unverantwortliches Verhalten, zu spät verhängte Maßnahmen, ein Mangel an Impfstoffen und neue, aggressivere Virusvarianten seien die Ursache für die jüngste Infektionswelle.

Im Mai stieg die durchschnittliche Zahl der täglichen Neuinfektionen auf 30.000, die der Toten auf 500. Vorletzten Samstag wurde deshalb erneut ein strenger Lockdown verhängt, zunächst begrenzt auf neun Tage. Auch die südamerikanische Fußballmeisterschaft Copa América kann nun nicht mehr wie geplant in Argentinien stattfinden.

"Lockdown spaltet das Land"

In den Kliniken fehlen Betten und Sauerstoff, das Personal ist am Ende seiner Kräfte. "Gestern hatten wir keine Betten mehr. Wenn eines frei wird, dann wegen eines Todesfalls", sagt der Krankenpfleger Héctor Ortiz von Durand-Krankenhaus in Buenos Aires. Und jedes freie Bett wird sofort wieder belegt.

Dennoch gingen vergangene Woche in mehreren Städten Tausende auf die Straße, um gegen die Einschränkungen zu protestieren. Der Lockdown spaltet das Land, das nach drei Jahren Rezession gerade begann, sich wieder zu erholen.

"Ich bin am Ende meiner Kräfte", sagt die Rentnerin Nadia Mariella. "Ich musste zum Psychiater, weil ich es drinnen nicht mehr ausgehalten habe." Immerhin ist die 73-Jährige eine der wenigen Argentinier, die bereits geimpft sind.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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