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Wie "Dr. Müller" Maskenverweigerer mit teuren Fake-Attesten betrügt


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Für mehr als 61 Euro
Wie "Dr. Müller" Maskenverweigerer mit Fake-Attesten betrügt


Aktualisiert am 07.12.2020Lesedauer: 4 Min.
"Praxis Seelenfrieden": Eine Dr. Ursula Müller, die an keiner der angegebenen Adressen existiert, stellt auf einer neu angelegten Webseite Maskenbefreiung in Aussicht.Vergrößern des Bildes
"Praxis Seelenfrieden": Eine Dr. Ursula Müller, die an keiner der angegebenen Adressen existiert, stellt auf einer neu angelegten Webseite Maskenbefreiung in Aussicht. (Quelle: Screenshot)

"Querdenker" und "Coronarebellen" spenden freigiebig Geld und teilen oft leichtgläubig Falschmeldungen. Damit werden sie ein leichtes Ziel für

"Dr. med. Ursula Müller" hat sich wahrscheinlich die Hände gerieben angesichts der Empörung: Denn sie ist noch mehr Werbung für ihr Angebot einer "telemedizinischen Sprechstunde" mit anschließendem Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht. Kosten: 61,20 Euro.

In sozialen Netzwerken regten sich Nutzer auf, dass so leichtfertig Atteste verhökert werden – doch in "Querdenker"-Gruppen wurde die Sprechstunde als Tipp gehandelt. Denn Maskenverweigerer haben es immer schwerer, ohne triftige medizinische Gründe eine Befreiung zu bekommen.

Bei Dr. Ursula Müller scheint es dagegen einfach zu gehen. Nur: Diese Dr. Ursula Müller gibt es nicht, und ihre Internetseite existiert erst seit dem 30. November. Offenbar werden leichtgläubige "Querdenker" auf der Seite zunächst als "mündige Patienten auf Augenhöhe mit dem Arzt" geködert, um sie dann reinzulegen. Die Seite serviert ihnen die falsche Information, die sie nur allzu gern lesen: Corona sei eine mittelschwere Grippe, und jeder habe ein Recht auf Befreiung von der Maske, schreibt die angebliche Dr. Müller, eine vermeintliche "Seelenheilerin aus Passion". Auf der Seite geht es dann zunächst sehr nutzerfreundlich weiter.

Rechnung kommt sofort

t-online hat das Formular ausgefüllt: Adresse angeben, Häkchen setzen, Beschwerden benennen, die den eigenen am nächsten kommen, abschicken. Automatisiert kommt sofort eine Mail mit Rechnung zurück: 61,20 Euro. Auf der Rechnung steht aber auch einmal 61,50 Euro. Es ist der 3,5-fache Satz nach der Gebührenordnung – eigentlich vorgesehen für einen besonderen Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand bei der Behandlung.

Das Geld soll auf ein spanisches Konto der angeblichen "Praxis Seelenfrieden" in Puerto de La Cruz auf Teneriffa überwiesen werden. Das schreibt "Dr. Müller" auf der Rechnung mit der vermeintlichen Adresse ihrer Freiburger Gutachterpraxis: "Ihr ärztliches Gutachten erhalten Sie am nächsten Werktag nach Zahlungseingang per E-Mail und persönlichem Download-Link."

Wenn das Attest dann nicht kommen sollte, erspart es den Bestellern zumindest weiteren Ärger. Derartige Bescheinigungen können strafrechtlich relevant sein – für Aussteller und für Nutzer. Es gibt das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Und es gibt den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Bei "Querdenken"-Aktivist Bodo Schiffmann stand deshalb die Polizei zur Hausdurchsuchung in seiner Schwindelpraxis.

Doch "Dr. Müller" wird nicht so leicht zur Verantwortung zu ziehen sein: Eine Ärztin mit dem Namen ist weder auf Teneriffa noch in Freiburg unter der Adresse bekannt. Im Hintergrund der Seite ist ein Wikipedia-Foto vom Aussichtspunkt Mirador de la Paz zu sehen, angeblich ist die Praxis in den Räumen des Deutschen Ärztehauses in Puerto Cruz angesiedelt.

Ärztehaus will Nutzung unterbinden

In dem vom Mediziner Dr. Sergej Rudenko geführten Ärztehaus hat man von der Frau aber noch nie etwas gehört: "Es gibt bei uns noch zwei weitere Ärzte, aber diese Frau Dr. Müller gab es nie und wird es auch nicht geben", heißt es auf Nachfrage. Man versuche selbst, die Person zu kontaktieren, um das Treiben zu unterbinden. Das Foto der Ärztin könnte von künstlicher Intelligenz erzeugt worden sein, es findet sich kein zweiter Treffer bei einer Bildersuche.

In Freiburg ist unter der angegebenen Adresse in der Altstadt eine Thalia-Herder-Buchhandlung. Das Gebäude wird von der zum Unternehmen gehörenden IVG Immobilienverwaltung-GmbH betreut: "Und dort gibt es keine Arztpraxis und keine Frau Dr. Müller", sagt ein Sprecher des Unternehmens zu t-online.

Falsch ist auf der Seite der "Ärztin" aber auch unter anderem die Schreibweise von "Anamnese". Sie wird dort auch als "Zertifizierte Gutachterin für Psychiatrie (DGPPN)" bezeichnet. Das ist eine Bezeichnung, die die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde zumindest nicht mehr vergibt, falls sie das je getan hat. Eine Sprecherin sagt t-online lediglich, die DGPPN werde entsprechende rechtliche Schritte einleiten, die zuständige Aufsicht sei informiert. Dabei ist fraglich, ob "Dr. Ursula Müller" überhaupt ein Fall für die Ärztekammer ist – wenn sie gar nicht Ärztin ist.

Sie hätte also viele Fragen zu beantworten. Auf eine Anfrage von t-online kommt jedoch keine Antwort. Die Nummern auf Rechnungen könnten grob Aufschluss darüber geben, welchen Umfang der Schwindel hat – wenn sie denn fortlaufend nummeriert wären. Das sind sie aber offenbar nicht: Sonst wären am Montag binnen weniger Stunden rund 30.000 Atteste angefordert worden. Diese Zahl ist auch bei einem hohen Anteil von Leichtgläubigen unter "Querdenkern" allerdings sehr unwahrscheinlich.

Update: "Dr. Müller" hat offenbar einen "Kollegen". Mit Praxis angeblich in einem Berliner Hochhaus und einem Facharztzentrum auf Mallorca bietet ein Arzt Atteste zur Maskenbefreiung an. Seine Seite ist unter der gleichen IP-Adresse in Holland zu finden wie die Seite von "Dr. Müller", technisch funktioniert die Abwicklung der Rechnungen und Atteste identisch. t-online hat mehrere Atteste von beiden "'Ärzten" sehen können. t-online hat von der Klinik in Mallorca zunächst keine Bestätigung bekommen, dass der Arzt dort unbekannt ist. Ein Foto auf der Seite zeigt einen in Brasilien lebenden Mediziner gleichen Namens. Er sagte t-online, er sei gegen Maskenzwang, aber er wisse von der Seite nichts und habe nichts damit zu tun. Es handele sich um Identitätsdiebstahl. Danke an die Twitternutzer @danny_mst und @JonDoe_ohneH für den Hinweis.

Verwendete Quellen
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