Konsequente Kontaktverfolgung Australische Corona-Studie: Risiko in Schulen gut zu managen
Sydney/London (dpa) - Das Risiko für Corona-Ausbrüche in Schulen und Kindergärten lässt sich einer Studie aus Australien zufolge mit Maßnahmen wie Kontaktverfolgung Infizierter gering halten. Dieses effektive Verfolgen sei der Schlüssel dafür, eine Ausbreitung in Schulen und Kitas zu verhindern.
Obwohl mit dem Virus infizierte Lehrer, Betreuer und Kinder ihre jeweilige Einrichtung aufgesucht hätten, als sie bereits infektiös waren, seien dort nur wenige weitere Menschen infiziert worden, berichten Forscher im Fachjournal "The Lancet Child & Adolescent Health".
Anders als in vielen anderen Ländern waren die Schulen in Australien während der ersten Ausbreitungswelle begleitet von Abstands- und Hygieneregeln offen geblieben. Forscher um Kristine Macartney von der Universität Sydney hatten von Januar bis April für 25 Schulen und Kindergärten im Bundesstaat New South Wales Infektionszahlen und -wege erfasst. Gab es in einer Einrichtung einen Nachweis, wurden die engen Kontakte des Betroffenen identifiziert. Diese Menschen wurden angehalten, 14 Tage in Quarantäne zu gehen und regelmäßig nach Symptomen gefragt. Gab es diese, wurde ein Test veranlasst.
12 Kinder und 15 Lehrer/Betreuer besuchten ihre jeweilige Einrichtung demnach auch zu einer Zeit, in der sie infektiös waren - also etwa am Tag vor dem Auftreten erster Symptome. Von ihren insgesamt 1448 Kontaktpersonen dort erkrankten lediglich 18 an Covid-19. Betroffen war neben drei Schulen vor allem ein Kindergarten, in dem ein Erwachsener das Virus auf sechs Erwachsene und sieben Kinder übertrug. Eine Detailanalyse, bei der auch Antikörper-Tests gemacht wurden, ergab, dass Sars-CoV-2 merklich häufiger zwischen Erwachsenen oder von einem Erwachsenen auf ein Kind übertragen wurde als von einem Kind auf einen Erwachsenen oder zwischen Kindern.
Die Forscher gehen auch auf Einschränkungen der Aussagekraft ihrer Ergebnisse ein: So seien die meisten der engen Kontaktpersonen nur getestet worden, wenn sie Symptome entwickelten. Es sei anzunehmen, dass darum einige mild oder symptomlos verlaufene Fälle nicht erfasst wurden. Hinzu komme, dass die Schulen zwar offen geblieben seien, die Kinder aber dazu angehalten waren, wenn möglich von zuhause aus zu lernen. Kurz vor dem Ferienstart im April habe davon ein Großteil der Schüler Gebrauch gemacht.
In dem Fachjournal stellen Forscher um Jasmina Panovska-Griffiths vom University College London zudem eine Modellanalyse für sechs Szenarien zur anstehenden Öffnung der Schulen nach den Ferien in Großbritannien vor. Betrachtet wurde das potenzielle Infektionsgeschehen etwa bei rotierendem Unterricht jeweils für einen Teil der Schüler. Demnach muss es für eine Vollzeit-Schulöffnung gelingen, etwa drei Viertel der symptomatischen Infektionen zu erkennen und zu isolieren, um eine Ausbreitung effektiv eindämmen zu können. Zudem müsse dafür ein Großteil der Kontaktpersonen Infizierter erfasst werden.
Die Modellrechnung lasse darauf schließen, dass die Schulen in Großbritannien begleitet von einer effizienten Test- und Kontaktverfolgungsstrategie problemlos öffnen können, so Panovska-Griffiths. Ohne diese aber drohe in den Monaten darauf eine starke zweite Ausbruchswelle, selbst bei der Annahme, dass Kinder nur halb so ansteckend sind wie Erwachsene.
Viele Länder weltweit hatten auf die erste Corona-Infektionswelle unter anderem mit Schul- und Kitaschließungen reagiert, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Für Familien bedeutet das aber oft eine immense Belastung, zudem befürchten Experten, dass gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten im schulischen Bereich verstärkt den Anschluss verlieren. Auch Gewalt gegen Kinder und Missbrauch treten demnach häufiger auf, wenn die tägliche Betreuung in Schulen und Kitas wegfällt.
Darum betonen viele Experten: Die Kinder müssen zurück in Schule und Kita. Doch die Sorge ist groß, dass Ausbrüche dort das Infektionsgeschehen immens anheizen könnten. In kinderreichen Israel zum Beispiel gelten Schulen als einer der Hotspots beim Anstieg der Fallzahlen.
Andererseits lassen bisherige Analysen vermuten, dass sich Kinder nicht so oft anstecken wie Erwachsene und vor allem nur geringe oder keine Symptome entwickeln. "Bei Schulöffnungen sind wahrscheinlich eher die Lehrer das Problem: Sie reden laut, Schüler atmen die Tröpfchen ein", hatte der Leiter der Abteilung für Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie an der Freiburger Universitätskinderklinik, Philipp Henneke, kürzlich erklärt.