Pandemie Wieder Proteste gegen Corona-Politik
Berlin/Brüssel (dpa) - AAus Protest gegen die staatliche Corona-Politik sind am Wochenende erneut Tausende Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen. Vielerorts stellten sich ihnen Gegendemonstranten entgegen. Dabei blieb es weitgehend friedlich.
In Erfurt setzte die Polizei am Samstag Pfefferspray ein, um einen Weitermarsch eines Protestzuges gegen die Corona-Politik in Richtung Landtag zu verhindern, wie das Lagezentrum mitteilte. In Stuttgart protestierten Demonstranten vor dem Gebäude des Südwestrundfunks (SWR) gegen die Berichterstattung der Medien über die Pandemie.
"Lügenpresse", "Wir sind das Volk"
In Düsseldorf zogen nach Schätzungen der Polizei am Samstag mehr als 7500 Gegner der Corona-Politik durch die Innenstadt, in Freiburg waren es laut Polizei rund 5500, die auf etwa 2000 Gegendemonstranten trafen. In Saarbrücken demonstrierten am Sonntag nach Polizeiangaben rund 5000 Gegner der Corona-Maßnahmen. Kritiker gingen auch anderswo auf die Straßen, so etwa am Samstag in Hamburg, Schwerin, Offenbach, Chemnitz, Leipzig, Dresden, Regensburg und Ansbach. Vor dem SWR-Gebäude in Stuttgart riefen Demonstranten immer wieder "Lügenpresse" oder "Wir sind das Volk", wie ein Augenzeuge berichtete. Die Polizei forderte Teilnehmer auf, eine Maske zu tragen. Im schwäbischen Herrenberg protestierten am Sonntag laut Polizei 400 Teilnehmer einer AfD-Corona-Demonstration - und rund 1000 bei einer der Initiative "Herrenberg bleibt bunt". Bei einer Antifa-Veranstaltung mit 350 Gegendemonstranten wurden 20 in Gewahrsam genommen, weil sie laut Polizei gegen Beamte vorgegangen waren.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warf den Demonstranten vor, das Prinzip der Pressefreiheit nicht verstanden zu haben. Wer "Lügenpresse" rufe und behaupte, der SWR und andere Medien würden berichten, was ihnen "von oben" gesagt werde, der irre, erklärte der DJV-Landesverband Baden-Württemberg vom Samstag. "Gleichzeitig zu fordern, Medien sollten in ihrem Sinne berichten, ist absurd. Das offenbart wenig Verständnis dafür, wie unabhängige Medien arbeiten und funktionieren", sage der DJV-Landesvorsitzende Markus Pfalzgraf.
Nouripour sucht das Gespräch
Ein Teil der Corona-Protestszene lässt sich nach Einschätzung des Grünen-Politikers Omid Nouripour mit Gesprächen und Überzeugungsarbeit "zurückgewinnen". Nouripour, der sich gemeinsam mit Ricarda Lang um den Grünen-Parteivorsitz bewirbt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gibt da einen harten, teilweise militanten Kern, für den ich kein Verständnis habe, aber ich habe Empathie für viele, die da verunsichert mitlaufen."
Er habe Menschen besucht, die gegen die Covid-19-Impfungen seien, und habe solche Menschen auch in seinem Bekanntenkreis. In persönlichen Gesprächen merke er, "dass ihre individuellen Erfahrungen das Vertrauen in die Institutionen erschüttert haben". Anders sei der "harte Kern der Corona-Leugner" zu beurteilen. Das seien teilweise Menschen aus dem rechtsradikalen Milieu, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich infrage stellten: "Ich fürchte, bei ihnen ist Hopfen und Malz verloren."
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte der dpa in Hannover: "Viele der Teilnehmer sind letztlich gegen alles, was der Staat ihnen vorschreibt, und dagegen wenden sie sich." Sie beobachte bei den Demonstrationen "eine bedenkliche Form von Demokratie- und Staatsverdrossenheit".