Wende beim Parteitag? Trumps neue Töne
Diese Woche wählen die Republikaner Donald Trump zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Wie er dort zum unbestrittenen Parteiführer werden kann.
Donald Trump sitzt in seinem Privatflugzeug auf dem Weg nach Milwaukee, wo der Parteitag der Republikaner stattfinden soll. Eine große weiße Bandage an seinem rechten Ohr zeugt von dem Anschlag, den er leicht verletzt überlebt hat. In seinem ersten Interview nach den Schüssen bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania präsentiert er sich einem mitfliegenden Reporter der "New York Post" als veränderter Mann.
Er habe für den kommenden Parteitag eine "extrem harte Rede" vorbereitet, in der er die "korrupte und schreckliche Regierung" habe angreifen wollen – "aber ich habe sie weggeworfen", sagt er. Stattdessen habe er eine neue Rede vorbereitet, mit der er versuchen wolle, das Land zu vereinen. Das sei jedoch schwierig, denn die Menschen im Land hätten sehr unterschiedliche politische Ansichten.
Trumps Pläne vor dem Parteitag
"Manche Menschen wollen offene Grenzen, manche nicht. Einige sind dafür, dass Männer bei weiblichen Sportmannschaften mitspielen können, andere dagegen", sagte Trump weiter. Damit spielt der Ex-Präsident auf die Debatte um trans Menschen an, die nach der Transition hin zu einem anderen Geschlecht als vollwertiges Mitglied des selbigen angesehen werden wollen.
Für den 78-Jährigen sind das neue Töne. Als Kandidat, Präsident und Ex-Präsident zeigte Trump meist wenig Interesse daran, für das ganze Land zu sprechen. Stattdessen machte er Politik für seine Fans, die eine sehr laute Minderheit in den USA darstellen. Das brachte ihm häufig Probleme mit seiner eigenen Partei ein. Die Republikaner verloren mehrere Wahlen – und machten Trump dafür verantwortlich.
Doch das Attentat auf Trump scheint vieles verändert zu haben. Dieser Parteitag steht unter gänzlich anderen Vorzeichen als die in den Jahren zuvor. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick.
Was ist ein Nominierungsparteitag?
Die Republikaner sowie die Demokraten haben in allen Bundesstaaten parteiinterne Vorwahlen abgehalten. Unter anderem waren auch Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, und Nikki Haley, die ehemalige Gouverneurin von South Carolina, gegen Donald Trump angetreten. Der Ex-Präsident holte jedoch in den ersten Vorwahlen so viele Stimmen, dass seine Konkurrenten früh ausschieden und sich hinter ihm versammelten.
Das Gesamtergebnis muss nun noch auf nationaler Ebene offiziell bestätigt werden. Dies geschieht bei den jeweiligen Nominierungsparteitagen. Die Demokraten treffen sich dafür Mitte August in Chicago im Bundesstaat Illinois. Der republikanische Nominierungsparteitag findet vom 15. bis zum 18. Juli in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin statt.
Warum in Wisconsin?
Dass die Republikaner Wisconsin auserkoren haben, ist kein Zufall. Es handelt sich um einen "Swing State", der weder den Republikanern noch den Demokraten fest zugerechnet werden kann. Bei der Präsidentenwahl 2020 gewann der Demokrat Joe Biden dort nur haarscharf gegen Trump. Auch dieses Mal zeichnet sich ein äußerst enges Rennen ab.
Viele lokale Politiker begrüßen Nominierungsparteitage, unabhängig von der eigenen Parteizugehörigkeit, denn sie bringen wirtschaftliche Vorteile mit sich. Der Bürgermeister von Milwaukee ist Demokrat und hat sich aktiv um die Gastgeberrolle bemüht. 2020 sollte dort der Nominierungsparteitag der Demokraten stattfinden – doch die Corona-Pandemie machte diese Pläne zunichte.
Der Parteitag findet im sogenannten Fiserv Forum statt, das 18.000 Menschen fasst. Angemeldet sind jedoch mehr als 50.000 Besucher. Nicht alle dürfen sich gleichzeitig im Inneren der Halle aufhalten, stattdessen gibt es ein Rahmenprogramm an mehreren Orten in der Stadt, organisiert von rechten und rechtskonservativen Gruppen. Die 600.000-Einwohner-Stadt Milwaukee befindet sich derweil im Ausnahmezustand.
Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort?
Das Sicherheitskonzept für die Veranstaltung wurde lange vor dem Trump-Attentat ausgearbeitet. Die Hauptveranstaltungsorte sind nur mit einer im Vorhinein vom Secret Service erteilten Erlaubnis zu erreichen, und es kommen Metalldetektoren sowie Spürhunde zum Einsatz.
Nach den Schüssen wurde das Sicherheitsaufgebot auf Anweisung von Präsident Biden jedoch noch einmal erhöht. Zudem wurden einige Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen komplett abgesagt. Trumps Ankunft am Sonntag und seine Fahrt zum Luxushotel soll kilometerlange Staus und Chaos in Milwaukee ausgelöst haben, berichtet das "Handelsblatt".
Wer nimmt an dem Parteitag teil?
Neben Politikern, Parteimitgliedern und Pressevertretern kommen auch reisende Händler, Schaulustige und Demonstranten zum Parteitag. Die wohl wichtigsten Gäste bei jedem Nominierungsparteitag sind aber die Delegierten.
Delegierte sind Parteimitlieder, die aus allen 50 Bundesstaaten und sechs Territorien zum Nominierungsparteitag geschickt werden. Basierend auf den Vorwahlergebnissen küren sie den Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei. Das System ist uneinheitlich und äußerst komplex. Bei den Republikanern gibt es etwa 2.400 Delegierte. Um die Kandidatur zu gewinnen, muss sich ein Bewerber mindestens 1.215 Delegiertenstimmen gesichert haben. Diese Hürde nahm Trump bereits im März. Insgesamt stehen ihm nach Abschluss der republikanischen Vorwahlen mindestens 2.265 Delegiertenstimmen zu.
Theoretisch müssen sich nicht alle Delegierten an die Vorwahlergebnisse halten. Da Trump aber in nahezu jedem Bundesstaat klar gegen seine Mitbewerber gewonnen hat und außerdem starke Loyalität genießt, wird nicht mit einer parteiinternen Revolte gerechnet. Die formelle Nominierung ist für Montag angesetzt. In der Nacht auf Freitag (nach deutscher Zeit) folgt dann traditionell ein feierlicher Auftritt des frisch gekürten Kandidaten. Als großes Finale hält Trump seine Annahmerede.
Wann verkündet Trump seinen Vizekandidaten?
Es ist die Frage aller Fragen: Wer wird Trumps "running mate"? Der Republikaner kokettierte monatelang mit dem Vize-Thema, ohne konkret zu werden. t-online hat die aussichtsreichsten Kandidaten aufgelistet.
Als nach dem ersten TV-Duell die Demokraten in Panik verfielen, vermied es Trump geflissentlich, durch zu viel Getöse von der schmerzhaften Debatte um Bidens Alter und Gesundheit abzulenken. Die Frage nach seinem Vizekandidaten blieb unbeantwortet.
Der nun etablierte Spannungsbogen dürfte ganz nach Trumps Geschmack sein – es war schließlich eine Realityshow, die dem Unternehmer einst zu nationaler Berühmtheit verholfen hatte. Entertainment gehört zu seinem Verständnis von Politik. Medien berichten, dass sein Sohn Don Jr. den oder die Vize erst am Mittwoch vorstellen soll. In der jüngeren US-Geschichte wurde der Name meist kurz vor dem Nominierungsparteitag bekannt gegeben.
Trump am Höhepunkt seiner Macht?
Trump kann sich erstmals bei einem Nominierungsparteitag als klarer Anführer der Republikaner präsentieren. 2016 war er noch als Außenseiter angetreten und innerhalb der Partei sehr umstritten. Mehrere Parteipromis stellten sich gegen seine Kandidatur, weil sie ihn für zu vulgär und populistisch hielten und eine Niederlage gegen Hillary Clinton fürchteten. Doch trotz mehrere Skandale gelang Trump ein großer Wahlsieg.
2020 hinderte die Pandemie die Republikaner an einer großen, pompösen Veranstaltung. Angesichts der Niederlage bei der Wahl 2020 gegen Biden, dem darauffolgenden Kapitol-Sturm und der gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren drohte Trump zwischenzeitlich der parteiinterne Machtverlust.
Doch jetzt ist es ihm gelungen, die Republikaner hinter sich zu vereinen. Enge Familienmitglieder sowie loyale Anhänger hat Trump in Schlüsselpositionen der Partei installiert. Mitverantwortlich für die Finanzierung und Koordination der Zusammenkunft in Milwaukee ist etwa seine Schwiegertochter Lara Trump. Das Finale des demokratischen Prozesses könnte dann zur Krönung werden. Geplant ist eine Bühnenshow der Superlative, die Donald Trump zur Kultfigur erheben soll.
"Diese Parteitage sind längst keine Parteitage im eigentlichen Sinne mehr, auf denen um Inhalte und Personal gerungen wird. Sie sind eher Krönungsmessen", analysiert der Historiker Rick Perlstein in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche". Vor vier Jahren hätten die Republikaner sogar auf ein Wahlprogramm verzichtet und sich nur in ein paar Zeilen zu Trump bekannt. "Leider gibt es dafür ein deutsches Wort: Führerprinzip", so Perlstein.
- nypost.com: Grateful, defiant Trump recounts surviving ‘surreal’ assassination attempt at rally: ‘I’m supposed to be dead’ (englisch)
- handelsblatt.com: Trump soll auf Republikaner-Parteitag endgültig zur Kultfigur werden
- wiwo.de: "Wir sind an einem Punkt, an dem Trump keinen Widerspruch mehr dulden muss"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa