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Setzt die russische Armee Phosphorbomben in Mariupol ein? | Expertencheck


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Angriff auf Stahlwerk
Setzt die russische Armee Phosphorbomben ein?


Aktualisiert am 16.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Angriff auf das Asowstal-Werk in Mariupol: Regnet hier Phosphor vom Himmel?Vergrößern des Bildes
Angriff auf das Asowstal-Werk in Mariupol: Regnet hier Phosphor vom Himmel? (Quelle: Cover-Images/imago-images-bilder)
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Noch immer harren Hunderte Soldaten im Asowstal-Stahlwerk aus. Russland soll bei einem erneuten Angriff Phosphorbomben eingesetzt haben. Ein Experte hält auch eine andere Bombenart für möglich.

Weiße, hell glühende Lichter regneten am Sonntag auf das Stahlwerk Asowstal nieder. Videos zeigten die Explosionen, die in der letzten Bastion von Mariupols Kämpfern aufleuchteten. Alexander Chodakowski, ein Kommandeur der prorussischen selbsternannten Republik Donezk, veröffentlichte die Bilder. Bei den von Russland eingesetzten Bomben soll es sich laut Angaben der Ukraine um Phosphorbomben handeln – sicher ist das allerdings nicht, wie so vieles in diesen Tagen.

Seit Wochen verschanzen sich Hunderte ukrainische Soldaten in dem Stahlwerk. Trotz mehrfacher Aufforderung des Kremls: Aufgeben ist für sie keine Option. Laut Angaben der Ukraine harren noch rund 600 Soldaten in dem Werk aus, 40 von ihnen sollen schwer verletzt sein. Freilassen will die russische Armee sie nicht – im Gegenteil. Immer wieder gehen Angriffe auf das undurchdringliche Versteck der letzten Soldaten im Asowstal-Stahlwerk nieder. Doch waren es wirklich Phosphorbomben, die an diesem Tag den Boden erreichten?

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Phosphorbomben und ihre verheerende Wirkung

Durch Kontakt mit Sauerstoff entzünden sich diese Bomben und richten große Schäden an. Bomben mit weißem Phosphor werden eingesetzt, um Rauchschwaden zu erzeugen, etwa um Truppenbewegungen zu verschleiern, Ziele zu markieren oder Bunker und Gebäude in Brand zu setzen. Die Brände mit Wasser zu löschen, ist aussichtslos. Nur Sand erstickt die Flammen.

Für die Opfer sind diese Bomben besonders gefährlich: Die in den Bomben enthaltene Mischung aus weißem Phosphor und Kautschuk bleibt auf der Haut haften. Versucht man, es abzuwischen, verteilt sich der giftige Stoff noch weiter. Die Folgen: Verbrennungen, teils bis auf die Knochen. Die Dämpfe, die von den Phosphorbomben ausgehen, sind zudem hochgiftig. Betroffene, die sie einatmen, sterben oder leiden noch Jahre später an erheblichen Organschäden.

Thermitbomben – gefährlicher Brandregen

Nach Einschätzung von Alexander Kelle, Abrüstungsexperte vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, handelt es sich bei den eingesetzten Bomben möglicherweise nicht um Phosphor-, sondern um andere Brandbomben: um Thermitbomben. Die Bomben sind mit Thermit – einer Mischung aus Eisen(III)-oxid- und Aluminiumgranulat – gefüllt.

"Der militärische Nutzen für Russland könnte darin bestehen, die sehr starke Brandwirkung der Thermitbomben einzusetzen, um die im Stahlwerk verschanzten ukrainischen Soldaten aus ihren Bunkern zu treiben", so Abrüstungsexperte Kelle.

Auch wenn sie weniger giftig sind als Phosphorbomben, richten sie ebenso verheerende Brände an. Doch nicht nur das: Obwohl es sich bei den Thermitbomben technisch gesehen nicht um international geächtete Splitterbomben handelt, da sie sich schon in der Luft und nicht erst am Boden entzünden, gibt es eine ähnliche Gefahr: "Thermitbomben haben eine Vielzahl von sogenannten Submunitionen, in denen das Thermit eingeschlossen ist", erklärt Abrüstungsexperte Kelle. So könnten die Submunitionen, die beim Einsatz nicht ausgelöst werden, auch später noch zünden. Die Gefahr für die Bevölkerung wäre also auch noch nach dem Krieg enorm.

Angriff mit Brandbomben – ein Kriegsverbrechen?

Völkerrechtlich sind Thermitbomben laut Kelle weitestgehend verboten – bis auf wenige Ausnahmen. Ob diese auch im Fall des russischen Angriffs auf das Stahlwerk zutreffen, lasse sich aus der Ferne jedoch nur schwer beurteilen.

So dürfen Brandbomben wie Thermit- und Phosphorbomben laut der UN-Waffenkonvention (CCW), zu der sich auch Russland bekannt hat, nicht auf zivile Ziele abgeworfen werden und auch nicht auf militärische Ziele "innerhalb einer Konzentration von Zivilpersonen", also etwa auf Dörfer oder Ziele innerhalb einer Stadt.

Das Asowstal-Stahlwerk liegt, wenn auch nicht mitten in der Hafenstadt, so doch nahe an öffentlichen Plätzen. Nur wenige Hundert Meter entfernt befanden sich vor Ausbruch des Krieges noch Hotels. Inzwischen ist die Hafenstadt weitestgehend zerstört. Ob sich Zivilisten nahe dem Stahlwerk befanden und die russischen Truppen mit dem Einsatz der Waffe in Asowstal ein Kriegsverbrechen begangen haben, wird wohl noch Gegenstand von Ermittlungen werden.

Denn: Im Allgemeinen dürfen die Brandbomben eingesetzt werden – sofern sie ausschließlich militärische Ziele treffen. Menschenrechtsorganisationen fordern aufgrund der schweren Verbrennungen, die besonders Phosphorbomben verursachen, jedoch immer wieder, diese gänzlich zu verbieten.

Wohl nicht der erste Einsatz

Der Vorwurf, dass Russland Phosphorbomben im Kampf einsetzt, ist nicht neu: Bereits im März veröffentlichte der britische Sender ITV ein Video, das angeblich eine "weiße Phosphorbombe" über der Stadt Irpin nahe Kiew zeigt. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab an, dass mehrere Zivilisten durch den Einsatz "russischer Phosphorbomben" getötet worden seien.

Ein britischer Militärexperte vermutete ebenfalls, dass es sich bei dem Angriff auf das Stahlwerk um Phosphor- oder Brandbomben gehandelt habe. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfrage an Alexander Kelle, Abrüstungsexperte vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
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