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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Plopp" bei minus 130 Grad Was Sektkorken und Kampfjets gemein haben
Der Druck lässt den Sektkorken aus der Flasche schießen, so viel ist auch Laien klar. Aber woher kommt eigentlich der Knall, fragten sich Forscher aus Wien.
Wenn das neue Jahr begrüßt, ein Jubiläum gefeiert oder ein Sieger gekürt wird, geht das am besten mit einer Flasche Champagner oder Sekt. Den Korken knallen zu lassen, ist dabei wie ein Startschuss für die Fröhlichkeit.
Aber warum knallt der Korken eigentlich? Klar, eine Sektflasche steht durch das im Gärungsprozess entstandene Kohlendioxid unter enormem Druck. Und wird die metallene Halteklammer am Korken gelöst, kann dieser entweichen. Woher allerdings der laute "Plopp" kommt, haben jetzt Lukas Wagner und seine Kollegen von der Technischen Universität in Wien entschlüsselt.
Das Zauberwort ist tatsächlich "Überschall"
Mithilfe von aufwendigen Computersimulationen seien die Forscher auf erstaunliche Phänomene gestoßen, schreibt die Universität in einer Pressemitteilung. So bildet sich tatsächlich eine Überschall-Stoßwelle. Dabei könne der entweichende Gasstrom "mehr als die eineinhalbfache Schallgeschwindigkeit" erreichen, heißt es. Die Ergebnisse der Champagner-Studien seien auch für andere Anwendungen wichtig, bei denen es um Gasströmungen, um ballistische Flugkörper, Projektile oder Raketen geht.
Die komplizierte Physik hinter dem "Plopp"
Was passiert nun also? Sobald der Sektkorken gelockert wird, beginnt sich das zwischen Korken und Flaschenöffnung komprimierte Gas auszudehnen und seitlich zu entweichen. Trotzdem wird diese Ausdehnung zunächst durch die Reibung des Korkens am Flaschenhals gebremst. Sobald der Korken sich dann löst, geschehen zwei entscheidende Dinge:
1. Der Korken selbst dehnt sich abrupt aus, was eine Druckwelle erzeugt. "Der Sektkorken selbst fliegt mit einer vergleichsweise geringen Geschwindigkeit davon, er erreicht vielleicht 20 Meter pro Sekunde", sagt Wagner.
2. Gleichzeitig erhält das zuvor komprimierte Gas im Flaschenhals freie Bahn und dehnt sich nahezu explosionsartig aus. Dies resultiert in einem rasanten Gasausstoß aus der Flasche. Wagner erläutert: "Es überholt den Korken, strömt an ihm vorbei und erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 400 Metern pro Sekunde."
Gasstrahl durchbricht die Schallmauer
Das ist schneller als die Schallgeschwindigkeit und bedeutet, dass der Gasstrahl tatsächlich die Schallmauer durchbricht. Dieser Vorgang geht mit einer Stoßwelle einher.
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Bis hierhin kann der Laie die Vorgänge noch leicht nachvollziehen. Kompliziert wird es aber jetzt. Normalerweise ändern sich Größen wie Druck und Temperatur in einem Gas kontinuierlich: Zwei Punkte, die sich nahe aneinander befinden, haben auch ungefähr den gleichen Luftdruck, erläutern die Forscher. Wenn aber eine Stoßwelle entsteht, ist das anders. Dann kommt es zu Sprüngen in diesen Größen, zu sogenannten Unstetigkeiten.
Diese Stelle im Gasstrahl, an der sich der Druck abrupt verändert, wird auch als "Mach-Scheibe" bezeichnet. Ähnliche Phänomene kennt man auch von Überschallflugzeugen oder Raketen, bei denen der Abgasstrahl mit hoher Geschwindigkeit aus den Triebwerken austritt, erklären die Wissenschaftler. Die Mach-Scheibe bildet sich zunächst zwischen Flasche und Kork und bewegt sich dann zurück in Richtung Flaschenöffnung.
Der hörbare Knall beim Öffnen der Flasche ist also eine Kombination aus unterschiedlichen Effekten: Erstens dehnt sich der Korken abrupt aus, sobald er die Flasche verlassen hat und erzeugt dadurch eine Druckwelle, und zweitens hört man die Stoßwelle, erzeugt durch den überschallschnellen Gasstrahl. Ein bisschen, wie wenn ein Kampfjet die Schallmauer durchbricht und wir es auf der Erde knallen hören. Beides gemeinsam ist für den charakteristischen Klang des Sektkorken-Ploppens verantwortlich.
Und dann wird es eisig
Übrigens: Beim Öffnen der Champagnerflasche ändert sich nicht nur der Gasdruck schlagartig, sondern auch die Temperatur. "Wenn Gas expandiert, dann wird es kühler, das kennt man von Sprühdosen", so Wagner. Bei der Sektflasche ist dieser Effekt sehr stark ausgeprägt. Punktuell könne das Gas auf bis zu minus 130 Grad Celsius abkühlen.
Das Getränk selbst ist davon nicht betroffen, sondern kann kühlschranktemperiert genossen werden. Na dann, Prost.
- idw Informationsdienst Wissenschaft: "Endlich geklärt: Die Physik des Sektkorkenknallens"