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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Billige Kopie oder gelungener Duft? Das können die Parfüms aus dem Discounter
Parfüms, die annährend wie Chanel No. 5 oder Dior duften, aber nur einen Bruchteil des Preises kosten? Duftzwillinge bieten genau das, sparen aber woanders.
Das Parfüm "Flower" von Kenzo kostet knapp 70 Euro. Wer einen ähnlich anmutenden Duft weitaus günstiger haben möchte, kann zu einem sogenannten "Dupe" greifen, einem Duftzwilling des Markenduftes. Im Falle des bekannten Parfüms wäre das "Flowery Red" von Anna Biondi. Aldi bietet die Flasche mit 75 Milliliter Inhalt für nur fünf Euro an und somit zu einem Bruchteil des Preises.
Aber wie kommt der niedrige Preis zustande? Und sind die Billigdüfte genauso gut wie die Originale? t-online hat in der Parfümindustrie und bei Verbrauchern nachgehört.
Beinahe wie das Original
"Der Name und die Verpackung weisen ja eindeutig auf Kenzo Flower hin – und der Inhalt ebenfalls", schreibt eine Userin auf parfumo.de, einem Internetforum, in dem Parfüm-Liebhaber Düfte bewerten und weiterempfehlen können. Dieselbe Userin habe einer Freundin bereits "Brilliant Gold" empfohlen. Dieser Duft erinnere sie an Diors "J'adore". Mit dem einzigen Unterschied, dass das Fläschchen 90 Euro günstiger ist als das Original.
Neben Aldi macht auch Lidl mit preisgünstigen Düften auf sich aufmerksam. Den "Suddenly Woman"-Flakon mit 50 Milliliter Inhalt gibt es für etwa vier Euro.
Das Parfüm soll an das berühmte Chanel No. 5 erinnern. Derzeit vertreibt der Discounter mit "Suddenly Fragrances" bundesweit Parfüms für Damen und Herren.
Die Parfüm-Reihe bedient dabei verschiedene Geschmäcker, wie "Madame Glamour", das für ebenfalls fünf Euro dem Duft "Coco Mademoiselle" von Chanel ähneln soll. "Homme Paris" beschreibt ein Nutzer als "Sauvage-Klon". Dieser rieche natürlich nicht wie das Original, sei auch wässriger, aber der Preis überzeuge. Ein anderes Forenmitglied äußert Bedenken. Ein Duft für fünf Euro lasse sich schlecht mit einem Duft für 100 Euro vergleichen.
So wird bei der Herstellung gespart
Wie gut ist also gut genug? Egal wie sehr ein Duftzwilling dem Originalduft ähnelt, es ist keine Fälschung. Die günstigen Parfüms täuschen an und versprechen nicht zu viel. Denn damit die Preise niedrig bleiben, sparen die Hersteller der Dupes bei der Produktion ihrer Duftkollektionen.
Statt natürlicher Aromen bestehen Duftzwillinge häufig aus synthetischen Stoffen. Und auch die Fläschchen, die sogenannten Flakons, sehen eher schlicht aus. Hinter den Parfüms in den Regalen von Aldi, Lidl, Rossmann und Co. stecken also keine komplizierten Verfahrenstechniken. Und: Werbespots mit Hollywood-Größen fallen ebenfalls weg.
"Wer das Original kauft, kauft die Idee dahinter"
"Suddenly Woman" bietet also eher eine Prise von Chanel, ohne Chanel sein zu wollen. "Was man kauft, zum Beispiel bei einer teuren Uhr, ist oft auch die Idee dahinter – und nicht die Anmutung davon", sagt Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverbandes Parfümerien, t-online. Das gelte auch für hochwertige Parfüms. "Qualitätsunterschiede zwischen einem Dupe und einem Markenduft gibt es neben der Idee, der Verpackung und dem Flakon auch in der Herstellung", sagt der Duftexperte.
Zum Beispiel Chanel: Seit 1921 arbeitet Chanel mit einer Familie zusammen, die bis heute auf ihren Blumenfeldern im südfranzösischen Grasse Jasmin und verschiedene Rosensorten anbaut. Diese Aufzucht ist nur für Chanel bestimmt. "Das heißt, die Duftstoffe sind natürlichen Ursprungs, werden in Europa angebaut und das Parfüm auch dort hergestellt. Das ist natürlich teuer – und von einem hochwertigen Produkt kann ich sowas auch erwarten", sagt Keldenich.
Duftzwillinge sind "eher brauchbar und funktional"
Aber die originalen Düfte heben sich nicht allein in der Qualität des Inhalts von Duftzwillingen ab. Wenn es nach Keldenich geht, sind Marken-Parfüms mit den Dupes nur schwer zu vergleichen. Mehr noch: Duftzwillinge sind einfach anders. "Mit einem Dupe kauft man ein komplett neues Produkt und nicht die Vorstellung eines Duftes." Demnach gibt es laut Keldenich auch keine "schlechten Produkte". Entsprechend der europäischen Kosmetikrichtlinie seien Duftzwillinge eher brauchbar und funktional.
"Ein synthetischer Stoff muss nicht schlechter sein als ein natürlicher, ein teurer nicht schlechter als ein billiger. Hier reden wir von anderen Wertigkeiten." Das Dufterlebnis sei bei einem Discounter-Parfüm ein anderes. "Denn bei einem Duft rieche ich zunächst nicht, ob es ein Duftzwilling ist. Das ändert sich natürlich, wenn die Kopfnote verduftet ist, es also kürzer auf der Haut hält als bei einem Markenduft", so Keldenich.
Was Kopf und Herz mit einem Duft zu tun haben
Wie funktioniert das Dufterlebnis eigentlich? Kopf-, Herz- und Basisnote beschreiben den Duftverlauf eines Parfüms.
- Die Kopfnote wirkt hierbei direkt nach dem Auftragen für nur wenige Minuten. Sie beschreibt den intensivsten Moment, an dem besonders leicht verfliegende zitrische und aquatische Duftnoten auffallen. Hier entfaltet der Duft seine volle Intensität.
- Die Herznote hält länger, meist drei bis vier Stunden und riecht oft blumig.
- Die Basisnote beschreibt das Ende des Duftverlaufes. Meist hält diese Note länger als die Herznote. Sie soll das Duftbild abrunden. Bei Discounter-Parfüms verfliegen diese Noten teils schneller als bei ihren Marken-Vorbildern.
Übrigens nutzen auch hochpreisige Düfte bekannter Parfümeure teilweise synthetische Stoffe, um ihre Düfte zu veredeln – zum Beispiel um die Basisnote in die Länge zu ziehen.
Spuren von Künstlichkeit kommen somit auch bei Meister-Parfümeuren vor. So sagte der bekannte Duftentwickler Alberto Morillas, der Düfte von Yves Saint Laurent, Kenzo oder Giorgio Armani prägte, einmal in einem "Stern"-Interview, er könne nie ein Parfüm ohne natürliche Essenzen kreieren, das sich mit synthetischen Molekülen verbindet.
Eine Kopie ist und bleibt eine Kopie
Natürliche Inhaltsstoffe allein machen also noch kein teures Parfüm aus. Die Komposition eines Duftes und die dahinter stehende Idee sind für die Qualität entscheidend. "Wenn ich mir die Kopie eines van Goghs in die Wohnung hänge, dann habe ich noch immer eine Kopie. Das gilt auch für Dupes", meint Keldenich.
Der Parfümeur Marc vom Ende sieht es ähnlich. Um einen Duft zu entwickeln, komme es auf mehr als nur den bloßen Geruch an. "Natürlich sind diese Düfte günstiger, weil die ganzen Entwicklungskosten wegfallen. Es geht nicht darum, dass man das bezahlt, was in den Flakons ist, sondern dass man eine Kreation, ein Kunstwerk bezahlt", sagt der Duftentwickler. "Die Frage ist doch: Geht es um eine Kopie oder eine Inspiration?"
Ein gutes Parfüm beinhalte eine stimmige Duftkomposition. Diese beschreibt die Zusammensetzung von Duftnoten, mit denen der Parfümeur ein Bild erstellt. "Das kann zum Beispiel eine Naturdarstellung sein, die um ein paar Fruchtnoten bereichert wird. Vom Auftragezeitpunkt bis zur Basis folgt ein harmonischer Verlauf. Er muss jemanden berühren. Aber ob der Duft gefällt, hängt von Erlebnissen und Wahrnehmung ab und ist deshalb immer subjektiv", sagt vom Ende.
Die Faszination des Flakons
Der Preis für ein hochwertiges Parfüm kommt auch durch die kunstvolle Gestaltung des Flakons zustande. "Es gab mal einen Duft, den gibt es heute gar nicht mehr auf dem Markt", sagt vom Ende. "Contradiction, zu Deutsch Widerspruch. Ein langgezogener Flakon mit langgezogenem Deckel, dem der Boden des Flakons entgegengestellt wurde. Die Kopfnote wurde der Basisnote gegenübergestellt, mit einer Lücke in der Herznote. Es hielt sehr lang und dann verflüchtige es sich. Es war ein beinahe verstörender Duft", erklärt der Parfümeur.
Die Struktur einer aufwendig gestalteten Flasche verrät die Struktur des Duftes. Somit werden Parfüms zu formvollendeten Kunstwerken erklärt. Der Flakon zeigt: Für edle Düfte bezahlen Verbraucher immer auch mehr als nur den Inhalt und den Namen.
Der Duftentwickler rät zum Original
Wird ein Duft kopiert, sei das für einen Parfümeur auch ein Ritterschlag, meint Marc vom Ende. Ihm sei das selbst schon passiert und aus Respekt nenne er auch keine Namen. "Aber eigentlich ist es eine Ehrensache, den Duft eines Kollegen nicht zu kopieren." Kopien von Düften verurteile er nicht, sehe hinter diesem Konzept aber nur ein Verkaufsargument: billige Düfte, die an ein Original erinnern sollen.
"Ich würde eher raten, das Original zu kaufen. Damit unterstützt man, dass es weiter Häuser gibt, die sich über Düfte und Kompositionen Gedanken machen und etwas Neues kreieren können", sagt er. Schließlich würden Parfümeure wie auch Maler ihre Inspirationen aus ihrer Zeit und Umwelt sammeln und dadurch neue Düfte und Kunstwerke kreieren.
Elmar Keldenich misst vor allem dem ideellen Hintergedanken eines Marken-Parfüms einen großen Wert bei. "Für mich als Verbraucher ist es auch nur fair, die Idee hinter dem Duft zu honorieren. Dann bleibe ich auch beim Original, wenn ich es mir leisten kann", sagt er.
Am Ende können die Verbraucher selbst entscheiden, was ihnen wichtig ist. Eine Zitrusnote verfliegt schnell – egal ob es sich bei dem Produkt um ein Marken-Parfüm oder ein Dupe handelt. Wer Geld sparen möchte und weniger wert auf eine gut abgestimmte oder lang anhaltende Duftkomposition legt, macht mit einem Duftzwilling nichts verkehrt. Wer hingegen eine hochwertige Verarbeitung und das Kunstwerk hinter dem Fläschchen kaufen möchte, sollte das Original auftragen. Am Ende gilt nur, was der eigenen Nase gefällt.
- bellevue.nzz.ch: "Zu Besuch in Grasse, auf den Duft-Feldern von Chanel"
- derstandard.de: "Mit Influencern über französische Blumenfelder"
- parfumo.de: Bewertungen und Kommentare zu "Brilliand Gold" und "Flowery Red" von Anna Biondi
- ruhr24.de: "Duftzwillinge: Parfums von Aldi und Lidl ähneln Edel-Marken – mit einem Nachteil"
- stern.de: "Parfüms haben kein Geschlecht, "es ist nur die Emotion, die zählt", findet Alberto Morillas"
- Gespräch mit Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverbandes Parfümerien e.V.
- Gespräch mit Marc vom Ende, Parfümeur