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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sexuelle Probleme Expertin: Pornoschauen ist der schlimmste Lustkiller
Sex ist die schönsten Nebensache der Welt - vorausgesetzt das Liebesleben funktioniert. Immer mehr Menschen klagen jedoch über sexuelle Probleme. Im Interview mit ElitePartner klärt die Sexualtherapeutin Beatrice Poschenrieder über die häufigsten sexuellen Probleme und Störungen auf und nennt die schlimmsten Lustkiller: die zunehmende Sexualisierung im Internet und die Pornografie.
Was sind die häufigsten sexuellen Störungen und Probleme, mit denen Sie in Ihrer Beratung konfrontiert werden?
Beatrice Poschenrieder: Das mit Abstand am häufigsten vorgebrachte Problem ist Lustmangel. Während es bei den Jüngeren eher die Frauen betrifft, klagen auch vermehrt Männer ab 30 über das Ausbleiben von Lustempfindung.
Welche Gründe vermuten Sie dahinter?
Beatrice Poschenrieder: Zum einen sehe ich den stressigen Alltag als Auslöser. Hinter Stress steht Angst, und Angst verspannt oder blockiert den Körper. Auch die zunehmende Sexualisierung im Internet, sprich Pornografie, hat meiner Ansicht nach einen großen Einfluss: Der Konsum von Pornos führt dazu, dass man an sich selbst neue Maßstäbe anlegt: Anstelle von einer fließenden Sexualität, in der man auf sein Gegenüber eingeht, macht man unpersönlichen Sex oder Hochleistung zum Maßstab. Nicht zuletzt führt das uns heute aufgedrückte und in den Medien gespiegelte Schönheitsideal zu Lustmangel.
Gibt es neben der Lustlosigkeit noch andere Probleme, die häufig vorkommen?
Beatrice Poschenrieder: Viele Männer kommen wegen Erektionsproblemen zu mir und zunehmend auch mit Problemen, zum Orgasmus zu kommen. Eine der Ursachen ist häufig "Pornonanie": Man onaniert viel zu viel zu Pornos und konditioniert sich selbst auf diese Bilder und die eigene Stimulation, statt auf die reelle Partnerin und die Stimulation durch den Sex mit ihr. Ein weiteres verbreitetes Thema bei Männern ist vorzeitiger Erguss. Auch bei Frauen sind neben der Lustlosigkeit Orgasmusprobleme ein häufiges Thema. Die meisten Frauen können sich zwar selbst zum Orgasmus bringen, manche schaffen es aber mit ihrem Partner zusammen nicht. Oft liegt das daran, dass sie sich zu sehr verkrampfen, weil sie sich ein Leistungsideal auferlegen (lassen), das zum Beispiel aus Pornos stammt. Viele Frauen geben dem Partner auch keine genaue Anleitung, wie sie funktionieren und der Partner ist zum Beispiel viel zu grob, wird aber nicht angeleitet, wie er es besser machen kann. Ein weiteres Thema bei Frauen sind Schmerzen beziehungsweise Missempfindungen beim Sex. Manchmal sind die Partner auch schlichtweg sexuell nicht kompatibel. Der eine mag es eher zärtlich und der andere steht auf schnelle Nummern.
Kann man sagen, dass jeder im Laufe des Lebens mit sexuellen Problemen zu tun haben wird?
Beatrice Poschenrieder: Jeder würde ich nicht sagen. Aber die meisten. Ob man anfällig dafür ist, hängt auch stark vom Selbstwertgefühl und der Stärke des Ich-Kerns ab. Wer viel davon besitzt, hat seine eigenen Maßstäbe, statt sich von denen des Partners oder der Sexindustrie irritieren zu lassen.
Ist Frauen und Männern der Sex in einer Beziehung gleich wichtig oder verbinden sie damit unterschiedliche Dinge?
Beatrice Poschenrieder: Für Frauen entsteht durch Körperlichkeit eine engere Verbindung und Zugehörigkeit mit dem Partner. Deswegen fühlen sich viele ungeliebt, wenn der Partner keine Lust hat oder etwas beim Sex nicht funktioniert. Auf Männer trifft das im Allgemeinen auch zu, allerdings neigen sie dazu, anders damit umzugehen. Während manche Frauen, wenn der Partner sie sexuell abwehrt oder sein Körper streikt, die "Schuld" bei sich suchen, nehmen manche Männer, deren Partnerin lustlos ist, das Gefühl des Nicht-Geliebt-Werdens nicht bewusst wahr, sondern suchen die Schuld im Außen: z.B. schieben sie es auf die Frau ("mit dir stimmt was nicht") oder auf Stress.
Haben Sie einen Tipp für Paare, wie sie ihr Sexleben besser oder aufregender gestalten können?
Beatrice Poschenrieder: Menschliche Sexualität ist ein komplexes Zusammenspiel von Biologie und Psychologie. Wenn zwischen zwei Menschen das Sexleben fad geworden ist, geht es meistens erst mal gar nicht darum, wie man es durch Praxistipps "aufregender" machen kann, sondern man muss zum Beispiel schauen: Was geht da zwischen uns ab? Was fehlt? Und jeder für sich: Was brauche ich, damit sich Sexualität richtig gut anfühlt? Und zwar nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern auch auf emotionaler? Gut ist, sich diese Gedanken zu notieren und dem Partner zu zeigen.