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Cornelia Funke kritisiert Kinderarbeit in Schulen: Lehrer spricht Klartext


Meinung
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Debatte ums Schulsystem
Diese Kritik geht zu weit

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

Aktualisiert am 15.11.2024Lesedauer: 3 Min.
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Schulklasse in Bayern: Markus Söder will nicht über Änderungen am Schulsystem sprechen. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)
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Deutschlands bekannteste Kinderbuchautorin Cornelia Funke nennt das Schulsystem einen "Ort unbezahlter Kinderarbeit". Eine drastische Aussage, die zunächst wie ein Affront wirken mag.

Heute, nach einer Unterrichtsstunde mit meiner 10. Klasse, war ich gut gelaunt: In den ersten fünfzehn Minuten beantwortete ich eine Schülerfrage zu den Strategien der US-Wahlkandidaten Donald Trump und Kamala Harris – ein Ritual, das wir eingeführt haben, um den Unterricht in einen größeren gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Anschließend arbeiteten die Jugendlichen an Texterörterungen zu selbst gewählten Kolumnen. Während ich durch die Klasse ging, Formulierungsfragen klärte und Feedback gab, hatte ich nicht das Gefühl, in einem Arbeitslager zu stehen.

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Bildungsinfluencer und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist ab sofort im Handel erhältlich.

Insofern hätte ich wütend und enttäuscht auf die Äußerungen von Cornelia Funke reagieren können. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" hatte Deutschlands bekannteste Kinderbuchautorin davon gesprochen, Schule sei eine "Kinder-Aufbewahrung". Nach langen Unterrichtstagen würden Schüler dann noch zu Hause von Hausaufgaben überwältigt. Sie fragte: "Wie viel von unserem Schulwissen wenden wir wirklich an? Wie viel hilft uns, diese Welt zu begreifen und einen Beitrag zu ihrer Verbesserung zu leisten?"

Dass Funkes Worte Wirkung entfalten, verstehe ich trotzdem. Denn sie hat damit Fragen aufgegriffen, die im Bildungssystem dringend mehr Aufmerksamkeit verdienen: Nimmt Schule den Kindern tatsächlich ihre Kindheit? Schafft sie Raum für Entfaltung, oder überfordert sie diese mit starren Strukturen und endlosem Druck?

Geht es in der Schule um Wissen?

Diese Fragen sind berechtigt. Vielleicht müssen wir sie sogar erweitern: Geht es in der Schule wirklich um die Vermittlung von Wissen? In einer Welt, in der Informationen allgegenwärtig sind, scheint es wichtiger, mit diesem Wissen umgehen zu können, als es auswendig zu lernen. Erst, wer Informationen so verarbeitet, dass sie als echtes Wissen nutzbar werden, kann die komplexe Welt und Zeit, in der wir leben, verstehen.

Es gibt Schulen, die es anders machen

Der englische Philosoph Alfred North Whitehead brachte es auf den Punkt: "Bildung ist der Erwerb der Kunstfertigkeit, sich Wissen nutzbar zu machen." In dieser über 70 Jahre alten Definition steckt alles, was Schule heute ausmachen sollte. Doch um diesen Anspruch zu erfüllen, müssten wir grundlegende Säulen des Systems hinterfragen. Schulen sollten nicht länger Orte starrer Routinen sein, sondern Räume, die individuelles Lernen fördern und echte Relevanz schaffen.

Die Paradoxie solcher Kritik am Bildungssystem ist mir nur zu gut bekannt: Oft fühlen sich gerade die Lehrkräfte gemaßregelt, die bereits versuchen, Schule anders zu gestalten – das Lernen zu begleiten, die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und schulische Inhalte mit Sinnhaftigkeit zu füllen. Und es gibt längst Schulen, die diese Ideale umsetzen. Sie schaffen eine Lernumgebung, die nichts mit den starren Strukturen gemein hat, die Funke so harsch kritisiert.

Es braucht auch andere Strukturen

Allerdings: Diejenigen, die sich tatsächlich angesprochen fühlen sollten, werden sich vielleicht echauffieren und trotzdem weitermachen wie bisher. Um das Schulsystem insgesamt zu ändern, sind nicht nur politische Maßnahmen notwendig, wie sie seit Jahrzehnten ausbleiben, sondern auch die Bereitschaft, auf die Betroffenen zu hören: die Kinder und Jugendlichen. Dass ein bayerischer Ministerpräsident wie Markus Söder seine Kultusministerin zurückpfeift, als diese auf eine Petition zur Abschaffung unangekündigter Tests und Leistungskontrollen eingehen wollte, ist ein trauriges Beispiel für das Gegenteil.

Nein, Schule ist keine unbezahlte Kinderarbeit. Doch sie ist auch noch nicht flächendeckend ein Ort des sinnstiftenden Lernens. Cornelia Funke bringt es so auf den Punkt: "Wenn ich einen Zauberstab hätte, würde ich unser Schulsystem grundlegend ändern." Veränderung erfordert allerdings keinen Zauberstab, sondern Lehrkräfte, die gelassen bleiben, sich nicht persönlich angegriffen fühlen und mit Überzeugung weiter daran arbeiten, Schule zu einem besseren Ort zu machen. Aber auch – und das ist entscheidend – Strukturen, die dies ermöglichen.

Dass Funke diese Diskussion mit ihren klaren Worten erneut angestoßen hat, verdient Anerkennung. Es braucht mehr Menschen wie sie, die mit ihrem Einfluss Veränderungen einfordern. Und es braucht auch die Anerkennung, dass es viele Lehrerinnen und Lehrer gibt, die jetzt schon Großes leisten.

Verwendete Quellen
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