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Kinderpsychologie: Gefühle von Kindern ernst nehmen


"Ist doch nicht so schlimm"
Gefühle von Kindern wirklich ernst nehmen

Eltern haben das Bedürfnis, ihre Kinder zu trösten, wenn sie sich wehgetan haben oder traurig sind. Oft hört man dann ein gut gemeintes "ist doch nicht so schlimm!" Aber: Wäre es für das Kind nicht schlimm, würde es auch nicht weinen. Ein solcher Satz hilft also nicht. So reagieren Eltern besser auf die Gefühle ihrer Kinder.

Aktualisiert am 14.06.2016|Lesedauer: 4 Min.
t-online, Simone Blaß
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Der Mensch entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Nehmen wir das Laufenlernen. Es dauert eine Weile bis Kinder - egal, welchen Weg sie dahin nehmen - beim freien Laufen angelangt sind. Sie krabbeln oder robben zuerst, bevor sie sich, meist mit dem Sitzen, in die nächste Ebene begeben. Dass es beim Lernen immer wieder zu kleinen Rückschlägen kommt, ist normal. Die Kinder fallen, rutschen aus, stoßen sich an und lernen dabei, wieder aufzustehen. Und wenn man sie beobachtet und einfach einmal in einer sicheren Umgebung machen lässt, kann man deutlich sehen, dass sie unermüdlich kleine Widrigkeiten überwinden.

Kleinkinder: "Das ist doch kein Grund zum Weinen!" Mit diesem Satz lässt sich kein Kind trösten.Vergrößern des Bildes
"Das ist doch kein Grund zum Weinen!" Mit diesem Satz lässt sich kein Kind trösten. (Quelle: imago-images-bilder)

Es braucht ein paar Zutaten, um Selbstvertrauen zu entwickeln

In der Entwicklungspsychologie läuft das unter dem Fachbegriff "Resilienz", vergleichbar mit der Fähigkeit eines Stehaufmännchens. "Kinder müssen auch lernen, die Widrigkeiten des Lebens zu meistern. Und dazu ist es notwendig, eine gewisse Widerstandsfähigkeit zu entwickeln", erklärt die Diplom-Sozialpädagogin Claudia Lindner. Doch für diese Widerstandsfähigkeit braucht man eine gute Portion Zuversicht. Und ganz wichtig: eine emotionale Basis. Die Sicherheit des sozialen Netzes, aber auch das Vertrauen in sich selbst, müssen sich erst aufbauen. Das kann bei dem einen Kind auch mal ein bisschen länger dauern als bei einem anderen.

Der schmale Grat zwischen emotionaler Blockade und Wehleidigkeit

Sätze wie "Jetzt wein‘ doch nicht!", "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" oder "Ist doch nicht so schlimm" sind genauso unangebracht wie das Gegenteil. Es bringt dem Kind nämlich auch nichts, wenn man es über Gebühr tröstet, es dauernd als "arm" bezeichnet und einen kleinen Sturz tagelang zum Thema macht. Man sollte Gefühle also weder unterdrücken noch beim Umgang mit ihnen übertreiben. Das verwirrt das Kind und kann langfristig dazu führen, dass es seinen eigenen Emotionen nicht mehr vertraut und unsicher wird.

Besonders häufig kann man das nach wie vor bei Jungs beobachten, weiß Lindner. "'Bist du ein Mann oder ein Waschlappen?', hat mein Vater mal meinen Bruder gefragt. Und der entschied sich mutig für den Waschlappen. Aber im Ernst, ich glaube, dass tendenziell eher den Mädchen eine gewisse Weinerlichkeit zugestanden wird. Vor allem Väter und Großväter haben aufgrund ihrer eigenen Erziehung noch manches Mal ein Problem damit, wenn ein Junge seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Aber ich bin sicher, das wird sich auf lange Sicht ändern, denn auch Männer brauchen erst einmal Vorbilder, die fähig sind, Emotionen und Bedürfnisse zu äußern."

Süßigkeiten sind kein Trost

Ablenkung ist übrigens nur bedingt eine Lösung. "Natürlich gibt es Situationen, da macht es schon Sinn, das Kind aus einem Gefühlsstrudel zu holen, indem man es geschickt ablenkt. Wenn ich allerdings mit der Schokolade winke, um zu trösten, dann sende ich vollkommen falsche Signale." Claudia Lindner erklärt, dass diese schnell zu ungünstigen Verknüpfungen führen können. "Viele Eltern und Großeltern lenken das Kind ab, weil sie es selbst nicht ertragen können, dass es leidet. Besser ist es aber, die Präsenz aufzubringen. Dem Kind zu zeigen, ich bin bei dir, ich halte dich und ich halte das auch gut aus!"

Das Verhalten der Eltern wird gerne mal ausgetestet

"Ein Kind möchte nicht bedauert werden. Es ist nicht arm, es hat alle Fähigkeiten mitbekommen, um auch mit solchen Situationen umzugehen", erklärt Claudia Lindner. Verständnis ist ihm meist schon genug Trost. Es möchte ernst genommen und verstanden werden, es möchte, dass jemand für es da ist. Etwas, das Kinder durchaus auch mal testen. Besonders gut zu beobachten, wenn sie hinfallen und erst einmal schauen, ob es jemand gesehen hat und wenn ja, wer es war.

Entsprechend wird geweint oder eben nicht. Die Reaktion der anderen hilft vor allem den Kleinen beim Bewerten der Situation. Bei größeren Kindern kann auch mal etwas anderes dahinterstecken: "Sie wollen wissen, ob man sich um sie kümmert. Sie wollen Aufmerksamkeit. Kommt so ein Verhalten nicht nur gelegentlich, sondern häufig vor, dann sollte einem das schon zu denken geben. Und man sollte sich fragen, ob dieses Kind vielleicht an anderen Punkten mehr Aufmerksamkeit braucht." Im Normalfall können Eltern ihr Kind recht gut einschätzen. Allerdings ist es schon so, dass man bei Kindern, die viel jammern, eher dazu neigt, das abzutun.

Aktiv zuhören

Wichtig ist, dass die Kinder eine sichere innere Haltung der Eltern spüren und wissen, dass diese an sie glauben und davon überzeugt sind, dass sie lösbare, altersangemessene Aufgaben auch schaffen können. Wenn auch nicht unbedingt so, wie wir Erwachsenen uns das denken oder zu dem Zeitpunkt, an dem wir es erwarten. Und wenn es mal nicht gleich so klappt, dann ist es entscheidend für das Kind, dass jemand es tröstet und seinen Schmerz auch ernst nimmt. Sich einfühlt in die Kinderseele.

Sätze wie "Mensch, das war aber ein großer Schreck für dich!" oder "Da hast du dir wohl ganz schön wehgetan" helfen genauso wie bei kleinen Kindern das Pusten - man zeigt dem Kind, dass man es mit seinen Gefühlen ernst nimmt und hilft ihm so dabei, diese genau kennenzulernen und einzuordnen.

Gefühle ernst nehmen

"Die Gründe fürs Weinen können sehr vielfältig sein. Letztendlich wäre es schön, wenn man dem Kind helfen könnte, zu merken, um welches Gefühl es sich handelt." Egal ob Traurigkeit, Schmerz, Schreck, Angst oder Peinlichkeit. Denn nicht selten steckt auch ein bisschen verletzter Stolz dahinter. Zum Beispiel dann, wenn man dem Vater zeigen wollte, wie gut man Fahrrad fahren kann und ausgerechnet dann hinfällt. In einer solchen Situation ist es nicht das aufgeschürfte Knie, das wehtut, sondern die Seele.

Und das ist sehr wohl schlimm! Lernt das Kind aber, dass es mit seinen Gefühlen ernst genommen wird, entwickelt es ein gutes seelisches Gleichgewicht. Das wiederum ist die beste Basis für die größeren Widrigkeiten, die ihm in seinem Leben noch bevorstehen werden.

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