Statt englischer Rasen Cambridge-Experiment mit Wiese bringt erstaunliches Ergebnis
Da, wo sonst perfekt geschnittener Rasen wächst, blühen wilde Blumen. In Cambridge sorgt ein Wiesenexperiment für Aufsehen.
Wenn die Engländer eines können, dann einen perfekten, unkrautfreien Rasen zu züchten. Wir Deutschen nennen das makellose Grün daher auch "englischer Rasen". In der weltberühmten Universität von Cambridge hatten Wissenschaftler allerdings genug von dem im Jahr 1772 angelegten Rasen des King's College. Sie wandelten die Fläche vor drei Jahren zu Forschungszwecken in eine Blumenwiese um. Mit erstaunlichen Ergebnissen.
So berichten die Forscher um Botanikerin Cicely Marshall im Fachmagazin "Ecological Solutions and Evidence", dass sich auf der Wiese nicht nur die pflanzliche Artenvielfalt stark erhöhte, sondern auch die tierische. Obwohl die Wildblumenwiese mit 3.600 Quadratmetern recht klein ist, fanden die Forscher etwa dreimal mehr Pflanzenarten sowie dreimal mehr Spinnen- und Käferarten als auf der benachbarten Rasenfläche. Insgesamt ermittelten sie eine um das 25-Fache erhöhte Biomasse an Wirbellosen.
14 Fledermausarten gezählt
Außerdem wurden Fledermäuse dreimal häufiger auf der Wiese gesichtet. So zählten die Botaniker vierzehn unter Naturschutz stehende Arten auf der Wiese, aber nur sechs auf dem Rasen.
"Die Wiese kommt der biologischen Vielfalt extrem zugute", sagte Cicely Marshall laut einer Pressemitteilung der Universität. "Ich war wirklich überrascht über das Ausmaß der Veränderung auf einer so kleinen Fläche." Ebenfalls sei erstaunlich, wie sehr die Wiese das Verhalten der Fledermäuse beeinflusst habe.
Wiese bleibt kühl und pflegt sich selbst
Der CO2-Ausstoß der Wiese ist im Vergleich zu gedüngten und gepflegten Rasenflächen sehr gering, heißt es. Und die Vielfalt hat auch noch einen weiteren klimatischen Vorteil: So reflektiert die Wiese 25 Prozent mehr Sonnenlicht als der Rasen und trägt so dazu bei, dass dem "städtischen Wärmeinseleffekt" entgegengewirkt wird. Heißt: Die Wiese bleibt verhältnismäßig kühl.
Auch Cambridge ist im Zuge des Klimawandels anfälliger für Trockenheit geworden, und im letzten Sommer sind die meisten der schönen Rasenflächen des Colleges abgestorben, sagt Marshall. Die Pflege dieser Rasenflächen ist sehr kostspielig, denn wenn sie sterben, müssen sie neu gesät werden. Die Blumenwiese blieb von der Hitze jedoch unbeeindruckt. "Sie hat sich dank ihrer tiefen Wurzeln einfach selbst gepflegt", sagt die Botanikerin.
- Fachjournal Ecological Solutions and Evidence: "Urban wildflower meadow planting for biodiversity, climate and society: An evaluation at King's College, Cambridge" (englisch)
- University of Cambridge: "King's wild flower meadow" (englisch)
- Spektrum.de: "Wildblumen erwecken englischen Rasen zum Leben"