"An Dreistigkeit kaum zu überbieten" Diebe bremsen die Energiewende aus
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Kupferdiebstähle in Windparks steigen rasant: ein lukratives, gefährliches Geschäft mit enormen Folgekosten.
Unbemerkt rücken sie mit Spezialwerkzeug und Klettergeschirr an, um unter Lebensgefahr und in schwindelerregender Höhe Metall zu stehlen: Diebe haben es in Niedersachsen immer häufiger auf Kupferkabel in Windenergieanlagen abgesehen.
Eine ganze Reihe von Taten gab es in der jüngsten Zeit, von der Mitte bis in den Nordwesten des Bundeslandes waren die Kriminellen aktiv, der Schwerpunkt der Fälle lag im Westen. "Diese Angriffe haben im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr, gerade zum Ende des Jahres, deutlich zugenommen", teilte das Landeskriminalamt in Hannover der Deutschen Presse-Agentur mit.
Nach vorläufigen, unvollständigen Daten gab es 2024 eine mittlere zweistellige Zahl von Fällen. 2023 lag die Zahl noch bei weniger als zehn Fällen. Besonders auffällig sei der starke Anstieg im vierten Quartal vergangenen Jahres gewesen. "Derzeitig setzen sich die Taten in 2025 fort", teilte das LKA weiter mit. Erst vor wenigen Tagen meldete die Polizei im Landkreis Cloppenburg erneut einen Einbruchversuch in eine Windkraftanlage in Emstek.
Abgesehen haben es die Diebe auf die Stromkabel, die im Inneren der Windkraftanlagen verlaufen. In den Türmen, die zwischen 60 und bis zu 150 Meter hoch sind, verbinden Starkstromkabel den Generator im Maschinenhaus ganz oben mit dem Netzanschluss im Sockel der Anlage.
"Hohes Maß an Professionalität und Organisation"
Um möglichst viel Kabel zu erbeuten, müssten die Diebe deshalb weit nach oben in die Anlage klettern und die Kabel trennen, erklärt Horst Mangels. Der Windparkprojektierer, der auch Vorstandsmitglied im Landesverband Erneuerbare Energie (LEE) ist, ist selbst Opfer von Kupferdieben geworden.
"Da sind sie im Windpark in eine Anlage eingebrochen und haben die Kupferkabel aus dem Turm rausgeschnitten. Da haben sie sich sogar noch die Zeit gelassen und haben die Kabelstücke in ein bis zwei Metern Länge abisoliert", berichtet Mangels. In einem anderen Fall hätten Diebe Kabeltrommeln von einer Windpark-Baustelle abtransportiert – mithilfe eines zuvor gestohlenen Lasters und eines Baufahrzeugs. "Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten."
Ermittler und Energieexperten nehmen an, dass die Täter mit Fachwissen, speziellem Werkzeug und teils auch mit Klettergeschirr vorgehen. Die Tätergruppen zeigten ein "hohes Maß an Professionalität und Organisation", teilte das LKA mit. In Gruppen von bis zu acht Personen gingen die Diebe an den Tatorten arbeitsteilig vor. Da die Kupferkabel unter Hochspannung stünden, benötigten die Täter zudem spezielle technische Fähigkeiten. "Aufgrund dieser Umstände kommt es häufig auch nur zu Versuchstaten", hieß es vom LKA.
An Schrotthändler verkauft
Zwar sende eine Windkraftanlage eine Fehlermeldung aus, wenn diese vom Netz getrennt werde oder eine Störung auftrete – allerdings komme deshalb nicht schon nach wenigen Minuten ein Servicetechniker an die Anlage, sagt Mangels. Außerdem stünden Windkraftanlagen meist abseits, in eher unbewohnten Gebieten. Kupferdiebe könnten da leichter unentdeckt bleiben. "Die wissen genau, was sie tun", sagt Mangels.
Nach Angaben des LKA werden die meterlangen Kabelabschnitte von der Isolation getrennt oder im Ganzen an Schrotthändler verkauft oder zur Schrottverwertung ins Ausland gebracht und dort zu Geld gemacht. Um die tonnenschwere Beute abzutransportieren, nutzen die Täter meist kleine Transporter oder Pritschenwagen – manchmal sogar ganze Lkw.
"Die Schadenssumme liegt schnell bei 250.000 bis 300.000 Euro"
Für die Täter scheine dies ein lukratives Geschäft zu sein, heißt es vom LEE, wo die vermehrten Kupferdiebstähle ebenfalls registriert werden. Der Verband weist auf den aktuellen Kupferpreis von rund 9.800 Euro pro Tonne Kupfer hin.
Problematisch ist aus Sicht der Windparkbetreiber nicht nur der Kupferverlust, sondern mehr noch die Folgekosten, die durch die Diebstähle entstehen. "Die Schadenssumme liegt schnell bei 250.000 bis 300.000 Euro", teilte ein LEE-Verbandssprecher mit. Denn nach einem Kupferklau seien die Windkraftanlagen nicht mehr funktionstüchtig und müssten repariert werden.
Es dauere teils mehrere Monate, bis ein Windrad wieder in Betrieb gehen könne, sagt Horst Mangels. Servicetechniker müssten bestellt, Materialien beschafft und die Ersatzkabel schließlich ganz neu eingezogen werden. Dann muss die Anlage zunächst in einen Probebetrieb gehen, um danach einen reibungslosen Dauerbetrieb sicherzustellen. Neben den Reparaturkosten kommt für die Betreiber auch noch ein Ertragsausfall hinzu.
Kameraüberwachung, Alarmanlagen und Sicherheitspersonal
Die Polizei in Meppen, zuständig für das Emsland, wo es zuletzt zu mehreren Diebstählen kam, rät Windparkbetreibern deshalb, mehr für den Schutz der Anlagen zu tun. "Wir empfehlen daher, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und insbesondere die Überwachung Ihrer Anlagen zu intensivieren", heißt es in einem Schreiben der Beamten. Dazu zählten etwa zusätzliche Kameras oder Bewegungsmelder, die Installation von Alarmanlagen und regelmäßige Kontrollen, um Schwachstellen zu entdecken.
Für eine solche Nachrüstung sind allerdings die Windparkbetreiber selbst zuständig. "Herstellerseitig sind Windenergieanlagen mit abschließbaren Türen gesichert und verschlossen, ein einfacher Zutritt ist somit nicht einfach möglich", teilte etwa eine Sprecherin des Auricher Windenergieanlagenbauers Enercon auf Anfrage mit. Zusätzliche Schutz- und Überwachungsmaßnahmen seien eine Sache der Anlagenbetreiber.
Windparkbetreiber Horst Mangels sagt, dass angesichts der vielen Einbrüche immer mehr Betreiber von Windkraftanlagen ihre Anlagen entsprechend stärker absichern. Neben Kameraüberwachung und Alarmanlagen gehe es auch um Sicherheitspersonal, das bei Alarmmeldungen schnell die Anlagen vor Ort kontrolliere. "So versuchen wir uns, davor zu schützen", sagt Mangels. Auch Baustellen kämen längst nicht mehr ohne Wachschutz aus.
- DPA