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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ökologisch und fair? Das müssen umweltbewusste Smartphone-Käufer wissen
Smartphones werden im Schnitt alle zwei Jahre ersetzt, das hat Folgen für die Umwelt. Wer ein ruhiges Gewissen haben will, sollte einige Grundsätze beherzigen.
Sobald ein Smartphone mit besserer Kamera oder mehr Funktionen auf den Markt kommt, landet das alte Gerät oft in der Schublade oder es wird entsorgt. Reparaturen sind meistens teurer als ein neues Smartphone.
Wenn das Aktualisieren oder Reparieren leichter und günstiger werden würde, könnte sich das ändern. Das wäre wichtig, da die Produktion eines Smartphones mit einem hohen Energie- und Ressourcenaufwand verbunden ist.
Eine wichtige Frage für jeden Nutzer könne daher vor dem Kauf lauten: Wie nachhaltig soll mein Smartphone sein? Und: Wie muss mein Gerät beschaffen sein, dass ich es möglichst lange nutzen kann oder dass sein Wert möglichst lange erhalten bleibt? Inzwischen gibt es verschiedene Projekte und Ansätze, die versuchen, den gesamten Produktzyklus von der Beschaffung und Produktion, über Upgrades bis zur Reparatur und Recycling nachhaltiger zu gestalten. Hier eine Auswahl:
Nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen
Für die Produktion von Smartphones müssen die Hersteller bis zu 60 unterschiedliche Rohstoffe und Materialien beschaffen: Lithium für die Batterie, Gold für Kontaktstellen, Zinn für Lötstellen, Tantalum für Mikro-Kondensatoren, dazu Kobalt und Seltene Erden. Die Arbeitsbedingungen für die Rohstoffgewinnung sind oft menschenunwürdig und verstoßen gegen internationale Standards. So sollen etwa Kinder regelmäßig in den Kobaltminen im Kongo arbeiten. Coltan, aus dem Tantalum gewonnen wird, gilt als Material, an dem die meisten Konflikte entstehen. Und nicht immer lässt sich genau sagen, woher welcher Rohstoff kommt. In China, wo die meisten Smartphones gefertigt werden, werden Zulieferer-Informationen meist als Betriebsgeheimnis behandelt.
Ein Ansatz: Wer wissen, will, woher die Rohstoffe stammen, die in seinem Smartphone stecken, muss viel recherchieren. Denn dazu müssen auch die Hersteller wissen, woher jeder einzelne Stoff kommt. Derzeit ist eine hundertprozentige Transparenz in der Beschaffung nicht möglich, da zu viele Unternehmen in die Fertigung der Smartphone-Teile involviert sind.
Ein positives Beispiel: Die niederländischen Macher des Fairphones schlüsseln alle Kosten für Herstellung, Steuern und Investitionen genau auf und dokumentieren ihre Zuliefererkette. So beschaffen sie Gold, Tantal, Zinn und Wolfram aus "konfliktfreien" Minen. Die deutschen Hersteller des Shiftphones verzichten ebenfalls auf Metalle aus Konfliktzonen und ersetzen das Tantalum durch Keramik. Das Gold kommt aus als "fair" zertifizierten Minen im Kongo. Das Unternehmen verwendet für Reparaturen ausschließlich den Lötdraht des Vereins "FairLötet".
Arbeitsbedingungen
Arbeiter in chinesischen Montagefabriken müssen teilweise bis zu 90 Wochenstunden arbeiten, bei niedrigem Lohn und geringer sozialer Absicherung. Einen mit europäischen Standards vergleichbaren Arbeits- und Gesundheitsschutz gibt es nicht. Die meisten Smartphones werden in China montiert.
Die Lösung: Die Produktion kann in kleineren Unternehmen durchgeführt werden, die sich besser kontrollieren lassen. Auch können unabhängige Organisationen, wie etwa das TAOS-Network, die Hersteller mit Beratung und unabhängiger Überwachung in den Produktionsstätten vor Ort unterstützen.
Ein Positiv-Beispiel: Das Unternehmen Shift achtet auf möglichst faire wie nachhaltige Produktionsbedingungen und dokumentiert die Fertigung seines Shiftphones. Die Geräte werden zwar auch in China produziert, aber in kleinen Familienbetrieben mit weniger als 300 Mitarbeitern. Ihnen werden bei geregelten Arbeitszeiten von weniger als 50 Wochenstunden höhere Löhne gezahlt. Außerdem erhalten die Arbeiter vier verschiedene Versicherungen. Inzwischen sind zehn Modelle erschienen. Kontrolliert werden die realen Arbeitsbedingungen vom TAOS-Network.
Problem Upgrades: künstliche Alterung
Nicht selten wird ein funktionsfähiges Handy durch ein neueres Modell ersetzt, weil das Neue etwa über eine bessere Kamera oder höheren Speicherplatz verfügt. Die Upgrade-Fähigkeit eines Geräts spielt daher eine zentrale Rolle bei der Verlängerung seines Lebenszyklus.
Die Lösung: Könnten einzelne Module wie Kamera oder Speicherkarte einfach getauscht werden, müssen nicht mehr komplette Geräte ersetzt werden. Nutzer müssen in der Lage sein, selbst den Austausch vorzunehmen. Alternativ können hier auch einschlägige Services und Dienstleistungen angeboten werden. Der Innovationsverbund Nachhaltige Smartphones an der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt solche neuen Geschäftsmodelle für eine Kreislaufwirtschaft. So können beispielsweise freie Werkstätten beschädigte Geräte ankaufen, reparieren und mit einer einjährigen Gewährleistung wieder anbieten. Voraussetzung sind jedoch verfügbare Reparaturanleitungen und Original-Ersatzteile. Auch Leasing-Modelle von großen Herstellern in Kooperation mit kleinen Werkstätten wäre eine Lösung.
Ein positives Beispiel: Das Fairphone war das erste Smartphone, das den Austausch einzelner Module ermöglichte. Es ist ein modular aufgebautes Handy, das sich in sieben Einzelelemente wie Display oder Kamera zerlegen lässt. Der Nachfolger Fairphone 2 wurde so konzipiert, dass die Ersatzteile möglichst immer verfügbar sind. Auch wurde eine längere Update-Fähigkeit für das Android-Betriebssystem über ein neues Design ermöglicht. Es erhielt daher als erstes Smartphone 2016 das Nachhaltigkeitssiegel "Blauer Engel". Auch das Shiftphone gibt es in einer modularen Variante, alle Ersatzteile lassen sich einzeln bestellen und austauschen. Der Speicher des Shiftphone ist erweiterbar und der Akku einfach zu tauschen. Die Gewährleistung verfällt nicht, wenn Nutzer ihr Gerät aufschrauben oder mit einem neuen Betriebssystem versehen ("rooten").
Reparatur und Wiederaufarbeitung
Wird ein einziges, durchschnittliches Smartphone wiederverwendet, können 14 Kilogramm Rohstoffe und 58 Kilo Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Das stellte 2018 eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft "Umsicht" fest. Funktionieren die Geräte aber nicht mehr optimal oder gar nicht, werden sie trotz der hohen Anschaffungskosten nur selten repariert. Dies mag an den relativ hohen Reparaturkosten im Vergleich zum vermuteten Restwert liegen.
Wenn Hersteller wie Apple die Reparatur durch die Anforderung spezieller Werkzeuge erschweren, kann sie auch nicht in jeder Werkstatt, sondern nur in sogenannten autorisierte Service-Werkstätten durchgeführt werden. In manchen Geräten sind die einzelnen Bauteile miteinander verklebt, was die Reparatur ebenfalls erschwert. Einzelne Komponenten, wie zum Beispiel das Display, sind relativ teuer.
Die Lösung: Kein Handy hat eine so gute Ökobilanz wie ein gebrauchtes: Dafür muss jedoch der Aufwand für Reparatur und Austausch, insbesondere für Display, Batterie und Ladestecker möglichst niedrig gehalten werden. Eine Modulbauweise, ein freier Bezug von Ersatzteilen und eine möglichst umfassende und freie technische Dokumentation können den Aufwand mindern und eine Reparatur lohnend oder den Austausch günstig machen.
Das Shiftphone und Fairphone gibt es von den Herstellern in günstigeren Varianten, die wieder aufgearbeitet wurden. Das Ziel der Macher ist es, den Lebenszyklus der Geräte um mehrere Jahre zu verlängern. Viele Händler und Telekommunikationsanbieter bieten inzwischen von den üblichen Herstellermarken geprüfte Gebrauchtgeräte samt Garantie an.
Noch ein Beispiel: Das gemeinnützige IT-Unternehmen AFB arbeitet gebrauchte IT-Geräte auf, darunter auch Smartphones. Im AFB-Shop finden sich unter anderem nicht nur überholte Huawei-Geräte, Samsung-Galaxy-Smartphones, sondern auch iPhones, die alle mit einer 12-Monate-Garantie angeboten werden. Kunden können die Garantie auf 25 und 36 Monate erweitern. Anders als kommerzielle Wiederverwerter legt das Geschäftsmodell von AFB großen Wert auf soziales und nachhaltiges Wirtschaften. So beschäftigt es unter anderem Menschen mit Behinderung.
Wiederaufarbeitung und Recycling: Sammeln und wieder verwenden
Schätzungen gehen davon aus, dass über 124 Millionen Handys unbenutzt in deutschen Schubladen liegen. Unabhängig davon, ob ein Hersteller ein eigenes Rücknahme-System aufgebaut hat, ist es für eine möglichst effiziente Wiederverwertung der Geräteteile wichtig, dass sich die einzelnen Bauteile leicht voneinander trennen lassen. Mehr als die Hälfte der verbauten Materialien bestehen aus Metallen, die einer Wiederverwertung zugeführt werden können.
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Die Lösung: Gebrauchthandys können gesammelt und dem Recycling zugeführt werden. Einzelne Projekte verfolgen damit gemeinnützige soziale Zwecke.
Noch ein Beispiel: Handys können an gemeinnützige Organisationen wie das Katholischen Missionswerks "missio" gespendet werden. Die Handys können an Abgabestellen abgegeben werden oder per Post eingesandt werden. Jeder kann eine solche Annahmestelle einrichten. Die Recycling-Erlöse kommen sozialen Projekten zugute.